Warum Prinz Charles in Siebenbürgen verliebt ist

Erstmals seit der Covid-Pandemie reiste Prinz Charles wieder nach Siebenbürgen, ein Ort der ihm besonders am Herzen liegt. „Ich fühle hier eine Kontinuität“, sagt er, „einen Jahrhunderte alten Kreislauf in dem Mensch und Natur im Gleichgewicht sind.“

© Tamas Gyurkovits

Es ist ein perfekter Tag im kleinen siebenbürgischen Dorf Miclosoara, oder, wie die ungarischen Einheimischen es kennen, Miklósvár. Ein leichter Wind weht, ein wenig Regen ist gefallen, aber jetzt ist die Sonne da.

„Schaut!“, ruft jemand und zeigt mit dem Finger in die Luft. Ein seltener Anblick: Über den moosbewachsenen Dächern jagt ein wütender Eichelhäher einen Storch davon. Die Störche sind schon seit Wochen zurück aus ihrem afrikanischen Winterquartier. Manche bauen noch an ihren Nestern, aber die meisten haben schon Junge, die gefüttert werden müssen.

Prince Charles sieht hin, und schaut sich dann um. Der Vogel verteidigt vielleicht sein eigenes Küken, meint er. Und tatsächlich, ein paar Meter weiter auf dem staubigen Pfad sucht ein Eichelhäher-Küken unbeholfen nach Schutz. Der Prinz beugt sich nieder und stubst es sanft in die relative Sicherheit wuchernder Blumen am Straßenrand.

Jetzt richtet er den Blick in die Höhe. „Das Nest muss hier irgendwo sein“, sagt er. Bald ist es gefunden, direkt darüber, unter einem Dach.

Drei Jahre sind vergangen, seit Charles zuletzt Siebenbürgen besuchte, ein Ort der ihm besonders am Herzen liegt. Meistens kommt er im Mai, Jahr für Jahr. Die Covid-Pandemie verhinderte das vorübergehend. Aber jetzt ist er endlich wieder da, wie üblich mit einer kleinen Gruppe von Freunden (und wachsamen britischen und rumänischen Sicherheitsbeamten, die hinter den Rändern ihrer Sonnenbrillen Ausschau halten nach potenziellen Störern und Gefahren).

Was ist es nur, das er hier so schätzt? Er ist zitiert worden mit der Bemerkung, seine Liebe zu Siebenbürgen liege „in meinem Blut“. Die Ur-Urgroßmutter von Königin Elisabeth war Gräfin Klaudia Rhédey, eine ungarische Siebenbürgerin.

Aber wenn man ihn fragt, sind es die Menschen und die Natur, die es ihm angetan haben. „Es gibt hier ein Gefühl Jahrhunderte alter Kontinuität“, sagt er. „Ein Kreislauf der Tugend, wo Mensch und Natur im Einklang sind.“

Der Prinz besitzt ein Häuschen im winzigen Weiler Zalánpatak, am Fuße der Karpaten. Da wohnt er, wenn er im Land ist. „Es muss ein Bär in der Nähe gewesen sein gestern Nacht“, sagt er. „Die Hunde wollten einfach nicht aufhören zu bellen.“ „Es ist gut, wieder da zu sein“, sagt er – nach den langen Covid-Jahren, in denen er nicht reisen konnte. „Jetzt kann ich sehen, wie schön die Apfelbäume gewachsen sind, die ich letztes Mal gepflanzt habe.“

Der Transparenz halber: Wenn Prinz Charles in Siebenbürgen weilt (eine Region in Rumänien) besucht er meistens Graf Tibor Kálnoky, meinen Bruder. Auch an diesem friedlichen Sonntag ist es Tibor, mit dem Charles durch Miklósvár spaziert. Manches hat sich geändert seit seinem letzten Besuch, und er will gerne sehen, was es Neues gibt.

Er beobachtet Handwerksmeister bei der Arbeit – ein Tischler schnitzt an einem kopjafa. Das Wort übersetzt man vielleicht am besten mit „Totempfahl“. Solche Pfähle pflanzen die Menschen hier oft auf die Gräber ihrer Angehörigen, statt Kreuze oder Grabsteine. Die Tradition geht auf vorchristliche Zeiten zurück. Ein kopjafa ist ein hölzerner Balken mit sorgfältig geschnitzten Symbolen, die das Leben des Verstorbenen erzählen. Die Menschen, die hier leben, sind Ungarn, aber von einer besondern Sorte, die sich „Székler“ nennen. Das Széklerland ist jener Teil von Siebenbürgen, den Charles so sehr liebt.

