Mehrere Festnahmen am Trocadéro in Paris: Wie „Baby-Gangs“ Jagd auf Touristen machten

Die Namen der Orte sind verschieden: Peschiera del Garda, Saint-Denis bei Paris, nun ein Platz im Herzen der französischen Hauptstadt. Die Realitäten sind allerdings ähnlich: „Unbegleitete Jugendliche“ stiften Unfrieden und werden kriminell in einer Gesellschaft, in die sie sich nicht integrieren.

IMAGO / Martin Bertrand

Die Serie der Vorfälle in Frankreich und Italien nimmt kein Ende. Mit anderen Worten: Es sind keine isolierten Ereignisse mehr, eine neue Normalität hat sich schon etabliert. Erst der Raubfeldzug junger Nordafrikaner auf britische und spanische Fußballfans in Saint-Denis, dann ein Afrika-Fest am Gardasee, nun der Trocadéro-Platz im Herzen von Paris.

Letzte Woche, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, wurden dort massenhaft Touristen zum Opfer von Kriminellen. Die meist minderjährigen Täter attackierten die Touristen zum Teil mit zerschlagenen Flaschen, um an ihre Uhren, an Schmuck und andere Habseligkeiten zu kommen. Das tweetete ein Sprecher der unabhängigen Polizeigewerkschaft Commissaires de Police (SICP).

— Matthieu Valet (@mvalet_officiel) June 10, 2022

„Paris ist ein Fest… und ein Ort für Razzien“, schrieb der Figaro etwas verzweifelt. Zwölf junge Männer seien in jener Nacht im Umfeld des Trocadéro festgenommen worden. „Um 22.30 Uhr wurde einem Touristen seine Halskette gestohlen, als er einen Blick auf den Eiffelturm warf“, schreibt der Journalist Amaury Bucco auf Twitter.

Kleinkriminelle verabreden sich zu ihren Aktionen

Ein Mann, der zum Opfer der Kriminellen wurde, erlitt Verletzungen an Kopf und Armen, als er sich gegen die Diebe wehrte. Einem asiatischen Paar wurde das iPhone gestohlen, einer anderen Touristengruppe wurde ein Chanel-Collier entwendet, nachdem man sie mit Tanzschritten abgelenkt hatte. Dabei ist davon auszugehen, dass sie sich mehr oder minder an gewissen Orten verabreden, um sich gegenseitig durch das entstehende Chaos zu unterstützen. Ähnlich war das Bild am Stade de France, wo englische und spanische Fußballfans zum Opfer einer solchen abgesprochenen Aktion wurden.

Der Trocadéro ist der Platz am Fuß des Eiffelturms, ein klassischer Touristenort, doch auch eine kahle Fläche, auf beiden Seiten flankiert von einem monumentalen Bau aus den Dreißigerjahren. Trotz der Weite des Platzes fühlt sich das Ensemble etwas klaustrophobisch an: Domplatte à la française.

Und an Köln erinnern auch politische Beobachter in Frankreich und Italien in diesen Tagen, wenn sie versuchen, der Öffentlichkeit das Ausmaß des Geschehens nahezubringen. So sagte etwa Marine Le Pen in der Diskussion über das Stade de France, dass nun auch Innenminister Gérald Darmanin am „Köln-Syndrom“ („syndrome de Cologne“) leide. „In unverschämter Weise“ habe er vor dem Senat gelogen. Mit dieser Ansicht steht Le Pen nicht allein.

Der Eindruck ist weit verbreitet, dass Darmanins Auftritte im Senat von zwei Arten der Lüge geprägt waren: Zum einen sollte die Rolle der maghrebinischen Straßendiebe bei den Geschehnissen am Stade de France nicht in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Das war eine „Lüge durch Unterlassung“. Daneben könnte es eine wirkliche Lüge Darmanins und der Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra gegeben haben, nämlich die Aussage, dass zehntausende gefälschte Eintrittskarten der britischen Fans der Grund für die Eskalation gewesen wären.

