Pollenflug soll für Coronainfektionen verantwortlich sein

Wären die möglichen politischen Folgen waghalsiger Interpretationen solcher „Studien“ nicht so brandgefährlich, man würde darüber lachen.

IMAGO / Sven Simon

Angesichts der derzeitigen Hochkonjunktur des Irrsinns hierzulande wundert man sich nicht mehr so schnell über Nachrichten. Nun soll eine Studie bewiesen haben, dass nach pollenreichen Tagen die Coronainfektionen zunehmen. Wenn also die Haselnuss blüht, kommen sieben Tage später Menschen an die Beatmungsmaschinen? Es wird immer grotesker. Unter der Leitung der Technischen Universität Münschen (TUM) und des Helmholtz Instituts soll aber genau das oder so ähnlich bewiesen worden sein. Da muss man sich zunächst einmal die Frage stellen, wie man überhaupt auf so eine Idee kommt, wissenschaftliche Kompetenz und Forschungszeit in so etwas abwegiges überhaupt zu investieren, als gäbe es aktuell keine wichtigeren Forschungsaufgaben. Aber lassen wir das zunächst dahingestellt: Sage und schreibe in 31 Ländern wurden zu dieser Studie Daten gesammelt, Wetterdaten verglichen und Informationen zum Pollenflug verglichen – möglicherweise noch mit einbeziehend, dass es landesweit abweichende Vegitation und also unterschiedliche Pollen gibt. Ach so, die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit spielten auch noch eine Rolle, ebenso, wie der Zusammenhang zwischen Coronamaßnahmen und Infektionszahlen.

Ist hier eine Corona-Pandemie-Alchemie auf ihrem bizarren Höhepunkt angekommen? Die Forschenden orakelten gegenüber einem Fachmagazin: „Der Pollenflug könne (…) im Durchschnitt 44 Prozent der Varianz in den Infektionsraten verschiedener Regionen erklären.“ Könne oder könnte? So aber könnte der Flügelschlag der Zugvogel auch erklären, warum am Stadtrand von Göttingen eine Suppe kalt geworden ist. Immerhin der Spiegel stellt dann etwas konsterniert fest: „Das Ergebnis klingt jedoch eindeutiger, als es ist.“

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Nein, es klingt zunächst deshalb ziemlich bescheuert, weil es das auch ist. Der nicht an der Studie beteiligte, renommierte Epidemiologe André Karch von der WWU Münster wird dazu befragt und sagt zu diesen skurrilen Mutmaßungen auf wissenschaftlicher Basis über das Infektionsrisiko dann auch: „Wie groß diese(s) sein könnte, kann man in der extrem komplexen Gesamtlage aber meiner Meinung nach aus dem Paper erst mal nicht ableiten.“

Was jeder weiß, ohne Wissenschaftler zu sein: Wenn ich mich verschlucke, fällt das Atmen für den Moment schwer, und wenn jemand Heuschnupfen hat, ist er auch erkältungsanfälliger. Das ist mindestens solides Hausarztwissen. Pollen fallen auf Schleimhäute und lösen eine Reaktion aus. Es ist müßig, weiter darüber nachzudenken, ob diese Aktivierung des Immunsystems mit allen Folgen möglicherweise in einem bestimmten Moment sogar eine bessere Abwehr gegen Viren bedeuten könnte. Andererseits könnten die eindringenden Blütenstaubpartikel die Abwehr gegen Viren auch schwächen, irgendwelche Erreger schneller eindringen. Ja, viele Szenarien sind möglich. Aber zuletzt unerheblich in der Gesamtschau. Immerhin fragte ein Wochenblatt: „Wie stark wirken sich die Pollen auf das Risiko einer Corona-Infektion aus?“ Und antwortete: „In dieser Hinsicht sind die Ergebnisse der Studie mit Vorsicht zu betrachten.“

Wären die möglichen politischen Folgen waghalsiger Interpretationen solcher „Studien“ nicht so brandgefährlich, man würde darüber lachen und es gut sein lassen. Der Spiegel schreibt: „Dennoch können sie nicht belegen, dass die beobachteten, vermehrten Infektionen tatsächlich auf die Pollen zurückzuführen sind und nicht etwa auf die Wetterlage, die den Pollenflug begünstigte. Oder einfach darauf, dass das neue Virus Sars-CoV-2 Europa und Nordamerika eben im Frühling erreichte und nicht im Herbst.“ Ja, oder es lag an der Mondstellung im Mai. Oder der ungünstigen Stellung eines Aszendenten des Jupiters im Saturn oder doch an diesem ominösen umgefallenen Sack voller Reis in China.

