In den Niederlanden gewinnt die Nutzung der Kernkraft neue Fahrt 

Die Energie-Probleme, die die Niederlande angesichts der Klimaschutzmaßnahmen voraussehen, sind dieselben wie die deutschen. Aber dort erwägt man nun einen Ausweg, den Deutschland sich selbst verstellt hat.

imago images / VWPics
Kernkraftwerk in Borssele, Niederlande

Bis zu zehn neue Kernkraftwerke könnten in den Niederlanden gebaut werden, erklärte der Abgeordnete der derzeitigen Regierungspartei VVD, Mark Harbers, in einem Interview mit der Tageszeitung AD. Sie könnten an den Kraftwerksstandorten Maasvlakte und Eemshaven sowie neben dem bestehenden Kernkraftwerk in Borssele entstehen.

In dieser Woche informierte Wirtschaftsminister Eric Wiebes das Parlament in Den Haag über die Ergebnisse einer Studie der Beratungsgesellschaft Enco, die einen zügigen Aufbau neuer Nuklearkapazitäten empfiehlt. Wiebes: »Die Analyse zeigt, dass Kernenergie für die Zeit nach 2030 eine der kosteneffizientesten Optionen bei CO2-freier, regelbarer Kraftwerksleistung darstellt«. Sie zitierte auch den Weltklimarat der Vereinten Nationen und die Internationale Energieagentur (IEA), die Atomkraft als notwendig im Kampf gegen den Klimawandel betrachten.

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Zuvor hatte Ministerpräsident Mark Rutte im Parlament beantragt, eine Studie über Vorteile der Kernkraftnutzung zu beauftragen. Die Beratungsgesellschaft Enco stellte daraufhin eine Übersicht über die Nutzung der Kernkraft sowohl in Europa als auch weltweit zusammen. Ergebnis: Die Lebensdauer eines Kernkraftwerkes zu verlängern sei die günstigste Methode, CO2 einzusparen. Kernkraft sei nicht teurer als Wind- und Sonnenenergie. Denn auch die Kosten eines Kernkraftwerkes spielten umgerechnet auf die Kilowattstunde über die lange Laufzeit von 60 bis 80 Jahren keine Rolle.

Die Regierungspartei VVD betont schon seit längerem, dass die Kernkraft unverzichtbar sei, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Wind- und Sonnenenergie allein hätten einen zu großen Flächenbedarf und könnten allein das Land nicht versorgen. Die Gas- und Ölvorkommen in der Nordsee gehen langsam zu Ende, daher sei eine langfristige Perspektive wichtig. Jetzt müssten Entscheidungen über neue Kernkraftwerke getroffen werden, da sie lange Planungs- und Bauzeiten hätten. Mit dem Kernkraftausbau könne auch die Abhängigkeit von russischen Gasimporten verringert werden, sagte Klaas Dijkhoff, VVD-Fraktionsvorsitzender. 

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In den Niederlanden produziert derzeit noch ein Kernkraftwerk in Borssele vier Prozent des Strombedarfes. Die Laufzeit dieses alten, bereits 1973 ans Netz gegangenen Kraftwerks mit einer Leistung von 515 MW, wurde bis zum Jahr 2034 verlängert, um wie der damalige Regierungschef Balkenende betonte, die im Kyoto-Protokoll festgehaltenen CO2-Ziele einhalten zu können.

Vielleicht haben die Niederländer auch die absehbare Stromnot in Deutschland bei ihren Überlegungen mit im Blick. Während in Deutschland emissionsfreie Kernkraftwerke abgeschaltet und wie Philippsburg in die Luft gesprengt werden, wird in den Niederlanden schon länger über einen Ausbau der Atomkraft diskutiert. Offshore-Windräder sollten nicht mehr gefördert, stattdessen sollte in die Kernkraft investiert werden. Das hatte 2010 die damals neue konservative Regierung in einer Änderung der Energiepolitik beschlossen. Eine massive Anti-Atomkraft-Bewegung wie in Deutschland gibt es in den Niederlanden nicht mehr. Das niederländische Almelo spielt eine große Rolle in der Kernkraft Europas. Dort betreibt die Urenco-Gruppe eine ihrer drei Anlagen in Europa zur Urananreicherung und liefert den Brennstoff für Reaktoren.

