Die Verblödung der Eliten – Teil 2

Die Eliten haben versagt: Sie haben keine europäische Verfassung zustande gebracht. Und jetzt arbeiten sie ihre Frustration ungekonnt an den „Bevölkerungen“ ab, die sich zunehmend nicht mehr mit dem seelenlose Technokratenkonstrukt EU identifizieren mögen.

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Die Gauckschen Eliten sind besorgt. Sie sind hysterisch besorgt und ihre Macht und um ihre fixen Ideen, ganz ähnlich wie die Queen, die in ihrer gefühlt hundertjährigen Regentschaft ein Vakuum auf dem Platz, den sie besetzt, erzeugt hat. Ein unerkanntes oder höchst bewusst übersehenes Vakuum, das die unkaputtbare englische Gesellschaft gefährlich zerbröselt und gespalten hat. Jetzt ist die alte Dame aufgescheucht und will ihr royales Empire nicht hergeben. Ähnlich wie diese Queen jetzt nach dem Brexitvotum ihrer Untertanen schnell die Schotten, die nach Europa abhauen könnten – mehr um endlich England los zu werden, als weil sie nach Europa wollen – versucht in ihrem Reich zu halten, wollen die aufgeschreckten europäischen Eliten angesichts von denkbaren Austrittsszenarien in Österreich, Ungarn, aber auch anderen Ländern, die „Bevölkerungen“ auf ihren Kurs zwingen.
Sie forcieren derzeit, wie der schon erwähnte Bundespräsident Gauck nicht mehr nur den Kampf der guten (linken) Mehrheit gegen die kleine rechte Minderheit, die stündlich groß und gigantisch geredet wird und nach dem Gerede von der permanent „wachsenden rechten Gefahr“ längst 40-50% der Bevölkerung ausmachen müsste, sondern sie gehen parallel und zunehmend dazu über, die demokratischen Rechte des Volkes, die allerdings in der deutschen Verfassung betonfest geschrieben sind, in Frage zu stellen.

Der neueste Trend, der vor rund fünf Jahren begann und im Wesentlichen von den Grünen erfunden wurde, heißt: Der Souverän des Grundgesetzes, das Volk, wird abgeschafft (nicht physisch glücklicherweise). Der Souverän des Grundgesetzes wird durch einen neuen Typus ersetzt, nämlich durch die Eliten, durch die Elitensouveränität. Der luzide, aber gewiss nicht der allerhellste Daniel Cohn-Bendit mit dem ausgeprägten Gespür für erfolgreiche Provokation und einem guten Selbstinszenierungstalent, fing 2010 plötzlich ganz antigrün davon zu reden, dass die Menschen über Projekte wie Stuttgart 21 abstimmen sollten und dürften, dass sie aber unter keinen Umständen über den Euro, Europa und die Einwanderung mit zu entscheiden hätten. Das sei zum Guten der Bevölkerung so zu handhaben, weil diese nichts von der Einwanderungspolitik oder vom Euro verstünde.

Keine Volkssouveränität mehr, sondern Elitensouveränität?

Die Eliten attestieren sich neuerdings brutal offen Kompetenz, schier maßlose Kompetenz. Sie attestieren sich Durchblick, Vernunft und das absolute Wissen von dem, was für den Erdball und die Menschheit das Beste ist. Dieses neue Bauchgefühl der Eliten, die die Bevölkerung nicht einmal aufzuklären in der Lage sind, was sie selber unter dem Begriff Elite verstehen, ist zur größten Gefahr für die Demokratie in Deutschland, in Europa und im Westen allgemein geworden.
Die Amerikaner haben wenigstens die Regelung, dass auch ein Messias wie Obama nach zwei Amtsperioden Schluss zu machen hat. Mit neuen Personen gibt es zwangsläufig verbunden wenigstens einen geringen Elitenwechsel. Die ewigen Kanzlerschaften in Deutschland sind dagegen ein Fluch.

Merkel muss weg, aber das Trägheitsmoment lässt sie, wo sie ist. Und das Trägheitsmoment wird aktuell de facto unterstützt durch das verfassungsfeindliche Elitenverhalten in Gestalt der Einführung eines Subordinationsverhältnisses zwischen einer wissenden und vielleicht auch habenden Oberschicht und der Masse da Unten. Die Sachverhalte, die politisch entschieden werden müssten, seien viel zu komplex, als das ein Normalo-Idiot sie überhaupt verstehen, geschweige denn sie mitentscheiden könnte, ist eine der Weisheiten, die von den Eliten aus der Mottenkiste geholt wird.