Während der Prinz zuschaut, erklärt ihm der Tischler, was die Symbole auf dem Totempfahl bedeuten. Eine Tulpe an der Spitze – es geht um eine Frau. Darunter ein diagonales Kreuz – sie hatte Kinder. Andere Symbole besagen dass sie verheiratet und aus bescheidenem Hause war. Es steht alles auf dem kopjafa für jene, die es lesen können.

Bei einem früheren Besuch in Miklósvár, vor einigen Jahren, wurde ein Theaterstück zu Pferde aufgeführt für Charles und seine Entourage, von örtlichen Roma-Kindern, im Garten des Schlosses. (Das Schloss gehörte einst den Kálnokys und ist jetzt ein Museum). Die Frau meines Bruders, Anna hatte es inszeniert, und hatte spontan Charles’ Sicherheitschef in das Stück hineingeschrieben. Er genoss seine Rolle sichtlich. „Warum hat der Zigeuner das Pferd des Bauern geklaut?“, lautete der nach westlichen Standards nicht ganz politisch korrekte Titel (aber bei uns in Siebenbürgen nennen sich die meisten Roma selbst so, mit Stolz). Die Antwort – nach vielen Saltos, Galoppeinlagen und drolligen Komplikationen – lautete: „Weil er Lust hatte zu reiten“.

Am Ende sprangen die Kinder von den Pferden und rannten trillernd auf die königlichen Gäste zu, die das Geschehen von ihren Gartenstühlen aus beobachteten, packten sie bei den Händen und zogen sie aufs Gras, um zu tanzen. Und so nahm der Prinz seinen Platz ein in einem traditionellen siebenbürgischen Kreistanz, wobei alle einander an den Händen halten und sich in Schrittmustern bewegen, die einfach aussehen aber gar nicht so einfach sind. (Das Theaterstück war Teil eines karitativen Projekts zur Förderung der Roma).

War Charles überrascht? Hatte man ihm gesagt, was ihn erwartete? „Nein“, lächelt er, „und es passiert mir immer wieder. Gerade gestern gab es eine Volkstanz-Vorstellung und am Ende haben sie wieder dasselbe mit mir gemacht. Mit 73 wird es allmählich zur Herausforderung.“

Zurück zum Schloss, dort wimmelt es heute im Garten von Kindern und ihren Verwandten. Es ist Sonntag, und an diesem speziellen Sonntag feiert eine hiesige Familie mit ihren Gästen und Angehörigen die Erstkommunion ihres Kindes. Bald wird ein Essen für sie serviert in den Gewölben des Schloßkellers.

Wie Charles und seine kleine Schar durch den Park spazieren, fühlt es sich an wie eine Illustration seiner Worte vom Szeklerland als einer Welt im Gleichgewicht. Die Einheimischen schauen hin, aber benehmen sich eigentlich, als wäre der Prinz jeden Tag hier – nichts Besonderes. Man drängt sich nicht, ihn zu fotografieren, kein Gewinke, keine Zurufe. Freundliches Lächeln auf den Gesichtern, hier und da ein höfliches „Jó napot kívánok!“ („Ich wünsche einen guten Tag“), wie die Menschen hier einander grüßen, so oft sie einander begegnen.

Natürlich erkennen sie ihn. Immerhin ist er oft genug hier gewesen, seit 2006. Er selbst wirkt ganz so, als sei er jeden zweiten Sonntag hier. Als ob er ein wenig zuhause wäre in diesem kleinen Dorf.

Ein wenig später lässt sich die kleine Gruppe nieder zu Tee und Kuchen auf der Terasse des gemütlichen „Stone pub“, ein Ort, wo müde Wanderer sich gerne ausruhen.

Der Prinz blickt hoch – noch ein Storchennest. Das Dorf ist voll von ihnen. Ein Storchenpaar ist dabei, das Nest zu vollenden. Ein Neubau offenbar, erst dieses Jahr errichtet, und während sie noch daran arbeiten, fällt immer wieder mal ein Zweig herunter.

„Können diese Nester eigentlich auch herunterfallen, wenn es starken Wind gibt?“, fragt Charles. Es sieht tatsächlich nicht allzu solide aus da oben auf dem Strommast. Anscheinend kommt so etwas tatsächlich manchmal vor, sagt jemand aus der Gesellschaft.