Ach ja, es gab ja eine zweite Corona-Welle im Winter, der aber war pollenarm. Nein, nicht Pollen verursachen Infektionen mit Covid-19, sondern Viren. BR24 schreibt, dass die Münchner Studie für Aufsehen gesorgt hätte. Der größte Unsinn kann allerdings auch für großes Aufsehen sorgen. Dann aber ebbt dieses Aufsehen schnell wieder ab.

Eine Allergie-Expertin am Klinikum München findet diese Geschichte nicht so lustig. Sie schätzt das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit Pollenflug auf „gerade mal zwei Prozent“, wo die Studie von 44 Prozent spricht. Hier zwei, dort 44 Prozent. Mehr muss man über den Stellenwert von Wissenschaft für die Debatte eigentlich nicht wissen. Spätestens hier muss man sich energisch einmischen.

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Der Mensch würde sich als Allergiker unter Pollenflug schneller infizieren? Wieviel höher ist eigentlich das Risiko, sein Immunsystem zu schwächen, wenn man sich immer wieder mit der nächsten Sau befassen muss, die durchs mediale Dorf getrieben wird? Sind es Pollen, die Menschen an Corona sterben lassen, ist es Corona selbst oder ist es viel mehr der Verlust von Arbeitsplätzen und die Vernichtung von Existenzen?

Und da ist dann auch jede irgendwie humoristische Betrachtung dieses induzierten Irrseins zuende. Der Autor ist kurz vor dem Schreiben dieser Zeilen gerade von einer Beerdigung eines kaum 50-Jährigen Freundes zurück an den Schreibtisch gekommen. Ein Freund, dem sein Job alles bedeutet hat, der auch gewählter Betriebsrat war, also auch für die Kollegen wichtige Stütze und der vor seinem Herzschlag monatelang zu Hause sitzen musste. Nein, mein Freund war kein Allergiker. Seinen Hinterbliebenen durfte man auf dem Friedhof nicht einmal die Hand schütteln. Hinter den Masken hier ein scheuer Blick, dort eine Verbeugung und eine Hand auf dem Herzen als Geste des Beileids. Ein späteres Zusammensein mit alten Freunden, die ihrem liebgewonnenen Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, fiel ebenfalls den Corona-Maßnahmen zum Opfer.

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Kommentare ( 42 )

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friedrich - wilhelm
3 Jahre her

…..da sollte man doch viel eher die hamburger studie über die entstehung des
virus lesen! die ist viel plausibler und wesentlich wissenschaftlicher!

U.M.
3 Jahre her

In Deutschland schreitet die Verblödung in 7 Meilenstiefeln voran. Schlimm ist, dass dies vom Michel geglaubt und entsprechend gelebt wird.

Alfonso
3 Jahre her

Jede Studie wird dazu gemacht, um das Ergebnis zu bringen, was die Studienmacher haben wollen, denn jeder Studienmacher hat doch von vornherein eine Vorstellung über das, was er mit der Studie beweisen will. Jede Studie wird deshalb entsprechend konstruiert, Studiendesign nennt man das wohl. Und letztlich kommt dann noch die passende Interpretation des Ergebnisses dazu. Das ist doch selbstverständlich und alltägliches Studienhandwerk.

