Grönemeyer: politisch überkorrekt auf Feindfahrt

Der in London lebende Herbert Grönemeyer findet ausgerechnet in Wien zur Rolle seines Lebens. Oder: Wie im Nachklang einer großen Karriere politische Hysterie auf der Bühne in einem Veitstanz des Bösen enden kann.

Screenprint: Twitter

Wir leben in aufwühlenden Zeiten. Ein Riss geht durch die Gesellschaft, das Land verändert sich in rasender Geschwindigkeit. Die Menschen schauen verwundert, die einen jubeln aufgeregt, dass mit der Massenzuwanderung und der Klimarettung endlich mal etwas Weltbewegendes in ihrem von Wohlstand geprägten aber langweiligen Leben passiert. Die anderen sind bis ins Mark erschrocken und sehen mehr als nur die Vorboten des Untergangs des alten Europas und des vor nicht allzu langer Zeit gerade erst wiedervereinigten Deutschlands. Allenthalben wird jetzt eine behauptete Renaissance des Nationalsozialismus bekämpft, überall werden neue Nazis entdeckt, dann schon, wenn nur einer Zweifel hat an der rasanten Geschwindigkeit der Veränderung und an der Marschrichtung einer entfesselten politischen Klasse, die dieses Deutschland ad hoc verändern will auf eine Weise, wie es in den Jahrzehnten zuvor nicht einmal denkbar gewesen wäre.

Die gelassene Beobachterrolle ist längst nicht mehr attraktiv. Aus dieser Gluthitze der Verwerfungen heraus wittern Prominente auch aus politfremden Genres ihre Chance, sich zu positionieren, noch einmal auf den rasenden Zug aufzuspringen, bevor das so wohlgefällige Leben vorbeigerauscht ist. Die sich in ihren Komfortzone eingerichteten Vorruhestandsprominenten lassen die Herzpillen Herzpillen sein und schwingen noch einmal die ganz große Rede um die Gunst des Publikums. Das gespaltene Land lockt jetzt mit dieser finalen Möglichkeit, Partei zu ergreifen.

Die Euphorie der Wiedervereinigung war schnell verklungen, der Kampf gegen Birne Helmut Kohl vorbei, Schröder und Fischer hatten Hartz4 eingeführt, die Agenda 2010 durchgesetzt und waren mit dem schrecklichen Verweis auf Auschwitz in den Krieg auf den Balkan gezogen. Als die Regierung Schröder dann noch vor dem regulären Ende die Segel strich, legte sich Mehltau über das Land. Das sollte es nun gewesen sein für diese politisch bewegte Generation? Dass es dann ausgerechnet Kohls Mädchen sein sollte, welche die müden Krieger im Parka mit den eingestaubten Anti-Atomkraft-Stickern noch mal hinter dem Ofen hervorlocken sollte, gehört wohl zu den Treppenwitzen der Geschichte: Erst der Sieg über die Kernspaltung und dann die Spaltung des Landes, als weit über eine Million illegale Migranten das Land im Handstreich nahmen und als diese Ereignisse Haltungen geradezu herausforderten. „Haltung zeigen“ wurde zum geflügelten Wort.

Und dann kam er. Er war wieder da. Nein, Herbert Grönemeyer war nie wirklich weg, aber es war ruhiger um den Musikrentner geworden. Schläfriger. Der Weckruf seiner selbst geriet nun im September 2019 zu einem der schrillsten, den Prominente im Kampf um eine aufmerksamkeitsstarke politische korrekte Positionierung wohl vornehmen können, wenn Grönemeyer ausgerechnet in Wien vor ausverkaufter Halle sein Konzert zu so etwas, wie einem Reichsparteitag der Gutmeinenden machte, wenn Handyaufnahmen von einer Anmoderation des gebürtigen Harzers in Wien Assoziationen wecken, die gruseln machen. Wenn Grönemeyers Aufruf zum Kampf gegen Rechts vor tausenden Fans zu einer tiefdüsteren Parodie auf aus dem Geschichtsunterricht bekannte Reden aus dem Berliner Sportpalast gerät.

