Matteo Salvini macht Wahlkampf in Umbrien

Der gewesene Innenminister schickt sich mit seiner Lega an, die Sozialdemokraten des PD in ihrer Hochburg Mittelitalien zu entthronen. Nach Umbrien kommen Regionalwahlen auch in Kalabrien (November bis Januar) und in der Emilia-Romagna (Januar 2020).

imago images / Independent Photo Agency Int.

Ein Tag, drei Termine. Matteo Salvini macht in Umbrien keine halben Sachen. Am 25. September ist der Lega-Chef am Trasimenischen See: um 9:45 in Passignano sul Tresimeno, um 10:45 in San Feliciano und um 12:30 in Castiglione del Lago. Die Regionalwahlen in Umbrien stehen einen Monat später an. Und der „Capitano“ setzt alles daran, den linken Partito Democratico (PD) aus dieser Region zu boxen. Kein leichtes Unterfangen: Mittelitalien gilt seit jeher als Bastion der Roten.

Aber nichts scheint mehr unmöglich. Verantwortlich sind dafür regionale wie nationale Faktoren. Auf regionaler Ebene hat der PD mit der Ex-Ministerpräsidentin Catiuscia Marini Sympathien verspielt. Ein Skandal im regionalen Gesundheitswesen hat den PD seit April 2019 im Griff. Die Finanzpolizei ermittelte nicht nur gegen den Landeschef – sondern auch gegen Marini, die daraufhin von ihrem Amt zurücktrat. Die Wahlen wurden daher um ein Jahr vor den eigentlichen Termin vorgezogen.

Auf nationaler Ebene könnte dem PD die neue Regierungskoalition zu schaffen machen. Ein Jahr hatten die Erben der sozialistischen und kommunistischen Parteienlandschaft Italiens Zeit, die massive Niederlage bei den Parlamentswahlen vom März 2018 zu verdauen. In der Opposition zeichnete sich eine langsame Erholung ab. Der Verlierer: die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), deren Glanz im Angesicht des umtriebigen Innenministers Salvini und der Ideenlosigkeit der eigenen Vertreter verblasste. Bei der EU-Wahl im Mai überholte der PD sogar wieder den M5S an den Wahlurnen.

Mit dem Ausscheiden von Salvinis Lega aus der Regierung und dem neuen Schulterschluss von M5S und PD stehen zugleich unpopuläre Reformprojekte an: so die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Zeitgleich stellt man in Rom die Weichen für eine Öffnung der Häfen. Bereits im ersten Monat der gelb-roten Regierung stieg die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer kamen, auf 1.900 Personen. Das sind – so ätzt Salvini auf Twitter – 100 Prozent mehr als im Vorjahr.

Und noch etwas hat sich geändert: PD und M5S treten nun gemeinsam bei Wahlen an. Ein Schritt, den Salvini als Vizepremier konsequent ausgeschlossen hatte: die Lega blieb im Wahlkampf bei den Verbündeten im konservativen Lager, während er in Rom mit den Basislinken zusammenarbeitete. Seit Jahren hat sich Italien von einem Zwei-Block-System zu einem Drei-Block-System verändert, bei welchem der M5S losgelöst von Mitte-Rechts und Mitte-Links als eigener Block antrat.

Tempi passati. Vor wenigen Tagen haben PD und M5S einen gemeinsamen Kandidaten nominiert: Vincenzo Bianconi. Die Strategie: retten, was zu retten ist. 2015 holte der PD in Umbrien allein 35 Prozent, die Lega lag bei 14 Prozent. Aktuelle Umfragen sehen den PD bei 25 bis 27 Prozent, die Lega dagegen bei 32 bis 36 Prozent. Die Sozialdemokraten brauchen die Sterne, um ihre Macht in einem ihrer Stammländer zu halten. Doch trotz der Schützenhilfe des M5S (in den Umfragen bei derzeit 17 bis 21 Prozent) sehen die Umfragen das rechte Lager unter Führung der Lega immer noch vorne. Der „Bipolarismus“ ist nach Italien zurückgekehrt – aber keiner weiß, ob der Zusammenschluss M5S-PD nicht auch noch jene Basislinken der Sterne vertreiben könnte, welche die „Kastenpartei“ PD als ihren Erzfeind ansehen.

