Morawiecki: „Polen und Italiener haben die Nase voll von der europäischen Bürokratie“

Die bereits vor den Wahlen prophezeite Annäherung zwischen Rom und Warschau zeichnet sich deutlicher ab. Die gemeinsamen Interessen stehen im Vordergrund, doch nicht bei allen Themen können Meloni und Morawiecki sich verständigen.

IMAGO / Le Pictorium

Noch Ende des alten Jahres hatte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki der italienischen Tageszeitung La Stampa ein Interview mit klaren Ansagen gegeben. Die von Massenmedien wie den etablierten Parteien von Linksaußen bis hin zur Mitte befürchtete Allianz zwischen Warschau und Rom bekam dabei sehr klare Züge. Der polnische Regierungschef erklärte einen Schulterschluss mit der italienischen Amtskollegin.

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„Polen und Italiener haben die Nase voll von den Vorschriften der europäischen Bürokratie und wollen die EU erneuern. Mit Meloni wollen wir die EU erneuern“, sagte Morawiecki dem Turiner Blatt am 22. Dezember. „Die gemeinsamen Punkte mit Melonis Agenda sind ein Europa der Heimatländer statt eines europäischen Superstaates. Die Polen und Italiener wollen eine echte Demokratie. Wir wollen die EU erneuern, indem wir zu ihren Gründungsprinzipien zurückkehren.“

Nicht nur die prinzipielle ideologische Ausrichtung besiegelt solche neuen Völkerfreundschaften. Fratelli d’Italia und PiS verbindet deutlich mehr als eine kritische Linie gegen die derzeit bestehende EU. Sie gehören beide der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im EU-Parlament an. Beide Parteien arbeiten dort schon seit Jahren zusammen. Fraktionsvorsitzende waren Ryszard Legutko (PiS) und Raffaele Fitto (FdI). Fitto ist kürzlich nach Rom ins Kabinett von Meloni eingestiegen – und Minister für Europäische Angelegenheiten geworden. Das alleine reicht um zu wissen, wie eng der Draht nach Polen ist – wenn Meloni es will.

Denn die derzeitige Situation kommt den Polen (noch) gelegen. Von den 63 EKR-Abgeordneten im Parlament gehören 24 der PiS, aber nur 8 den FdI an. Bei der EU-Wahl 2019 hatte Melonis Partei noch lange nicht das Gewicht wie heute. Die Sitze im EU-Parlament bilden also schon lange nicht mehr die aktuellen Realitäten ab. Ob bei der EU-Wahl 2024 diese Konstellation erhalten bleibt, ist fraglich. Auch bisherige Projekte einer großen Rechtsfraktion sind in der Vergangenheit daran gescheitert, weil einige Rechtsparteien nicht ihre hegemoniale Stellung in der Fraktion aufgeben wollen. Warschau dürfte auch in Zukunft den Wunsch hegen, eine selbstständige Position einzunehmen, statt sich zum bloßen Anhängsel Roms zu machen.

Noch liegen solche Zahlenspielereien und mögliche Rangeleien in der Ferne. Der gemeinsame Gegner schweißt zusammen – und letztlich auch die Perspektiven, die drohen, sollten sich Italien und Polen nicht zu einem Bündnis zusammenschließen, unter dem kleinere Staaten Schutz finden können – insbesondere in Mittelosteuropa – um ihre Interessen zu akzentuieren.

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„Wir stehen vor der Wahl zwischen einer echten Solidarität gleichberechtigter Staaten und einem einzigen Superstaat, in dem letztlich die größten Länder die Trümpfe in der Hand halten“, warnte der polnische Premier. Die Abschaffung des Vetos zugunsten der Einstimmigkeit sieht er als Gefahr an. „Entweder herrscht Einstimmigkeit oder die Tyrannei des Stärkeren. Diejenigen, die die Abschaffung der Einstimmigkeit anstreben, wollen ihre eigenen Interessen verfolgen.“

Das ist ein bemerkenswerter Punkt. Die EU und ihre Anhänger, insbesondere die Sozialisten, propagieren die Gefahr, dass kleinere Länder – namentlich Ungarn – die EU lahmlegen. Morawieckis Argument ist deswegen so bestechend, weil das EU-Establishment insbesondere Ungarns Schaukelpolitik in der Causa Ukraine anprangert, Polen aber als kräftigster Unterstützer der Ukraine dies offenbar nicht so sieht. Stattdessen erkennt Morawiecki in der Abschaffung des Veto-Rechts einen Weg zur „politischen Bevormundung“.

Neben der Erneuerung Europas auf einem christlich-konservativen Fundament, wie es PiS und FdI seit Jahren postulieren – statt die bloße Abrissbirne zu schwingen – existiert natürlich noch ein Thema, dass zum historischen Novum einer möglichen Gegenallianz zum Tandem Paris-Berlin gehört: die Migration. Jeder, der in die europäische Union einreisen wolle, müsse das internationale Recht respektieren, betont Morawiecki. „Diejenigen, die illegal nach Europa einreisen, sollten abgeschoben werden. Das ist keine Frage der Gewalt, sondern des Rechts“, sagte der Premier. Nur wneige Tage später verabschiedete Melonis Kabinett einen verschärften Kodex für die „Zivile Seenotrettung“. Es wurde am Dienstag von Staatspräsident Sergio Mattarella unterzeichnet.

