Warum kann Israel Corona? Warum kann es Deutschland nicht?

Die "Jeckes" verstehen die Welt nicht mehr, beziehungsweise das Land ihrer Vorfahren. Hätten die Juden aus Deutschland ihre organisatorischen Fähigkeiten von Angela Merkel, Jens Spahn, Helge Braun und Peter Altmaier gelernt, Tel Aviv wäre heute noch eine malariaverseuchte Wüste.

IMAGO / Xinhua

Hier kommt ein Zuruf aus Israel von einem, der in München, Deutschland aufgewachsen ist und jetzt 22 Jahre in Herzliya im Großraum Tel Aviv lebt. In einer Gegend, die von deutschstämmigen Juden vor 112 Jahren gegründet wurde. Sie haben damals im Sand ihre „claims“ abgesteckt und begannen, bewundert von Einwanderern aus über 100 Ländern das heutige Wirtschafts- und Innovationszentrum Israels und des Nahen Ostens aufzubauen. Das alles war einmal. 

Die „Jeckes“, die so genannt werden, weil sie beim Arbeiten trotz sengender Hitze ihre Sakkos aus alter Gewohnheit und Stolz nicht ablegten, verstehen heute die Welt nicht mehr. Deutschland baut Impfzentren ohne Impfstoff und in Israel läuft das Impfen gegen eine Pandemie wie das „Bretzlbacken“ (O-Ton Süd für störungsfreie Abläufe). Ende dieser Woche werden 4,5 Millionen der 9,2 Millionen Bürger des Landes geimpft sein. Hallelujah! Und wie schaut es in „meinem“ Deutschland, „meinem“ Bayern aus? Ich schlage zum wiederholten Mal die Hände über dem Kopf zusammen.

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Am Montag schlenderte ich bei bayerischem Sommerwetter, 18 Grad Celsius, mit meiner Frau in ein nahe gelegenes Impfzentrum. Tage zuvor piepste mein Handy: Meine Gesundheitskasse „Maccabi“ schickte eine SMS: “Mo, 25.1.21 um 13.40 Uhr solle ich mich doch bitte im Impfzentrum XX einfinden. Bleiben Sie gesund!“ Dort angekommen herrschte reges Treiben, 30 Mitbürger, die in der Sonne warteten, wurden von einem jeanstragenden, jungen Mann locker im 2-Minuten-Takt aufgerufen, das Impfzentrum zu betreten. Als Einlass galt dieser SMS-Text auf dem Handy, den der Kontrolleur überflog und den Weg freigab. Fünf Meter weiter vertraute ich einem Automaten meine Mitglieds-Karte an. Das Gerät wies mir eine Nummer zu. Vier Minuten später wurde diese Nummer aufgerufen, ein freundlicher Israeli, Mitte zwanzig, stellte mir einige Fragen, nachdem er meine Gesundheits-Geschichte auf dem Schirm seines PC überflog. Dann kam die Frage „links oder rechts“ und schon war ich in den linken Oberarm gepiekst worden. Zum zweiten Mal innerhalb von 21 Tagen. Beim Aufstehen gab mir der sympathische Impfer noch den Rat, eine Woche auf Abstand zu achten und natürlich die Maske zu tragen. 

Am Abend schaute ich ARD, ZDF und RTL-Nachrichten, die die Impfzahlen Deutschlands und Israels verglichen, und stellte mir die Frage: Hätten die Juden aus Deutschland vor 112 Jahren ihre organisatorischen Fähigkeiten von Angela Merkel, Jens Spahn, Helge Braun und Peter Altmaier gelernt, Tel Aviv wäre heute noch eine malariaverseuchte Wüste. Aber was ist heute anders als damals?

Freunde aus München und Stuttgart berichten von neuen, blitzsauberen Impfzentren. Sie haben nur ein kleines Problemchen: Es gibt keinen Impfstoff. Stattdessen gibt es jede Menge Diskussionsstoff und Diskutanten mit allen möglichen Titeln, die für alles irgendeine Erklärung finden – seit Wochen. Aber keiner beantwortet die naheliegende Frage, wieso ein in Deutschland entwickelter Impfstoff in den USA, England, Kanada und Israel ausreichend zur Verfügung steht, jedoch im Produktionsland Mangelware ist.