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Kommentare ( 74 )

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Theadoro
3 Jahre her

Ich plädiere dafür, jeder kann innerhalb der EU seinen Stromanbieter zu den jeweiligen Landeskonditionen frei wählen. Hätte den Vorteil, die Erneuerbaren könnten dann komplett für die Sitzheizungen im deutschen Parlament verwendet werden. Schläft sich gleich viel besser.

rainer101
3 Jahre her
Antworten an  Theadoro

Immer vom gemeinsamen Markt in der EU schwärmen, grenzenlosen Warenverkehr (Strom ist auch Ware) predigen – aber bei der Energie die Schotten dicht machen. Ein weiterer Beweis für die Scheinheiligkeit der EU-Fanatiker.

U.M.
3 Jahre her

clever von den Niederländern. Wenn in D. die Lichter ausgehen, verkaufen sie uns für viel Geld ihren Atomstrom. Wie können Regierende nur so hohl sein und eine weltweit mit an erster Stelle stehende Energieversorgungsstruktur zu zerschlagen?
Nur weil eine wissentschaftlich ungebildete jugendliche, in wessen Auftrag auch immer, meint die Welt ginge in 10-12 Jahren unter wenn wir weiterhin im gleichen Umfang CO2 produzieren?

Rainer mit ai
3 Jahre her

Die Niederlande haben circa 17 Mio. Einwohner. Das würde auf Deutschland umgerechnet fast 50 neuen Kernkraftwerken entsprechen. Für ein Land von der Größe Nordrhein-Westfalens scheint mir das ziemlich ambitioniert zu sein. Wenn man einmal um die Ecke denkt, könnte man auf den Gedanken kommen, hier würden absichtlich Überkapazitäten geschaffen. Nur für den Fall, dass wir Moffen um Strom betteln, den man uns dann teuer verkaufen kann.

Britsch
3 Jahre her
Antworten an  Rainer mit ai

Win- Win Selbstverständlich Die Schweiz nimmt ja Strom ab wenn Deutschland zu viel hat, daß es diesen unbedingt los werden muß. Die Schweiz ist froh, daß sie ihn bekommt „die“ Deutschen sind so froh, daß die Schweiz diesen abnimmt, daß sie dieses Entgegenkommen noch teuer bezahlen. Wenn in Deutschland Strommangel herrscht ist die Schweiz froh daß Sie für den gelieferten Strom von Deutschland Spitzenpreise bekommt und deutschland ist froh daß der Strom nicht ausgehht. Die Energiewende funktioniert so sehr gut und ist ein großer Vorteil nur nicht für Deutschland und Verbraucher in Deutschland. Den Schweizern kann man nur gratulieren zu… Mehr

Rainer mit ai
3 Jahre her
Antworten an  Rainer mit ai

Oh Gott, sind wir blöd! Und die Bezahlung erfolgt wohl in Franken. Wer will schon den Euro.?

werner2k
3 Jahre her
Antworten an  Rainer mit ai

das machen wir in Österreich auch – man nennt das elegant ‚Preisdifferenzgeschäft‘. Wir schließen auch gerade unseren 380kV-Ring (wenn das deutsche Netz kollabiert, trifft es das österreichische nicht) und haben mit dem Einbau von Netztrennanlagen nach Deutschland begonnen.
Wie weit sind da die Schweitzer?

Karl Eduard
3 Jahre her

Na, ist doch prima. In ein paar Jahren wird die neue atommacht Holland dann Strom an das arme Agrarland Deutschland liefern. Gas kommt aus Russland, natürlich nur wenn vorab bezahlt wurde, sprich die Dummländer sitzen dann meist im dunklen und frieren. Nicht mal die Versailler Verträge konnten Deutschland so nachhaltig ruinieren wie diese sogenannte Regierung.