„Unbegleitete Jugendliche“ und Baby-Gangs: Frankreich und Italien eint ein Problem

In französischen Polizeiberichten ist nun die Rede von „unbegleiteten Jugendlichen“. In Deutschland benutzt man den Begriff vor allem für Asylbewerber bei ihrer ersten Registrierung. In Frankreich ist er zu einem Begriff der Polizeistatistik geworden. Hier mischen sich Realitätssinn und das Eingeständnis einer scheiternden Migrationspolitik – von beidem dürften wir in Deutschland noch weit entfernt sein. Offenbar ist man sich in Frankreich bewusst, dass diese elternlosen Jugendlichen – egal wie alt sie wirklich sind – nicht nur an den Grenzen existieren, sondern auch im Landesinneren, dann eben als marodierende Kleinkriminelle.

Die Gerichte im Pariser Becken gelten seit geraumer Zeit als überlaufen von diesen jugendlichen Straftätern, deren Prozesse natürlich exorbitante Schwierigkeiten mit sich bringen. Das französische Jugendstrafrecht ist schlicht nicht für sie eingerichtet. – Auch diese Woche ging es übrigens laut Amaury Bucco in der selben Art weiter: In der Nacht auf Montag stahlen zwei Jugendliche einem Club-Gänger seine Kette. Von der Polizei festgenommen, stellten sie sich als „unbegleitete Jugendliche“ vor.

In Italien hat Matteo Salvini nach dem „Afrika-Fest“ am Gardasee eine Diskussion über die Senkung der Strafbarkeit Minderjähriger losgetreten. Er spricht von „Baby-Gangs“ und verweist auf einen seit langem im Parlament festsitzenden Gesetzentwurf der Lega, die bei den gestrigen Kommunalwahlen stark an die Fratelli d’Italia verloren.

Am Gardasee hatten junge Nordafrikaner Flaschen und Steine in Richtung der Bereitschaftspolizei geworfen. Dazu die Rufe: „Wir sind gekommen, um uns unser Territorium zurückzuholen. Afrika muss hierherkommen.“ Laut Il Giornale wurden Schaufenster von Geschäften zerschlagen, ein allgemeines Chaos wurde angerichtet, in dem auch Diebstähle nicht mehr fehlen konnten. Inzwischen werden um die 30 jungen Männern „sexuelle Aggressionen“ im Umfeld der eskalierten „Party“ vorgeworfen. Deutlich mehr junge Frauen als bisher bekannt dürften betroffen sein. Die Eltern von fünf jungen Mädchen hatten Anzeige erstattet, nachdem ihre Töchter in einem Zugabteil auf dem Weg nach Mailand von jungen Nordafrikanern umringt und belästigt wurden.

Alain Finkielkraut warnte vor 17 Jahren vor diesen Zuständen

„Die Barbaren stehen vor unseren Toren“ – so hatte einst der Philosoph Alain Finkielkraut vor dem sozialen Sprengstoff gewarnt, den die ungezügelte Armuts-Immigration nach Frankreich bringt. Schon damals, vor 17 Jahren, gab es Vorstadtunruhen. Aber die Kleinkriminalität auf den Straßen, die gravierende Folgen für das Leben der Menschen hat, ist noch ein anderes Problem.

In entwaffnender Offenheit hatte Finkielkraut auch schon die Diagnose ausgesprochen: „Das Problem ist, dass die meisten dieser jungen Menschen schwarz oder arabisch sind und sich mit dem Islam identifizieren.“ Diese beiden Eigenschaften machen die Jugendlichen weitestgehend unintegrierbar, wobei das Wort „integrieren“ hier ohnedies fehl am Platz scheint, ist doch gar kein Wille dazu erkennbar, wie Finkielkraut ausführte: „Die Jugendlichen behaupten, dass man sie nicht als Franzosen ansieht, aber es wäre zunächst an ihnen, sich als solche zu sehen.“ Und wenn sie Opfer der Armut im Lande wären, könnten sie ihr Glück doch auch anderswo versuchen. Aber Finkielkraut kritisierte auch einen Teil der französischen Gesellschaft, die sich durch das Spektakel von Armut und Unruhen in den Bann ziehen lasse: „Der Antirassismus wird im 21. Jahrhundert das sein, was der Kommunismus im 20. Jahrhundert war.“ Eine „lügnerische Ideologie“, und bei den aktuellen Wahlen marschieren beide zusammen.

Anzeige

Unterstützung
oder