Klotzen statt kleckern
Israel impft – Berlin quatscht
Ach so: weil man eine EU-Lösung für die Impfstoffbeschaffung bevorzugt, man will keinen Impf-Nationalismus. Welche der großen Probleme der europäischen Neuzeit hat die EU in Brüssel bisher gelöst? Die Migrantenfrage? Totalversagen! Die Energiewende ist eine Egowende, bei der jedes EU-Land rücksichtslos seinen Weg geht. Deutschland hat dafür die teuersten Strompreise. Und in diesem Umfeld kommen Verantwortungsträger in Berlin auf die Idee, der EU die Beschaffung von lebenswichtigen Impfstoffen zu überlassen?

Israels Benjamin Netanyahu ist nicht Jedermanns Darling, das will er auch nicht sein. Seit Wochen wird vor seinem Amtssitz in Jerusalem demonstriert und Gerichte beschäftigen sich mit seinem Führungsstil. Aber er ist, was man im Hebräischen einen „Macher“ nennt. Als 2010 riesige Waldbrände den Norden des Landes verwüsteten, besorgte er innerhalb kürzester Zeit Löschflugzeuge. Die Terrorwelle 2002 – 2004 mit hunderten Opfern jährlich hat er 2020 auf 14 reduziert. Und in der Pandemie hat er nicht ideologisch verbrämte Grundsätze der Staatskunst langatmig diskutiert, sondern mit den „Machern“ bei Biontech/Pfizer und Moderna persönlich telefoniert und die Kreditkarte sprechen lassen. Wen interessiert es in Israel, wieviel er pro Dose bezahlt, wenn es täglich um Menschenleben im eigenen Land geht? Um Mütter und Väter, Großeltern und auch Kinder.

Yuval Noah Harari, Israels Bestseller-Autor, schreibt, dass mächtige Weltreiche wie die Pharaonen, die Perser, die Griechen und das alte Rom untergegangen sind, weil ihre Gesellschaft übersättigt war. Reichtum schwächt, wenn man die Ursachen des eigenen Erfolgs vergisst, verdrängt oder bewusst zerstört. In Deutschland herrscht eine Mischung all dieser Untugenden. Und die Untugenden haben ein organisiertes Publikum. Offensichtlich besser organisiert als die Impfstoff-Beschaffung. All jene, die es besser wissen und auch formulieren können, haben kein Mikrophon mehr. Weder im Bundestag noch an den Universitäten, noch in den Medien. Mir fällt mein Nachbar in München ein, der ein Hildegard-Knef-Bewunderer war. In traurigen Phasen war sein Lieblingslied zu hören: „Von nun an ging’s bergab“.

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Kommentare ( 103 )

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maier300
3 Jahre her

Israel ist ja aktuell im mittlerweile dritten Lockdown. Jedes Mal werden die Leute damit in falscher Sicherheit gewiegt, und anschließend gibt es neue Infektionsrekorde. Das ist für mich genauso wenig ein Erfolgsmodell wie Österreich. Im Gegenteil: Man kann sich als Deutscher mit der Erkenntnis trösten, dass andere Länder es noch (viel) schlechter machen. Lockdowns sind nicht die Lösung und auch nicht die Impfung, denn die Grippe kommt ja trotz allem jedes Jahr wieder. Warum sollte es bei Corona anders sein? Gegen die früher bekannten saisonalen Coronaviren 229E etc. gibt es übrigens keine Impfung, da sie sich ständig verändern und der… Mehr

Susa
3 Jahre her
Antworten an  maier300

Grippe gibt’s aber diesen Winter nicht. 😉 Ich bin auch verzweifelt über die Naivität der Corona-Gläubigen, dass die alle glauben, irgendwann wird es wieder vorbei sein. Wir müssen jetzt nur alles schön befolgen, weil sonst ganz viele Menschen sterben, aber bald ist alles wieder wie früher. Dass die nächste Mutation, das nächste, vielleicht neue Virus kommen wird, womit die Verlängerung des Wahnsinns jeweils begründet werden wird, haben die irgendwie nicht auf dem Schirm. Ich frage die dann immer: ‚Wie stellst du dir denn vor, wie das weitergehen soll, langfristig?‘ Dann schauen sie mich entgeistert an. Mir ist das Szenario, welches… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Susa
Rob Roy
3 Jahre her