bfwied
3 Jahre her

Was soll man dazu sagen?! Die Holländer, wie alle anderen, sind gescheiter als die fern aller Vernunft kreischenden, hüpfenden und nichtsdenkenden Deutschen! Weiß jemand einen Rat, was man mit den sich an die Bildungsferne angleichenden Jungen und ihren Lehrerinnen (bis > 90 % weiblich) anfangen soll auf einer Entwicklungsstufe, auf der in den Industrienationen immer komplexere Technik entwickelt und gebaut werden muss? Sind die Deutschen zu blöd, um mithalten zu können? Propagieren sie deshalb so zwanghaft und vorpogromartig den Rückzug zu primitiver Technik und den dazu notwendigen Verzicht? Die anderen Länder werden überschwemmt mit hoch qualifizierten deutschen Arbeitssuchenden von Technikern… Mehr

Mike Berlin
3 Jahre her

Nun, vermutlich können wir in einigen Jahren unser Expertenwissen zu Eselskarren und ökologisch unbedenklichem Atmen einbringen.
Immer das Positive sehen!

Lucius de Geer
3 Jahre her

Ein Plan im selben Geist wird umgesetzt, seitdem Deutschland nicht mehr als Bollwerk gegen den Warschauer Pakt benötigt wird. Abwicklung der Bundeswehr, Ausverkauf von Schlüsselindustrien, Senkung des Bildungsstands, Zerstörung der Infrastruktur, Öffnung der Grenzen für jedermann usw. – anders ist das wirklich nicht zu erklären, außer vielleicht damit, dass die Deutschen so müde geworden sind, dass sie nun ganz aus der Geschichte verschwinden wollen.

johndoe19
3 Jahre her

NL erwägt also den Bau von 10 AKWs.

Und was ist damit gewonnen? Zunächst einmal nichts. Denn erwägen ist nicht entscheiden und entscheiden ist nicht planen und planen ist nicht realisieren.

Man kann ja auch mal auf einige der im Bau befindlichen Reaktoren schauen und wird feststellen, dass 1. die Bauzeiten und 2. die Kosten unkalkulierbar sind. Ich schliesse mal daraus, dass NL diese Dinger wohl kaum selbst finanzieren könnte und 1-2 Generationen mit der Realisierung zu tun hätte.

Mit anderen Worten: Ein laues Lüftchen im Wasserglas.

Britsch
3 Jahre her
Antworten an  johndoe19

Man schaue z.B. nach China, Indien vielleicgh besonders nach Russland
und interessiere sich dafür wer baut ob neueste Technik gebaut wird

jopa
3 Jahre her
Antworten an  johndoe19

Oder auch nicht. Zuerst muß man immer die Idee haben. Das ist der 1. Schritt. Wenn man dann keine deutschen Verhinderungspolitiker hat und zehn Reaktoren des gleichen Typs baut, also eine Serienfertigung , dann sinkt der Preis rapide. Man vergleiche nur mal den Preis eines Anzugs vom Schneider mit dem eines Kleiderladens.

Rainer mit ai
3 Jahre her

Die Befürworter der „Erneuerbaren“ argumentieren, die Natur stelle keine Rechnung. Die Windparkbetreiber aber schon. Deutschland hatte 2019 nach Bermuda die zweihöchsten Strompreise der Welt. Nur einige Beispiele für Industriestaaten mit einigermaßen vergleichbaren Einkommen: Deutschland 0,34 Dollar pro kwh UK/Japan. 0,27 Frankreich 0,19 Finnland 0,19 USA 0,15 Kanada 0,11 Quelle: de.statista.com Wird Strom teurer, werde ich ärmer, denn es bleibt weniger für Lebensmittel übrig. Man kann Strom sparen, aber nicht beliebig viel. Eine Zitrone kann man auch nur einmal ausquetschen, irgendwann ist Schluß. Laut Jürgen Trittin kostet mich die Energiewende nur eine Kugel Eis am Tag. Das muss eine große Kugel… Mehr

U.M.
3 Jahre her
Antworten an  Rainer mit ai

und nicht zu vergessen, dass noch die zusätzlichen Kosten wie die EEG-Umlage, Netzgebühren, Mwst usw dazukommen. So kommt man locker auf 0,45€ /kwh.

Auswanderer
3 Jahre her

Die Holländer haben eine sehr nette Besetzung im Königshaus und wir haben Steinmeier! Die Politiker in NL können auch mit Minderheits-Regierung gut arbeiten. Bei uns ist da nur noch Chaos, da eine CDU-Kanzlerin RRG-Politik macht!