Nicola Zingaretti, der seit März 2019 an der Spitze des PD steht, muss aber noch weiter einstecken: denn der interne Rivale und Ex-Premier Matteo Renzi zieht einen gnadenlosen Ego-Trip durch. Der einstige Bürgermeister von Florenz betreibt offen die Spaltung des PD und ist mit einigen loyalen Mitstreitern aus der Partei ausgetreten. In den beiden Kammern des italienischen Parlaments haben sich 26 Abgeordnete und 15 Senatoren Renzis Bewegung „Italia Viva“ angeschlossen. Der PD ist damit nur noch drittstärkste Kraft in Abgeordnetenhaus und Senat. Die Selbstzerfleischung der italienischen Linken gefährdet zwar die Regierungsarbeit offiziell nicht – Renzi stützt Giuseppe Conte und die gelb-rote Regierung weiterhin – aber die offenen Brüche kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Für Salvini ist die kommende Regionalwahl also ein gefundenes Fressen. Er kann sie zum Referendum über die neue Regierung machen. Die prognostizierte Wahlniederlage der Regierung, trotz Zusammenschluss zweier Lager, dazu auch noch in einer traditionell roten Region, bedeutete auch für Rom ein deutliches Signal. Gewiss: Umbrien ist klein, und im Konzert der italienischen Landschaften eher von mäßiger Bedeutung. Es wäre aber zugleich die neunte Regionalwahl in Folge, die Salvinis Lager gewonnen hätte. Sie wäre dann nicht nur ein willkommener Auftakt zur Oppositionsarbeit – sondern könnte das Menetekel für die nachfolgenden Wahlen in Kalabrien (November bis Januar) und die Emilia-Romagna (Januar 2020) sein. Und wenn Salvini es schafft, den PD im roten Umbrien zu schlagen, dann kann er es auch mit der Herzkammer in der Emilia-Romagna aufnehmen. Das wäre dann ein Schlag, von dem sich seine Gegner nicht mehr so leicht erholen könnten.


Marco Gallina schreibt vorzugsweise auf http://www.marcogallina.de/.

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Kommentare ( 13 )

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Henni
4 Jahre her

Salvini ist in Italien derzeit der populärste Politiker, auch wenn man es mit allen Mitteln in der Öffentlichkeit verneinen wird. Umfragen sind Meinungsmacher. Und diese etwas in die „richtige Richtung“ zu manipulieren, ist nicht so schwer. Ich gebe der Linken in Italien nicht mehr all zulange. Mit wem auch immer ich spreche in Italien, alle bestätigen sie mir, das die „Movimento cinque Stelle und die PD nicht wirklich zusammen arbeiten können. Man versucht halt die drei Jahre bis zur regulären Wahl auszusitzen, in der Hoffnung, dass dem Salvini die Puste ausgeht. Salvini hingegen legt immer und immer wieder seine Finger… Mehr

Odysseus
4 Jahre her

Hoffentlich bleibt er gesund. So wie der sich in die Massen schmeißt. Unsere hocken hinter doppelten Panzerglas.

tgilde
4 Jahre her

Salvini ist einer der letzten Hoffnungsträger. Ein klasse Typ.

Entenmama6
4 Jahre her

Ich wünsche und hoffe das die Salvinis in Italien und in dem Rest der EU noch viel gestärkter hervortreten und mit einer größten möglichen Stimmenanzahl gewinnen mögen. Das PHÖNIX aus der ASCHE aufsteigend, ein klacks dagegen ist.