Unabhängig, wie kritisch man den neuartigen Impfstoffen gegenübersteht, treibt mir der beschriebene Ablauf der Impfung in Israel Tränen in die Augen. Meine betagten Eltern, die gerne eine Impfung hätte, haben noch nicht einmal das Schreiben erhalten, in welchem dann ein Code stehen soll, mit welchem sie bei einer vermutlich nicht zu erreichenden Hotline anrufen sollen, die ihnen dann einen Impftermin am Sanktnimmerleinstag mitteilen würde. Abgesehen, dass weder das lokale Impfzentrum seine Arbeit aufgenommen hat, noch das genug Impfstoff zur Verfügung stehen würde. Neben all diesen Problemen und Sorgen stellen sich mir aber die wesentlichen Frage: Warum dulden wir Bürger diese… Mehr

horrex
3 Jahre her

Ein Freund brachte es neulich spitz auf den Punkt mit der Formulierung: „Wie klein muss ein Problem sein, damit man es in D. (und er EU) lösen kann!“

horrex
3 Jahre her

Was mich immer wieder tröstet ist der uralte Satz: „Hochmut kommt vor dem Fall!“ Hoffentlich erlebe ich noch, dass von Merkel, vdL, ganz Brüssel, das ganze grün-rote Gschwerl samt den Democ-rats in den USA fällt. –
Es KANN nicht gut ausgehen, wenn man das Himmelreich verspricht, permanent an den einfachsten Dinngen scheitert und mit „ethischen Wattebällchen“ die Realitäten bekämpft. –
Peking arbeite mit viel Geschick und langem Atem heftig daran zu zeigen wie unglaublich „dumm und hohl“ dieser Hochmut ist. –

horrex
3 Jahre her

Angesichts dessen was „das jüdische Volk“ all die vielen Jahrhunderte lang geleistet hat habe ich jede Menge Respekt. Im besten möglichen Sinne. Die enorme Resilienz betreffend und was in Israel ganz pragmatisch und gegen alle Widerstände geleistet wurde. – Es ist ganz anders als hier. All die Hindernisse, Widerstände usw. scheinen die Menschen GESTÄRKT zu haben. Zu Machern gemacht zu haben. Statt wie nun hier von Bedenken gegen „Dies und Das“ getragenen, zu verweichlichten Unterlassern gemacht zu haben. Eine Haltung, Stimmung u. Mentalität die so garnicht mehr an das zerstörte Nachkrigs-Deutschland erinnert in dem ich einmal aufgewachsen bin. – Dass… Mehr

Lichtenberg
3 Jahre her

Für ungelesene, unerbetene und gar kritische Schriftstücke lautet ihre souveräne Reaktion „nicht hilfreich!“.

Klaus H. Richardt
3 Jahre her

Ich denke, es gibt ganz einfache Gründe, warum die Impfprojekte in Israel, USA und Großbritannien funktionieren:

  • Netanjahu hat Armeen geführt
  • Trump einen großen Konzern
  • Boris Johnson war Medienunternehmer

Im Gegensatz dazu wird bei uns jeder Spitzenpolitiker wenn er/sie die Schule geschmissen und/oder noch nie verantwortlich außerhalb der Politik gearbeitet hat.
Ohne Berufserfahrung und Organisationstalent funktioniert halt nur Aussitzen; das geht aber schief, wenn schnell gehandelt werden muss. Gell, Frau Merkel?

Michael M.
3 Jahre her
Antworten an  Klaus H. Richardt

Ja aber die Ursel spricht doch so viele Sprachen und hat einige Kinder auf die Welt gebracht (erzogen wohl eher nicht, sie mußte ja auch noch parallel eine Vielzahn von Projekten an die Wand fahren), das ist doch auch eine Leistung.
Mann oh Man, es hilft wirklich nur noch Sarkasmus bzw. Ironie.

Peter Mueller
3 Jahre her

Ich hoffe für die Geimpften, daß ihnen üble Nebenwirkungen des Experimantal-Impfstoffes erspart bleiben mögen und schüttele ansonsten nur entsetzt den Kopf.

