Europas Friedensplan für die Ukraine

Es gibt ihn nicht. Aber die Weigerung in der EU, sich eigene Gedanken zu machen über eine potentielle Beendigung des Krieges, ist eine Fahrkarte in die globale politische Belanglosigkeit.

Bild: MCC

Indonesien hat einen Friedensplan für die Ukraine. Die Türkei hat Ideen. China auch. Der Papst will vermitteln. Israel stünde auch bereit. In den USA vertritt die Regierung zwar einen kompromisslosen Kurs, der darin besteht, die Ukraine „bis zum Ende” zu unterstützen und dafür „alles zu geben, was es braucht”. Aber immerhin gibt es dort eine starke Opposition, die Republikaner, in deren Reihen es Unterstützung gibt für eine rasche diplomatische Beendigung des Konflikts. Und in Ungarn hat das Institut, an dem ich arbeite (Mathias Corvinus Collegium, MCC) am 6. und 7. Juni ein internationales Friedensforum organisiert.

Dort stellte Michael von der Schulenburg, ein früherer Generalsekretär der Vereinten Nationen, die berechtigte Frage: „Wo ist ein Friedensplan der EU für die Ukraine?” Er wunderte sich, dass überall auf der Welt Stimmen zu vernehmen seien für eine möglichst rasche Beendigung des Krieges, nur in Europa nicht. Dabei sei es die EU, die – abgesehen von den direkten Kriegsparteien Russland und Ukraine – an den negativen Folgen des Krieges am meisten leide.

Tatsächlich: Seit Jahren kommen aus Paris, Brüssel und Berlin Sprechblasen bezüglich einer „strategischen Autonomie” der EU gegenüber den USA. Der Ukrainekrieg scheint solchen Visionen jedoch ein Ende bereitet zu haben. Es gibt nicht die geringste Spur unabhängigen, realistischen Denkens oder gar Handelns in der EU zu dieser Frage. Ungarn ist die Ausnahme, wird dafür aber auch streng als „Putin-Freund” gebrandmarkt.

Gleich zwei amerikanische Teilnehmer der Konferenz empfahlen den Europäern dringend, stärker und selbstbewusster ihre eigenen Interessen zu vertreten. George Beebe, früher Russland-Direktor beim CIA und gegenwärtig Strategie-Direktor beim Think Tank Quincy Institute, sagte diesem Autor im privaten Gespräch, die Europäer könnten den USA sogar damit helfen, wenn sie unabhängigere Positionen und Optionen zur Lösung des Konflikts entwickelten. William P. Ruger, Präsident des American Institute for Economic Research, sagte in einer Podiumsdebatte: „Natürlich sollten die Europäer ihre eigenen nationalen Interessen bis zum Anschlag („to the hilt”) vertreten.” Er war im übrigen der Meinung, dass eine Fortsetzung des Krieges nicht im nationalen Interesse der USA sei, da Russland die relative Hegemonie Amerikas nicht wirklich bedrohen könne und der Krieg sehr teuer sei für amerikanische Steuerzahler. „Dieses Geld würde ich lieber an anderer Stelle investieren”, sagte Ruger. Militärische Ausgaben, jenseits dessen was nötig ist für die Sicherheit Amerikas, seien nicht produktiv und brächten die Wirtschaft nicht voran.

Ob es überhaupt eine baldige diplomatische Lösung geben kann, sei dahingestellt, aber auf ein Nachdenken und eine Debatte darüber von vornherein zu verzichten, mutet etwas merkwürdig an. Es ist nicht nur ein europäisches Versagen. Mehrere Teilnehmer merkten an, dass die internationalen Foren und Organisationen, die eigentlich dafür da sind, über Konflikte und deren Lösung zu debattieren, diese Funktion schlichtweg nicht mehr erfüllen – jedenfalls nicht in dieser Frage. UN, OSZE, EU – nirgends regt sich etwas. Insofern forderten mehrere Teilnehmer der Konferenz „neue Initiativen”, um über den Ukrainekonflikt zu sprechen. Länder, denen an einem raschen Ende des Krieges gelegen sei, sollten sich zusammentun und eine Debatte anstossen.

Warum passiert dies nicht in der doch so negativ vom Krieg betroffenen EU? Vielleicht ist die Erklärung ganz einfach. Die EU versucht die Krise, wie jede Krise, dafür zu nutzen, um noch zentralere, noch „integriertere” bürokratische Strukturen zu schaffen. Solidarität! Wir müssen alle zusammenhalten! Wir müssen noch mehr gemeinsame Schulden aufnehmen! Eine gemeinsame Rüstungsindustrie aufbauen!” Der Krieg mag schlecht sein für die europäischen Bürger und Volkswirtschaften, aber er ist gut für die Konsolidierung einer noch tieferen europäischen „Integration”.

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