Während Charles und seine Entourage sich bei Tee und Limonade entspannen, wird ein kleiner Teller mit Fruchtkuchen für ihn serviert. Liebenswürdig fragt er im Kreise, ob jemand davon etwas möchte. Er erklärt auch, woraus es gemacht ist, und daraus entwickelt sich eine Unterhaltung über Fruchtkuchen im Allgemeinen und dieses Rezept im Besonderen.

In der Mitte ist ein einziger, verlockender Keks. Erst hinterher wurde mir zu verstehen gegeben, dass dieser Keks für seine königliche Hoheit gedacht war. Ich aß des Prinzen Keks. Er war köstlich.

Ich hoffe, dass er dennoch auch nächstes Jahr wieder kommt.

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Kommentare ( 6 )

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Chlorhahn
1 Jahr her

Ich kann am Verhalten von Prinz Charles nichts Verwerfliches finden, es sei denn, dass es zu tiefst un-woke ist.

Kraichgau
1 Jahr her

ich habe 1992/93 in Klosters gearbeitet,wo der gute Prinz Charles regelmaessig seinen Ski-Urlaub verbrachte,bevor dort ein Mitglied seiner Gruppe einen tödlichen Unfall hatte.
Also,das er dezent und nur mit „kleiner“ Security-Mannschaft unterwegs sei,konnte ich dort nicht bestätigen,die Karawane sah man zwar auf den Photos nicht,aber als Ausserstehender war immer lange vor Vorbeilauf klar,wer da kommt anhand der Absperrungen(was bei Klosters ungeschickt war,da es mehr oder weniger aus einer einzigen km-langen Dorfstrasse besteht)

Werner F. Meier
1 Jahr her

Einerseits finde ich Prince Charles rührend, wenn er traditionelle Werte und Qualitäten wertschätzt und zu erhalten sucht, andererseits finde ich seine enge Zusammenarbeit mit Klaus Schwabs durchgeknallter WEF-Transhumanistenclique erschreckend.Ist der Mann schizophren oder korrupt? Einen naiven Eindruck macht er nicht auf mich. https://www.weforum.org/agenda/2020/06/the-great-reset-this-weeks-world-vs-virus-podcast/

Last edited 1 Jahr her by Werner F. Meier
doktorcharlyspechtgesicht
1 Jahr her

Da naturiert und menschelt es ja ordentlich wenn Prinz Charles von gleich zu gleich parliert. Ist Adel nicht was schönes? Da kann man sich, dem goldenen Löffel im Mund, ererbten Besitzes und steuerlicher Sonderstellung als Königshaus sei dank, ja endlich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern.

Reinhard Schroeter
1 Jahr her

Wie der Prinz bin ich auch gern im Siebenbürgischen , ungarisch Erdély und im Szekeler Land, ungarisch Székélyföld. Die reinste Idylle für den, der nach ein paar Tagen oder Wochen wieder zurück in sein hochindustriealisiertes Heimatland fährt. Man kann dort so schön träumen in unberührter Natur und Ursprünglichkeit. Die Einheimischen sind offen, großzügig und herzlich, man kann sich bei ihnen nur wohlfühlen. Das harte Leben, das sie dort führen, muss man ja nicht mit Ihnen teilen. Die Anfeindungen der Rumänen gegenüber den Ungarischsprachigen bekommt man als Ausländer nicht mit. Besonders die Székler trifft es wenn sie die ihre Hymne singen… Mehr

Andreas aus E.
1 Jahr her

Upsassa, daß ich soviel Gemeinsamkeiten mit Charles hab, hätte ich gar nicht gedacht. „Aber wenn man ihn fragt, sind es die Menschen und die Natur, die es ihm angetan haben. „Es gibt hier ein Gefühl Jahrhunderte alter Kontinuität”, sagt er. „Ein Kreislauf der Tugend, wo Mensch und Natur im Einklang sind.”“ Ja, so hatte ich es dort auch empfunden. Deutsch wird übrigens auch noch gesprochen. Jedenfalls wurde es das, als dort Ende der 90ziger war. Sehr schön auch die Sache mit dem Keks. Erinnert mich an Begebenheit aus Studententagen. Da wollte ich mich, weil schüchtern, zu Tische eines Blublütigen ganz… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Andreas aus E.