Last edited 3 Jahre her by Peter Mueller
Bernhard J.
3 Jahre her

Man wird ja recht bald sehen, ob die Massenimpfung in Israel zu den gewünschten Erfolgen führt. Wie mittlerweile in Fachbeiträgen zu lesen ist, gibt es schon Hinweise, dass die Impfungen bei den Mutationen nicht oder nur stark herabgesetzt wirken. Zudem ist mittlerweile bekannt, dass Geimpfte trotzdem infektiös sein können. Ob es schwerwiegende langfristige Impfnebenwirkungen geben kann, ist derzeit noch gar nicht einschätzbar. Pharmakonzerne sind schnell dabei, Risiken Ihrer Produkte erstmal dreist herunterzuspielen, so war das auch bei dem Dengue-Impfstoff. Anbei möchte ich aus einem Artikel des Ärzteblattes vom Montag, 4. Dezember 2017 zitieren: „Manila – Auf den Philippinen haben Hunderttausende… Mehr

horrex
3 Jahre her
Antworten an  Bernhard J.

Ein Stück weit teile ich durchaus die Skepsis den „neuen Verfahren“ gegenüber. Auch was den Einsatz in nun enormen Mengen angeht und was die kurze Entwicklungszeit und die so genannte Phase 4 angeht. Weniger als ein Jahr gegen ansonsten 10+ Jahre. Man sollte aber auch sehen, dass anlässlich Sars und Mers im Hintergrund und die Präklinik und die Verfahrenstechnik angehend schon seit Jahren und vorher jede Menge Arbeit „gelaufen“ ist. Dinge von denen die breite Öffentlichkeit garnichts mitbekam. – Ich denke auch, dass „der pösen Pharmaindustrie“ sehr(!!!) bewusst ist, dass sie ihr Image nicht mehr korrigierbar und wie man so… Mehr

Bernhard J.
3 Jahre her
Antworten an  horrex

Und warum ist dann ein solch gravierender Fehler beim Dengue-Impfstoff passiert?
Die neuartigen Impfstoffe sind natürlich interessant, wenn man von möglichen Risiken absieht, da durch die neuartige Technik die Entwicklungszeiten extrem verkürzt werden können und Impfstoffe in Zukunft in nahezu unbegrenzten Mengen verfügbar wären. Angesichts möglicher Pandemien in einer global vernetzten Welt, die wesentlich infektiöser und auch tödlicher sein könnten, ist da das Interesse an diesen Verfahren groß und auch nachvollziehbar. Doch darum die Möglichkeit gravierender Fehleinschätzungen mit schlimmen Folgen, auszublenden, scheint mir nicht der richtige Weg.
Für junge Menschen ist Covid keine lebensbedrohende Krankheit.

Henni
3 Jahre her

Herr Rosenberg, sie heroisieren mir Netanyahu zu sehr. Andere israelische Politiker sind mindestens genauso gut, wenn nicht noch besser. Netanyahu ist nur das Produkt eines gut funktionierenden Volkes. Etwas korrupt, aber noch im erträglichen Maße. Wenn einer hier Lorbeeren verdient, dann ist es das israelische Volk, aber nicht nur wegen der Corona-Politik. Die EU hinkt etwas hinterher, das kostet uns einige 80 jährige und etwas Wachstum. Ich gebe zu, etwas empathielos und nüchtern betrachtet sparen wir Renten und Ressourcen. Das haben wir in ein paar Monaten wieder aufgeholt. Zuviel hochtrabender Eigenlob ist hier fehl am Platz, das Problem liegt anders,… Mehr

Klaus H. Richardt
3 Jahre her
Antworten an  Henni

In einem Krieg (und das ist der Kampf gegen diese gnadenlose Pandemie) gewinnt nur der, der schnell die richtigen Massnahmen einleitet. Ein ehemaliger Generalstabschef kann das eben, das Gegenbeispiel sieht man bei uns. Der Begriff ‚Heroisierung‘ ist von Ihnen falsch gesetzt. Wenn jemand im entscheidenden Moment etwas richtig macht ist er ein Held, dazu muss man ihn nicht machen, also auch nicht Heroisieren.