Proteste und Straßenschlachten – Indiens neues Einwanderungsgesetz

Muslimische Demonstranten errichteten in indischen Städten Straßensperren, zündeten Bahnhöfe, Autos, Busse und Geschäfte an. Es gibt Tote bei Demonstrationen gegen das neue Einwanderungsgesetz.

PUNIT PARANJPE/AFP via Getty Images
Protesters hold placards during a demonstration against India's new citizenship law in Mumbai on December 19, 2019

Das unter Premierminister Modi beschlossene neue Einwanderungsgesetz sorgt für Ärger unter den Muslimen. In Kalkutta an der Grenze zu Bangladesh und in Assam demonstrierten in den letzten Tagen vornehmlich muslimische Studenten gegen das neue Gesetz. Dabei kommt es regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Sicherheitskräften. Weder die Studenten noch erst recht nicht die Polizei halten sich mit Gewaltanwendungen zurück. So werfen zuförderst muslimische Demonstranten Steine gegen Polizisten, die mit Tränengas und Schlagstöcken antworten. In Assam sind dabei schon vier Personen ums Leben gekommen.

Auch in den Bundesstaaten Tripura und West-Bengalen errichteten muslimische Demonstranten Straßensperren, zündeten Bahnhöfe, Autos, Busse und Geschäfte an. In einigen Teilen wurden Mobilfunk und Internet blockiert. Gewaltsame Proteste gab es auch in der muslimischen Jamia Millia Islamia Universität in Neu-Delhi.

Die Vorstellung eines pazifistischen Ghandi-Indiens war schon immer nur Fiktion der 68-Blumenkinder, die heute über die mediale Deutungskompetenz verfügen. In Wirklichkeit ist Indien eine zutiefst hierarchisch und autoritär geprägte Gesellschaft. Starke Führerfiguren werden hoch geschätzt und gottgleich verehrt. Deshalb verfügt Premierminister Narendra Modi, der im Frühling mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt wurde, über eine begeisterte Anhängerschaft.

Worum geht es nun bei dem neuen Einwanderungsgesetz?

In Indien gibt es über eine Milliarde Hindus und etwa 200 Millionen Muslime.
Bei dem Gesetz geht es um eine vereinfachte Einbürgerung von Angehörigen verfolgter religiöser Minderheiten. Dazu zählen Hindus, Buddhisten, Sikhs, Christen und Parsen aus den Indien umgebenden Ländern Bangladesch, Afghanistan und Pakistan. Für Muslime gelten die Einbürgerungserleichterungen hingegen nicht.

Nun ist das nicht weiter verwunderlich, da allgemein bekannt ist, dass in diesen muslimischen Ländern religiöse Minderheiten verfolgt werden, Modi aber offensichtlich davon ausgeht, dass die Muslime sich dort nicht selbst verfolgen.

Modi will keine Einwanderungsschneise für Muslime

Und natürlich will Modi keine unübersehbare Einwanderungsschneise von Muslimen aus Nachbarstaaten schaffen, die sich plötzlich alle verfolgt fühlen, um die indische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Das deutsche Beispiel wirkt da abschreckend. In den westlichen Medien wird er wegen dieser Vorsicht der Islamophobie geziehen.

In Indien werden bis heute pakistanische Hindus aufgenommen, die von Islamisten aus ihrer Heimat vertrieben wurden. In den westlichen Medien ist dies kein Thema, eben so wenig wie die Christenverfolgung in muslimischen Ländern. Hier halten sich insbesondere christliche Würdenträger erstaunlich bedeckt. Ein Gesetz, das verfolgte Minderheiten aus muslimische Ländern schützen soll, gilt dagegen als islamophob.

Diesen verfolgten Hindus die Staatsbürgerschaft zu verleihen, ist ein Versuch, diese Ungerechtigkeit zu mindern. Dass die anderen verfolgten Minderheiten aus den Nachbarstaaten das gleiche Privileg bekommen, spricht eher für Großzügigkeit.

Das neue Einwanderungsgesetz sieht vor, dass Personen dieser verfolgten Religionen die indische Staatsbürgerschaft bekommen können, wenn sie sechs Jahre lang in Indien gearbeitet haben – selbst wenn sie illegal nach Indien eingereist sind. Es reformiert das 64 Jahre alte Staatsbürgerschaftsgesetz, das alle illegalen Migranten davon ausgeschlossen hatte, Bürger Indiens zu werden.

Indien war 600 Jahre muslimisch besetzt

Aber um die Haltung der Hindus gegenüber den Muslimen zu verstehen, muss man geschichtlich weiter zurückblicken.

Auszug aus meinem Buch So fremd so vertraut, die Reise durch Indien:
Ab dem 12. Jahrhundert wurde der größte Teil Indiens von muslimischen Eroberern besetzt. Die traditionelle Religions- und Gesellschaftsordnung wurde erschüttert, die Hindus sahen sich anstelle von hinduistischen Brahmanen und Maharadschas von fremdgläubigen Herrschern regiert, Tempel wurden zerstört, Moscheen erbaut. Hindus mussten im eigenen Land eine „Ungläubigensteuer“ bezahlen, zig Millionen Hindus wurden versklavt oder fanden durch die muslimischen Eroberer den Tod. Das moslemische Reich der Mogulen herrschte in Nordindien bis ins 18. Jahrhundert. 600 Jahre Fremdherrschaft hat ein tiefes Misstrauen gegenüber den Muslimen bewirkt und das wirkt bis heute nach.