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Kommentare ( 20 )

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Sonny
1 Jahr her

So lange in der EU-Administration und der anhängigen Euro-Administration sich immer noch Leute tummeln, die in ihren eigenen Ländern gescheitert sind und quasi als Tradition Zuflucht in der EU – Politik gefunden haben, wird sich nichts zum Besseren wenden. Schauen wir uns doch nur ursula von der leyen an – bevor es ihr in Deutschland an den Kragen gehen konnte, wurde sie flugs von merkel in ein Präsidialamt in der EU-Bürokratie „in Sicherheit gebracht“ (wie so viele andere). Erst wenn tatsächliche Experten und Könner das Ruder übernehmen, könnte eine Besserung eintreten. Aber das ist ein utopischer Wunsch, der nicht in… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

 „Polen und Italiener haben die Nase voll von der europäischen Bürokratie…“ Ich auch.

Johann Thiel
1 Jahr her

Vielleicht mal auf deutsches Geld verzichten, aus der EU austreten und sein eigenes Ding machen.

Ein Tip den aus verständlichen Gründen den Deutschen natürlich keiner gibt. Schließlich müssten die nicht mal auf deutsches Geld verzichten und könnten dann noch ihr Ding machen. Aber gut, ich will hier niemandem drohen.

Nibelung
1 Jahr her

Kündigen könnte man am Ende immer, die Frage ist nur von was man dann lebt und wenn man keine großen Alternativen zwischen den Blöcken hat, wäre es sinnvoller etwas gemäßigter aufzutreten, den so beliebt sind sie ja schließlich auch nicht, daß sich andere verrenken, nur weil man sich selbst falsch einschätzt im Vergleich zu den heimlichen Machern, die sich von den Ostländern in Anbetracht ihrer Ausgangslage nur ungern vorschreiben lassen, was sie machen sollen, auch unter Berücksichtigung der Lage zwischen den Fronten, die ja immer noch existent ist und sie am härtesten erneut treffen könnte, sollten sich die beiden Großen… Mehr

Herbert
1 Jahr her

Von dieser demokratisch nicht legitimierten, mittlerweile sogar korrupten EU, die uns deutsche Bürger zur Finanzierung von Unsinn täglich mehr ausnimmt, habe ich schon lange die Nase voll.
Ich wünsch mir eine demokratisch verfasste und transparente Dach-Organisation der europäischen Vaterländer mit klar umrissenen und straff abgegrenzten Aufgaben ohne die mittlerweile ständige Übergriffigkeit, einen zügigen Personalabbau und auf die reduzierten Aufgaben zugeschnittenen minimalen Kosten.
Eine Reform an Haupt und Gliedern.

RauerMan
1 Jahr her

Gewünschte Reformen der EU von Italien und Polen decken sich nicht mit gewünschten Reformen anderer Staaten innerhalb der EU.
Was Polen und Italien vermeiden wollen, ist, daß ihnen weniger Geldmittel zuerkannt werden. Das ist wohl deren Hauptanliegen.
Staaten, wie Deutschland sollten sich auch für Reformen innerhalb der EU einsetzen, z.B. bei Stimmrechten und Zwangsverpflichtungen im monetären Bereich. Dasselbe gilt für die EZB.

Unglaeubiger
1 Jahr her

Leider ein Scheingesetz, dass nicht wirklich etwas verändert.Die Rufe der sogenannten Retter nach Unterstützung der Politik gegen das Gesetz, schallten sofort lautstark durch die politische Landschaft. Man wird sie hören und deren Wünschen entsprechen, denn alle Rechte allen Anderen, nur nicht den Deutschen/Europäern.

Rolfo
1 Jahr her

Der Witz ist ja, dass Deutschland nur Linksregierungen hat, auch die CDU und Frau van der Leyen funktionieren prima – nur – linksgrün aber keinesfalls in auch nur annähernder Form konservativ oder irgend so etwas ähnlichem.

Talleyrand
1 Jahr her

„Polen und Italiener haben die Nase voll von den Vorschriften der europäischen Bürokratie und wollen die EU erneuern.“ – Ich auch, schon sehr lange vor denen.

Waldorf
1 Jahr her

Die Positionen „Europa der (souveränen) Vaterländer – kein Superstaat“, Erhalt der Einstimmigkeit bei wichtigen Grundsatzfragen, bzw des Vetorechts und Migrationspolitik, die diesen Namen verdient, sind offene Kriegserklärungen gegen „die Guten“. Das trifft insb die Brüssler Eurokraten, die seit vielen Jahren nur in Richtung Superstaat denken und handeln und derart radikal eigentlich nur einen Partner besitzen: Deutschland. Frankreich sieht die EU eher nur als Bühne, die eigene Großrolle in Europa auszubauen, aber einzig und allein nach französischem Spielregeln, zum französischem Vorteil, wie zb bei den Agrarsubventionen. Aber auch militärisch käme Frankreich sicher niemals auf die Idee, seine Streikräfte „irgendwas mit Europa“… Mehr

Don Didi
1 Jahr her
Antworten an  Waldorf

„Europa als Superstaat nach Vorbild der USA“ Eben nicht! Die USA sind viel mehr ein Verbund souveräner Staaten, als es Deutschland mit seinen Bundesländern ist und noch mehr, als es die EU anstrebt. Die Rechte und Eigenständigkeiten der US-Bundesstaaten sind um ein vielfaches größer, als sie es in D und EU je sein könnten. Was die EU anstrebt, ist ein Bündnis nach Vorbild der Sowjetunion, eine allmächtige Zentralregierung mit Marionettenverwaltungen in den einzelnen Ländern, ohne eigene Willensbildung, ohne Demokratie, ohne eigene Regeln und Gesetze, ohne Demokratie. Nein, wenn man sich mal die Unterschiede zwischen Kalifornien und Texas ansieht, sowas würde… Mehr