Tichys Einblick
Wahlkampf in Frankreich

Ließ Macron seine Covid-Politik von McKinsey bestimmen?

Kurz vor den Wahlen kommt Macron ins Schlittern wegen Beraterverträgen, die seine Präsidentschaft von Anfang an begleiten. Ihm wird zum einen Verschwendung vorgeworfen. Daneben könnte die US-Firma McKinsey durchaus ein tiefergehendes Interesse an der französischen „Impfkampagne“ gehabt haben.

IMAGO / PanoramiC

Weniger als zehn Tage vor dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen bleibt eine Affäre an Emmanuel Macron haften, die seine Wahlchancen verschlechtern könnte. Die amerikanische Beraterfirma McKinsey & Company war, das bestätigen auch offizielle Kreise, maßgeblich an der „Impfkampagne“ der französischen Regierung beteiligt und wurde dafür, wie in dieser Branche üblich, fürstlich bezahlt. Angeblich waren die Beamten des Gesundheitsministeriums durch die andauernde Krise überlastet und brauchten dringend Unterstützung.

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Allerdings ist McKinsey in den meisten Fällen kein unverdächtiger Partner, wie auch das deutsche Verteidigungsministerium erfahren musste. Die „Rüstungsstaatssekretärin“ Ursula von der Leyens, Katrin Suder, war zuvor Direktorin bei McKinsey gewesen, „nutzte“ ihre alten Kontakte weiter und hinterließ die Ausrüstung der Bundeswehr so, wie wir sie kennen. Die jetzige Kommissionschefin von der Leyen steht wiederum im Verdacht, ganz besonders gut mit Pfizer-Chef Albert Bourla zu können, aber auch mit McKinsey. Ihre SMS-Korrespondenz mit Bourla, die angeblich den Durchbruch beim Kauf von 1,8 Milliarden Comirnaty-Dosen durch die EU brachten, will sie nicht offenlegen.

In Frankreich hat McKinsey laut einem Untersuchungsbericht des Senats seit mindestens sechs Jahren keine Steuern gezahlt. Im selben Bericht nannte die befasste Senatskommission die Angewiesenheit des Staates auf Beratungsfirmen als „tentakelartiges Phänomen“. Mit anderen Worten: Die Beratungsfirmen haben sich inzwischen wie eine Krake auf die Staatsorgane gelegt. Der dafür ausgegebene Geldbetrag stieg im vergangenen Jahr 2021 auf eine Milliarde Euro an. 2018 war es noch weniger als die Hälfte, im Jahr 2000 nur etwa ein Viertel der Summe.

Enge Bande zwischen Pfizer und McKinsey

Daneben gerät auch das Verhalten von McKinsey selbst in den Fokus des öffentlichen Interesses: Hatte die Beraterfirma nicht auch den US-Pharmariesen Pfizer, Produzent des Biontech-Impfstoffes Comirnaty, beraten, wie der nationalkonservative Präsidentschaftskandidat Nicolas Dupont-Aignan (Debout la France) bemerkte? Die viele Millionen schweren Verträge des französischen Staates mit dem Unternehmensberater zeigten, dass „es keinen Staat mehr gibt oder er schlecht geführt ist“, so Dupont-Aignan.

Auch Sozialisten und andere Linke kritisierten die Nähe zwischen Regierung und Beratungsfirma. In einer Zeit, in der viele Franzosen erneut auf die Straße gehen, weil sie sich ihr Leben nicht mehr leisten können, kommt so etwas nicht allzu gut an.

Die Bande zwischen Pfizer und McKinsey sind tatsächlich eng, zum Beispiel wechselte auch das Führungspersonal manchmal die Plätze. So war Aamir Malik, seit letztem Sommer „Chief Business Innovation Officer“ bei Pfizer, zuvor 25 Jahre bei McKinsey tätig und dort zuletzt als Managing Partner für Pharma und Medizinprodukte zuständig. Andere behaupten, McKinsey halte ein großes Paket von Pfizer-Aktien, was sich allerdings weder widerlegen noch beweisen lässt.

Regierungssprecher Gabriel Attal gab zu, dass der Staat „während der sanitären Krise“ und vor allem im Zusammenhang mit der „Impfkampagne“ zunehmend auf private Beratungsfirmen zurückgegriffen habe. Sparsam sei das nicht immer gewesen, obwohl „peinliche Sparsamkeit“ hier notwendig sei, aber die Situation sei außerordentlich gewesen. Gesundheitsminister Olivier Véran konnte oder wollte in der Befragung durch den Senat nicht präzisieren, worin der Anteil von McKinsey an einem bestimmten Papier bestand. Ebenso ungenau blieben die Antworten von McKinsey-Mitarbeitern bei anderer Gelegenheit im französischen Senat.