Illegal eingereiste muslimische Einwanderer

Zusätzlich zum neuen Einwanderungsgesetz der Regierung protestieren Muslime gegen das neue „Staatsbürgerregister“ (NRC).

Für die letzte Volkszählung in Assam hatten sich über 30 Millionen Menschen in Assam für die Aufnahme in die Bürgerliste beworben. Mehr als zwei Millionen wurde die Aufnahme in das Bürgerregister versagt, da sie keine indische Staatsangehörigkeit belegen konnten. Diese zwei Millionen sind meist illegale muslimische Einwanderer aus Bangladesch.

In das nationale Bürgerregister (NRC) werden nur Bewohner aufgenommen, die beweisen können, dass sie bereits vor 1971 in Assam gelebt haben. In diesem Jahr flohen Millionen vor dem Unabhängigkeitskrieg in Bangladesch nach Indien. Viele Hindus sehen Muslime der bengalischsprachigen Minderheit besonders in Assam als „Eindringlinge“.

In Assam gibt es seit Jahrzehnten eine Protest-Bewegung gegen Migranten aus Bangladesch, die auf der Suche nach Arbeit illegal über die Grenze kommen.

Illegale Einwanderer aus Bangladesch

Im nordindischen Bundesstaat Assam wanderten seit den 50er Jahren kontinuierlich Bengalen aus Ostpakistan (ab 1971 Bangladesch) illegal über die grüne Grenze nach Assam ein. Viele der über 2 Millionen illegalen Einwanderer ließen sich auch illegal in die Wahlregister eintragen. So entstand bei den Alteingesessenen und den Stämmen immer mehr das Gefühl, bald eine Minderheit im eigenen Land zu sein und selbst bei den Wahlen überstimmt zu werden.

Aus dieser Verunsicherung heraus entstand das Bedürfnis, klären zu lassen, wer nun denn wählen dürfe und wer nicht, wer nun denn Inder mit den Rechten des Einheimischen ist, und wer illegaler Zuwanderer aus Bangladesch ist.

Indien will nicht von seinen Ostprovinzen abgeschnitten werden

Wie die Burmesen mit den Rohingya (Bengalen), so befürchten auch die Inder aufgrund von illegaler Einwanderung und des rasant wachsenden muslimischen Bevölkerungsanteils der Bengalen in Assam, in nicht allzu ferner Zeit in die Minderheit zu geraten. Das hätte für Indien dramatische Auswirkungen. Wie auf der Karte zu sehen ist, hat Indien nur eine extrem schmale Landverbindung zu seinem Ostteil. Sollte diese in Assam durch muslimischen Terror oder gar eine islamische Herrschaft unterbrochen werden, hätte Indien keinen Zugang mehr zu seinen Ostprovinzen. So reagiert die Regierungsseite äußerst allergisch auf islamische Einflüsse in Assam.

Die Berichterstattung in den „Qualitäts-Medien“

Leider ist in den „Qualitäts-Medien“ keine tiefgründige, historische Aufarbeitung der Probleme zu finden. Diese beschränken sich vielmehr auf eine einseitige Verurteilung der indischen und im Falle der Rohingyas auf eine Aburteilung der burmesischen Seite. Täter und Opfer sind aber auf beiden Seiten zu finden.

In den Medien wird fälschlich behauptet, dass den illegalen muslimischen Einwanderern „faktisch“ der Entzug ihrer Staatsangehörigkeit drohe. Verlieren könnten sie die indische Staatsangehörigkeit aber nur, wenn sie diese vorher besessen haben. Ein automatischer Erwerb einer Staatsbürgerschaft durch illegale Einwanderung entspricht in keinem Land der Welt der Rechtslage. Es kommt darauf an, ob zuständige indische Behörden die Einwanderer durch einen formellen Rechtsakt eingebürgert haben. Und das ist nicht der Fall. Somit sind tendenzöse Verurteilungen gegenüber Indien und Burma obsolet, wiewohl sich die illegalen Einwanderer in keiner guten Situation befinden. Allerdings geht es Ihnen dort noch immer besser als in Bangladesch, denn sonst würden sie ja wieder in ihr Heimland zurückwandern.


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Im Internet unter
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Kommentare ( 66 )

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Kassandra
4 Jahre her

Sie sind ja vielfach nicht einmal untereinander friedlich…

Kassandra
4 Jahre her

Sklavenhandel war auch zunächst innerafrikanisch, bis sich die Araber einmischten. Europa und Amerika kamen erst sehr spät dazu und nutzen vorhandene Strukturen, bevor sie den Markt aktiv zum Erliegen brachten.
Man kann sich auch endlich fragen, weshalb es in arabischen Ländern so gut wie keine schwarzen Menschen gibt?