Nur bei dieser Studie ist es schon extrem peinlich, wie offensichtlich die Sache gemacht wurde.

horrex
3 Jahre her

Ich nenne es „grassierenden Irrsinn im AUFTRAG einer gewissen Politik!“
Lyssenko und Lyssenkoismus fallen mir dazu spontan ein. (Wer will kann ja googeln wer Lyssenko war.) Und es hat auch rein garnichts mit „Wissenschaftsgläubigkeit“ zu tun. Ein Programmierer würde formulieren: „shit in – shit out“. Alles Andere, der enorme Aufwand, das Zahlendickicht, deren Menge usw. all das ist nur ein „Kinderverwirrspiel“ (wie Ringelnatz vielleicht sagen würde). –

W aus der Diaspora
3 Jahre her

Dann ist ja letzten Endes das nicht vorhandene Bienensterben an den Coronaerkrankungen schuld. Denn Bienen tragen den Pollen durch die Gegend, so dass er nicht in unseren Nasen landet. Gäbe es mehr Bienen, so würde ganz sicher weniger Pollen herum fliegen.
Also sind dann ja doch wieder die Bauern schuld.

-Wer Ironie oder Satire findet darf sie behalten und benutzen –

Rachel
3 Jahre her

Ist doch genial ! Wenn Pollen das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV2 erhöhen, müssen wir im Fruhjahr leider alle in der Wohnung bleiben. Im Sommer auch, denn da blühen die Gräser. Und im Winter die Frühblüher…….

Der nachdenkliche Paul
3 Jahre her

Sobald ich das Wort „könne“ lese, lese ich solche Studien einfach erst gar nicht zu Ende. Es wird immer grotesker. Hat Herr Lauterbach sich schon zu dieser Studie geäußert? Vermutlich ist er ganz tagesaktuell auch noch zum obersten Pollenexperten der Nation aufgestiegen.

Positivsteuerung
3 Jahre her

Ausbreitung von Pollen und Ausbreitung von Aerosolen dürfte den gleichen Zusammenhängen unterliegen, das könnte Schwankungen der Kurve bedingen. Übertragung durch Abluftschächte und Lüftungsanlagen sind z. B. aus Hongkong belegt. Das trifft vermutlich die Allergiker in geringerem Maße, denn die werden bei starkem Pollenflug eher zu Hause bleiben, da ihnen klar ist, dass Niesen und Husten in der Öffentlichkeit momentan nicht gut ankommt. Zudem sind diejenigen unter ihnen, die kortisonhaltige Inhaliermittel nehmen, durch die damit verbundene Abschwächung der Reaktion des Immunsystems auch gefährdeter in Bezug auf Infektionskrankheiten. Die Inkompetenz der staatlichen Organe scheint mit hingegen unabhängig vom Pollenflug und ganzjährlich präsent… Mehr

JamesBond
3 Jahre her

Gut das die eigentliche Pollensaison erst bevorsteht: Birke, Raps, Gräser – dann gibts ja schon nen Grund warum wir im Sommer nicht ins Schwimmbad dürfen – gechlortes Wasser ist bestimmt nix für das Virus, aber das hat von denen noch keiner begriffen. Sauna zur Abhärtung und Aktivieren des Immunsystems muss auch ausfallen, das ist Körperverletzung- daher wünsche ich diesen Lumpen in Berlin alles erdenklich Schlechte!

Tesla
3 Jahre her

Jawoll, Pollenflug. Weil im Winter ja auch so viele Bäume und Pflanzen aufblühen, haben wir die Coronawelle den freigesetzten Pollen zu verdanken. Weil ja jeder weiß, dass die Pollenallergiker immer im Winter darunter leiden. Die Pollen sind Schuld. Sagt die „Studie“. Alles „wissenschaftsgeleitet“ (oder wissenschaftsgeleidet), jawoll. Jetzt fehlt nur noch jemand, der behauptet, das pöööhse CO2 würde Corona verbreiten. Ach Moment mal, Luisa-Langstrecke Neubauer hatte ja in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ja bereits behauptet, dass [Zitat] „Corona und die Klimakrise sehr eng miteinander in Verbindung stehen“ [Zitatende]. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/interview-mit-luisa-neubauer-corona-und-die-klimakrise-haengen-eng-zusammen Na klar. Dass Corona „menschengemacht“ ist, mögen vielleicht die Chinesen nicht… Mehr