Die Brexitgegner werfen jetzt den Brexitbefürwortern Dummheit, fehlende Kompetenz und sprechen ihnen damit auch die fehlende demokratische Legitimation ab, überhaupt mit abzustimmen. So bloggte Panorama-ARD-Anja-Reschke neulich herum, dass die Menschen von TTIP und EU und auch von Schulpolitik in Hamburg usw. nichts verstünden. Zum einen geht es nicht um irgendein Europa, sondern um das richtige, das schöne, das faszinierende Europa, das die Menschen lieben, mit dem sie sich identifizieren und das sie bindet. Zum anderen fehlt Reschke jede Legitimation, anderen Menschen fehlende Sachkenntnis in einer Materie anzudichten. Versteht Reschke selber etwas von den komplexen Materien? Oder kennt sie nur die üblichen Textbausteine, was man so zu sagen pflegt.

Ich stelle mir einen Selbsttest vor. Die Moderatorin geht morgen in eine gut ausgestattete Bibliothek und schreibt einen erläuternden Fachaufsatz in allgemein verständlichem Deutsch, keinen Besinnungsaufsatz und auch keinen Gesinnungsaufsatz. Jede Wette dass dabei nichts herauskommt?

Das Problem sind immer die Eliten
Die Verblödung der “Eliten” - Teil 1
Dass die Bundestagsabgeordneten in einer rasant ansteigenden Zahl von Fällen ganz offen nach den Vorgaben der sogenannten „Fachleute“, Wissenschaftler o. Ä. entscheiden, weil sie selber die Materie nicht mehr durchschauen, ist Fakt. Bill Gates, der nach eigenen Worten zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren selbst programmiert hat, also in der digitalen Steinzeit, versteht das, was seine Spitzenmitarbeiter anstellen, mit Sicherheit nicht mehr oder nur noch peripher. Wie er das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, mitzuführen hat, listig und trickreich und auch mal mit einer Pirouette scheint er indes irgendwie noch halbwegs hinzukriegen.

Die Wahlen westlicher Demokratien basieren auf dem Prinzip des allgemeinen Wahlrechtes und des gleichen Zählwertes jeder Wahlstimme. Jeder, der auch nur – und sei es nur aus Wichtigtuerei – dieses Prinzip in Frage stellt, ist einfach nur ein armer Irrer. Grundweichenstellungen, die zugleich immer Grundwertentscheidungen sind, können auch in einer 100% repräsentativen Demokratie in Ausnahmefällen, die auch Ausnahmen zu bleiben haben, vollkommen legitim und korrekt, auch direkt vom Volk entschieden werden. Jedenfalls dann, wenn die Geschäftsgrundlage der letzten Bundestagswahl faktisch unvorhergesehen entfallen ist.

Masseneinwanderung, wie seit 2014 in Deutschland eingeführt und aktiv betrieben, die jeden Bürger direkt und die Zukunft des Landes betrifft, ist gewiss ein Fall, in dem ein Volksentscheid wohl angezeigter ist, als dass er kontraindiziert wäre.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2009 in seiner Entscheidung zum Lissabon-Vertrag, der in Wahrheit ja ein Elitentrick war und die Verfassung des wunderschönen Europa, das man nicht zustande gebracht hat, hinten herum ersetzt, mehr Bedenken gegen das Technokratenkonstrukt Europa angemeldet, als einem aufrechten Europäer lieb sein kann. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht, im Endeffekt gegen geringste angemeldete Wünsche, die europäische Ersatzverfassung mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt und durchgewunken.

Ich komme auf die eingangs zitierte Datensammlung Wikipedia zurück. Dort lese man den Text zum Stichwort Lissabon-Vertrag. Der Text ist nicht sonderlich elegant komponiert, aber er zeigt, dass sich jemand Mühe gegeben hat, dem einfachen Volk zu sagen, was die EU denn überhaupt ist. Und es stellt sich schnell heraus, dass Europa ein wirres, höchst undemokratisches Kunstgebilde ist. Es sind gewiss wenige Menschen, die über ein hohes Maß an Technokratenverstand verfügen müssen und über eine ziemlich verbissene Form von Juristenlust, die das gesamte Konvolut von geschachtelten, verwobenen und höchst selten nachvollziehbaren Europa-Verträgen vollständig durchschauen und alle Einzelheiten parat haben.

Einem Europa, das auf verfassungsrechtliche Verwirrung der Bürger angelegt ist, weil die Technokraten in Jahrzehnten unfähig waren, eine saubere Lösung hinzubekommen, muss sich kein einziger, auch noch so leidenschaftlicher Europäer anvertrauen. Die wirre Rechtsgrundlage Europas und das arrogante Festhalten der Eurokraten an diesem mordsmäßigen Haufen bedruckten Papieres sind der Nährboden, auf dem die Elitenmissverständnisse in eigener Sache gedeihen.