Rosa Kafko
4 Jahre her

Die muslimische Expansion läuft immer nach folgendem Muster ab:
1. Man sickert illegal in den Nachbarstaat ein und „vermehrt“ sich dort. Man beginnt die indigene Bevölkerung zu missionieren.
2. Ab einer 5% Minderheit wünscht man Sonderrechte.
3. Terror, Gewaltexzesse, Vergewaltigung überziehen das „Gastland“
4. Hat man die Mehrheit erlangt, vertreibt und unterdrückt man alles Nichtmuslimische.
Man beginnt mit 1. ..

Schonclode
4 Jahre her

Was meinen Sie was in Deutschland los sein wird, wenn erst die Sozialhilfe für die sogenannten Flüchtlinge gestrichen wird, die sich auf den selben Niveau bewegt wie die der Deutschen. Deutschland hat gerade jetzt seine Buntensteuer (Darf nicht so heißen) erhöht, und das sehr massiv. Die MwSt Erhöhung wird im kommenden Jahr sich anschließen

FFdabei
4 Jahre her

Sehr erhellender Text zur Lage in Indien und er beschreibt, was unsere Politikfürsten nicht erkennen wollen.
Wo Musel sind respektive hinkommen gibt es Stress, egal in welchem Teil dieser Welt. Die Chinesen haben Stress mit den Uiguren, gehen aber strikt gegen diese Vögel vor. In Europa gibt es dagegen den Sacharow-Preis für einen dieser Vögel. Mit den Anhängern dieser Ideologie komme ich nicht klar, nicht in der Arbeit und nicht in der Freizeit und gebe mir auch keine Mühe es zu versuchen.

Thomas
4 Jahre her
Antworten an  FFdabei

Putin hat sich arrangiert mit den Moslems im und aus dem Kaukasus, da er sie nicht besiegen konnte. Er lässt sie in Ruhe und dafür gibt es keine Terroranschläge in Russland mehr.

H. Priess
4 Jahre her

Seltsam, in jedem Land, welches nicht islamisch regiert wird, sind sie eine unterdrückte Minderheit denen wir helfen müssen. Seltsam aber auch, daß die in ihre Herkunftsländer nicht zurück wollen. In anderen Ländern stellen sie Forderungen und werden die nicht erfüllt sind die anderen die Bösen. Bestes Beispiel bei uns und wir fügen uns. Vielleicht ist die Zeit der Unterwerfung hier in Europa zu lang gewesen. Indien ist eines der Bevölkerungsreichsten Länder der Welt. Dort leben die Menschen dicht an dicht und schon das kleinste Ungleichgewicht kann zum großen Knall führen. Auf welcher Seite wir stehen ist natürlich klar!

Ralf Poehling
4 Jahre her

Ein hochinteressanter Einblick, Herr Gadamer. Sie füllen gerade mit Bravour genau die Lücke, die Peter Scholl-Latour hinterlassen hat. Danke! Ihren Artikel sollte jeder „Friedensbewegte“ und jeder „Nur-Buntfunk-Konsument“ aufmerksam lesen und verinnerlichen. Der Blick Deutschlands auf Indien ist bis heute auf Gandhi und die Briten reduziert. Kaum mehr ist an Information bei uns hängen geblieben. Ein Armutszeugnis. Der eigentliche Konflikt zwischen dem primär hinduistisch geprägten Indien und dem islamischen Pakistan, dass es ohne Gandhis halbgare Strategie (die nur bei den Briten anschlug) gar nicht gäb, wird nur dann im TV im Nebensatz erwähnt, wenn es mal wieder um Atomwaffen geht. Die… Mehr

Maja Schneider
4 Jahre her

Es gibt noch tatsächlich Regierungen, die aus ihrer Geschichte gelernt haben und zudem die Vergabe der Staatsbürgerschaft an bestimmte Voraussetzungen knüpfen und sie eben nicht so großzügig anbieten wie Deutschland mit seinen ideologisch links-grün dominierten Vorstellungen. Erschwerend kommt für unsere Meinungsmacher noch hinzu, dass die Einwanderung kontrolliert und die illegale Einwanderung aus nachvollziehbaren Gründen verhindert werden sollen. Das geht gar nicht!

Gjergj Kastrioti
4 Jahre her

Vielleicht werden die aufsässigen Moslems wie in Myanmar auch einst durch das Militär zurück in ihre angestammten Gebiete getrieben, die sie verlassen haben. Das britische Kolonialgebiet wurde ja Ende der 40er Jahre in zwei Staaten, Indien und Pakistan aufgeteilt, weil die Moslems einen eigenen Staat forderten, in dem sie die Mehrheit haben. Den haben sie mit Pakistan und dahin können ja die 200 Millionen Moslems in Indien auswandern, wenn ihnen der indische Staat nicht gefällt. Herr Modi genießt nicht nur bei der überwältigenden Mehrheit der Inder Ansehen, sondern auch bei allen, denen der islamische Imperialismus immer mehr auf den Geist… Mehr

Karli
4 Jahre her

Dieses Einwanderungsgesetz hat meine volle Zustimmung.