Kraichgau
4 Jahre her

wer sich mal naeher mit dem „Pflegekinder-Skandal“ beschaeftigt hat,den wundert es,das diese rot-dunkelrote Seuche überhaupt noch Waehler hat…aber was will man von einem Land erwarten,dessen erster MP „euro-kommunistisch“(laut EU-Erklärung) war und dessen Name das Haupthaus in Brüssel ziert…

Marc Hofmann
4 Jahre her

Salvini wird als CAPITANO von den Italienern wahrgenommen..mehr Ritterschlag vom eigenen Volk geht nicht mehr.
Salvini wird der große Gewinner bei den nächsten Wahlen sein… Salvini wird noch Wahlergebnisse mit 50%+x einfahren. Er braucht nur er selbst sein. Unverfälscht patriotisch italienisch!

tavor1
4 Jahre her
Antworten an  Marc Hofmann

In mediterranen Ländern ist der Capitano schlicht ein Duce (zur See.) Übrigens auch in hanseatischen Sinnräumen: Der Hamburger Helmut Schmidt trug gerne die Kapitänsmütze. Das Symbol besagte: Ich bin der Führer – so war es gemeint, so wurde es verstanden. Und so ist es auch heute in Italien: Il Capitano è il Duce della Italia. Wer denkt da nicht an Mussolini, den die Kommunisten aufknüpften, als die Amis vormarschierten? Aber auch die Kommunisten wurden dann gestoppt. Die Entscheidung für ein liberales Italien fiel in Washington. John Foster Dulles. Hab‘ ich das richtig in Erinnerung? – Ich will keinen politischen Einfluss… Mehr

Hans Druchschnitt
4 Jahre her
Antworten an  Marc Hofmann

@ Marc Hofmann
Unterschätzen Sie bitte nicht die liebenswerten Italiener. Es gab schonmal eine Steigerung über CAPITANO hinaus.
Durch gegen die Bevölkerungen betriebene, Nationen- und Geldsystem zerstörende Politik des nie demokratisch bestimmten EU- Regims sind Steigerungen denkbar.
Allerdings würde das aufmüpfige Italien (samt Volkstribune) nicht zum erstenmal vom „Tiefen Staat“ wieder eingefangen werden.
Beispiel:
Aldo Moro (geb. am 23. Sept. 1916 in Maglie, Apulien / gest. am 9. Mai 1978 in Rom) war ein ita­lienischer, christ­de­mo­kra­ti­scher Po­li­ti­ker der 1960er und 1970er Jahre.
Ab ca. 23.30 Min https://www.youtube.com/watch?v=8SCcEdl–Bk

Nicht das Salvini noch frühzeitig in den Geschichtsbüchern verschwindet.
Gruß
H.D.

Ruud
4 Jahre her

Die Ereignisse in Italien zeigen eines. Das wichtigste ist der Zusammenhalt. Distanzeritis nutzt nur dem politischen Gegner auf lange Sicht, und manchmal ist es gut in einem Krieg eine kleine Schlacht zu verlieren, um dann später um so schlagkräftiger den Gegenangriff fühern zu können. Denn leider ist es ein Krieg, den nicht das rechte Lager will, aber eine kleine linke Minderheit, die sowohl im Flüchtlings-Wahnsinn (in Wahrheit sind es nur illegale Okkupanten) und dem Klima – Irrsinn (ein erfundener Skandal ohne Bezug zu Realität) ihre neue Art des Marxismus durchsetzen wollen. Wenn das liberal – konservativ – bürgerliche Lager nicht… Mehr

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Ruud

Durch die „Kriegserklärung“ Merkels mittels Kumpanei mit dem links-grünen Lagers mit der „totalen Migration“ ist das bürgerliche Lager gezwungen eine Antwort zu finden. Das heißt wohl zuerst, dass die CDU entmachtet werden muss, um Merkel zu entmachten.

maximo 2
4 Jahre her

bravo salvini

Thorsten
4 Jahre her

Niederlagen von Parteien in ihren Stammländern sind meist ein Menetekel für die Zukunft, da sie den Zustand der echten Parteikernes zeigen.

Eine solche Niederlage würde auf jeden Fall alle anderen Parteisoldaten nevös machen, bei den nächsten Wahlen auch zu scheitern. Und diese Wahlen werden kommen.

Das ich Salvini die Daumen drücke, brauche ich wohl zu schreiben.

Iso
4 Jahre her

Jede Linksregierung bedeutet Stillstand und Rückschritt. Verlorene Zeit für den Bürger, das ist in Italien auch nicht anders als in Deutschland. Nur scheint da mehr die Sonne, was ein Trost ist.