Wer ein besseres Europa will, ist kein Nationalist und Kleinstaatler, sondern der bessere Europäer

Wenn die Eliten den Weg zu einem demokratischen Europa mit ihrem Lissabonkonstrukt samt Anlagenwust jetzt neuerdings mit ihrem Kampf gegen die „Bevölkerungen“, wie Gauck es ausspricht, verteidigen, ist es das legitime Recht der „Bevölkerungen“, ihre Eliten abzuwählen und so das nicht möglich ist, auch in eigenen demokratischen Prozessen Entscheidungen zu erzwingen.

In den USA dauert die Amtszeit, wie gesagt, acht Jahre. In den schweren Zeiten des zweiten Weltkrieges haben die USA davon eine Ausnahme gemacht und die Ausnahme ist auch Ausnahme geblieben. Das muss man natürlich können. Das ist wahre Souveränität einer Demokratie. Das war die Kür.

Ich persönlich traue der deutschen Demokratie eine solche Leistung nicht zu. Aber Gedankenspiele wie die Republik aus der Elitenfalle herauskommt, sind angebracht. Sich über neue Parteien und Gruppierungen zu echauffieren, die im Prinzip zu 100% aus alten Parteien aller Couleur entstanden sind, zeugt von einem primitiven Elitenhass auf die „Bevölkerungen“.

Es gibt kein einziges, aktuell diskutiertes politisches Thema, das alternativlos nur im Mainstream der Eliten zu beantworten wäre. Gleichwohl ersticken die Eliten den demokratischen Prozess nach Kräften. Es ist auch nicht der einzelne Elitenmensch das Problem, um in Gauckscher Diktion zu bleiben, es sind die gruppendynamisierten Prozesse innerhalb der Eliten, die den Einzelnen konditionieren und da die Konditionierung Vorteile verspricht, lassen sich eben auch viele Elitäre allzu gern kompromittieren.

Eben hätschelten die Medien noch die „Schwarmintelligenz“ der Piraten und von Wikipedia. Auch die Schwarmintelliigenz hat in der Geschichte oft fatal versagt.
Eine Verfassung ist ein toter Gegenstand. Sie lebt von den Menschen, die in der Sekunde leben. Die Frage, ob es sich um eine gute oder eine wertlose Verfassung handelt, entscheidet der Grad der Vernunft, mit dem die Menschen die Verfassung mehrheitlich leben. Dieses Leben ist die verfassungsrechtssetzende normative Wirklichkeit und die Eliten sind so auf dem Ruder gelaufen, dass man mit Fug und Recht sagen kann, dass das Grundgesetz regierungsamtlich stark gebeutelt wird.
Die Elitenmacht über die Medien, über die Öffentlichkeit zu verfügen, ist grenzenlos geworden. Und auch dieser Machtrausch trägt dazu bei, dass die Eliten sich in den beschriebenen Irrtum ihrer selbst hineinsteigern.

Der von den Eliten tot gemachte Prozess die Europäer mit einer europäischen Verfassung, die die Menschen mehrheitlich unterstützen, zu vergewissern, muss sofort wieder revitalisiert werden. Die zu niedrige Frustrationsschwelle der Eliten in Sachen europäischer Verfassung kann nicht dazu führen, dass sich die Eliten jetzt anmaßen die Macht in den westlichen Demokratien zu übernehmen.

Die Eliten haben eine viel zu niedrige Frustrationsschwelle

Der Souverän ist, wie das Wort Demokratie schon sagt und wie dieses Wort dort verstanden wird, eine Regierungsform, die vom Mehrheitswillen des Volkes getragen wird. Eliten, denen das nicht passt, müssen sich auf demokratischem Wege um andere Mehrheiten bemühen, aber nicht durch Volksbashing. Der Souverän sind die Bürger, sind die „Bevölkerungen“ und daran ändern auch formal variierende Verfassungen in anderen europäischen Ländern nichts.

Mehr Demokratie wagen, das müssen die antidemokratischen Eliten ruckzuck lernen.
Verdummende Rechthabereliten können unkalkulierbarer werden als offen bösartige Eliten. Und die Medieneliten müssen damit leben, dass sie ihre Produkte auch händeringend an die dumme Brexithälfte der Menschen verkaufen wollen.

Bei der Gelegenheit noch eine Frage: Wer oder was ist Elite? Der Lottomillionär? Der schwerkapitalisierte Zuhälter? Die kapitalrentnernden Erben? Petry, Erdogan oder Merkel? Boris Johnson, Mutter Theresa oder Al Capone? Kaiser Nero, Mao Tse Tung oder Pol Pot? Der Herr Pastor oder der Herr Imam. Margot Honecker? Oder Cindy von Marzahn? Nathalie Wörner? Klein-Erna oder Tünnes und Scheel? Franz Beckenbauer, Kübelböck und Dieter Bohlen? Der Zigarettenhersteller oder der Waschmittelhersteller oder der Manager der Früchte-und Gemüseabteilung von Aldi?

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