Wofür sind diese Berater eigentlich Experten?

Es liegt also quasi alles offen zu Tage, zumindest was das Finanzielle angeht. Was aber am meisten an der landläufigen Argumentation erstaunt, ist, dass Macron und sein Sprecher von den Beratern beständig als „Experten“ sprechen. Hier stellt sich die Frage: Inwiefern braucht man teure Berater, um ein Arzneimittel über das staatliche Gesundheitssystem an jene zu verteilen, die sich gerne damit behandeln lassen wollen? Angeblich ging es vor allem um „die Methode und Agenda der Regierung, die Lieferdaten der Impfstoffe, logistische Fragen“. Im Kommissionsbericht des Senats wird der Rückgriff auf die externen Berater als „Reflex“ bezeichnet, aber auch als bewusste Wahl, die Regierungshandeln privatisiere und staatliche Institutionen folglich entwertet.

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Diese Entwertung steht im krassen Gegensatz zu den Honoraren der Berater. Laut dem Senatsbericht belaufen sich die nämlich auf bis zu 1.528 Euro pro Tag. Was aber noch mehr beunruhigt als die Verschwendung: Durch die beratende Tätigkeit, bei der teilweise Blaupausen aus der australischen Tochter auf Frankreich übertragen wurden, konnte McKinsey einen massiven Einfluss auf die französische Covid-Politik ausüben – und erhielt dafür noch 12,3 Millionen Euro. Parallel dazu soll die Beraterfirma Accenture die Ausgestaltung des französischen Covid-Passes („pass sanitaire“, dann „pass vaccinal“) beeinflusst haben. An dieser Stelle bleibt es vorerst bei Verdachtsmomenten, denn worin die Tätigkeit dieser Firmen genau besteht, ist meist nicht in Erfahrung zu bringen.

Die Tageszeitung Libération hatte schon im Januar 2021 von hochdotierten Beraterverträgen in Sachen Covid-19 berichtet: Damals waren demnach bereits 100 Millionen Euro an McKinsey geflossen. Für eine Powerpoint-Präsentation und ein Dokument von 50 Seiten zum Thema Pensionsreform soll McKinsey eine Million Euro erhalten haben, weitere 500.000 für ein Papier über das französische Erziehungswesen, bei dem auch niemand weiß, wofür es gut war. Man kennt das, und es geht in Berlin und London nicht viel anders zu mit diesen „Beratern“.

Zemmour: Berater-Skandal kostet Frankreich dreifach

Natürlich behauptete McKinsey inzwischen, die Steuern für seine französischen Firmenteile würde eine Tochterfirma zahlen. Macron gab sich naturgemäß entgeistert angesichts der Steueroptimierung bei McKinsey: „Das schockiert mich wie jeden anderen.“ Dagegen behauptet der Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour (Reconquête), dass McKinsey schon die Wahlkampfführung Macrons 2017 mit 20 Beratern unterstützt habe, angeblich ohne Honorar. Wenn das so gewesen sein sollte, käme es in der Tat einer Großspende für Macrons damaligen Wahlkampf gleich und müsste Anlass geben, über illegale Vorteilnahme nachzudenken.

Die aktuelle Berateraffäre rund um das Gesundheitsministerium und die „Impfkampagne“ koste die Franzosen dreifach, so Zemmour weiter: Erstens unterhalten sie ein Beamtenheer, das sich in Europa mehr als sehen lassen kann; zweitens mussten sie die Beraterverträge bezahlen; drittens zahle McKinsey keine Steuern. Auch sensible Daten gebe man so einer amerikanischen Firma, liefere so quasi gratis den amerikanischen Diensten, setzte Zemmour mit patriotischem Unterton hinzu.

Macron hat übrigens sogar das Vorwort für das Buch des McKinsey-Direktors Karim Tadjeddine geschrieben. Der Titel: „Der Staat im Start-up-Modus“. Und ja, vermutlich sind es McKinsey & Company, die Macron gerade darin beraten, wie er die McKinsey-Affäre abschütteln kann. Insofern ist wohl nochmals Dupont-Aignan recht zu geben, der sagte, Macron habe „seinen Kumpels“ eine Milliarde Euro gegeben.

Dass Macrons Umfragewerte unter dem Druck des Skandals erbeben, lässt sich noch nicht sicher behaupten; rund 28 Prozent wollen ihn im ersten Wahlgang wählen. Allerdings hat Marine Le Pen zuletzt deutlich aufgeschlossen (21 Prozent) und scheint – wenn die Umfragen nicht täuschen – sich für den zweiten Wahlgang qualifizieren zu können. Valérie Pécresse und Éric Zemmour verharren bei zehn bis elf Prozent. Alle anderen Kandidaten sind abgeschlagen.

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