Nein, es ist nicht zuerst der Inhalt, den wir im Anschluss an diesen Text abbilden wollen, es ist diese grauselige Dramaturgie, wenn sich die Stimme überschlägt, wenn Grönemeyer aus sich selbst heraus ins Reich des Bösen mutiert, wenn seine durch Mikrofon verstärkte Ansprache zum tiefen deutschen Grollen wird. Wenn Grönemeyer stimmlich zu Bruno Ganz in „Der Untergang“ wechselt.

Sprechen wir über Herbert Grönemeyer. Der 63-Jährige ist zweifellos einer der großen Komponisten des Soundtracks der Nachkriegszeit – namentlich der geburtenstarken Generation, die in den 1980er und 1990er Jahren zu den Balladen des Schauspielers und Musikers kollektiv in den Schwof ging. Kaum eine pubertäre Fummelorgie, die nicht von Grönemeyers Flugzeugen im Bauch begleitet wurde. Und bei „Männer“ einigten sich beide Geschlechter darauf, dass es eben kompliziert ist mit den Geschlechtern.

Grönemeyer war aber zunächst und viel früher vor allem eines: Leutnant Werner in Wolfgang Petersens „Das Boot“, der verfilmte Bericht einer Feindfahrt im U-Boot U-96, ein Bestseller, der sie alle bekannt machte, vom Regisseur über Klaus Dolldinger (Soundtrack) bis zu einer Reihe von bis dato unbekannten Schauspielern inklusive Grönemeyer. Ja, damals reichte in Deutschland noch dieses Ein-Hit-Wunder um dauerhaft in den Köpfen der treuen deutschen Fans zu bleiben: Der Drafi-Deutscher-Effekt eben. Praktisch, dass das Epos hilfloser Helden auf Feindfahrt als langer Directors´s Cut um 20.15 auf ARTE läuft; da kommt einem Grönemeyer heute wie ein Echo aus besseren Künstlertagen vor.

Grönemeyer als Werner auf Feindfahrt war 1981. Fast vierzig Jahre später und nach einer einzigartigen Karriere als Musiker – jedes seiner Alben platziert sich seit 1984 automatisch auf Platz eins in Deutschland – steht Herbert immer noch auf der Bühne und weiß ganze Hallen zu füllen. Sein Publikum liebt ihn über die Generationen hinweg wegen seiner unverstellten Granteleien, seiner ungelenken Art, sich auf der Bühne zu bewegen, wegen seines nuschelig-abgehackten Herbert-Sprechs – aber vor allem immer noch wegen seiner Herzschmerzballaden.

Gewissermaßen als akzeptierte Beigabe liefert der Sänger von jeher auch eine politische linke Positionierung ab, die zwar keine herausragende Rolle spielt für das Publikum, die er aber über die Jahre hinweg zu einem wichtigen Authentizitätsmerkmal ausgebaut hat, wenn er regelmäßig seit den 1980er Jahren Linken und Linksradikalen Solidaritätskonzerte gibt und ein paar weniger bekannte zwar, aber leider auch politische Lieder beisteuert. Es geht hier um PR, um Image und den Eindruck von Wahrhaftigkeit. Immer öfter kommentiert der seit Ende der neunziger Jahre in London lebende Musiker in den letzten Jahren deutsche Politik und Gesellschaft, in immer schriller werdenden Tönen.

Wie furchtbar schief das noch im Alter und im letzten Viertel einer Ausnahmekarriere gehen kann, bewies Herbert Grönemeyer jetzt eindrucksvoll in Wien. Kollegen werden sich diesen Gau als Mahnung nehmen. Es könnte also etwas ruhiger werden auf den Bühnen. So hat dann eben alles noch sein Gutes.

„Ich kann mich nicht erinnern in meinen Leben in Zeiten, ich kannte das nur vom Hörensagen, in Zeiten zu leben, die so zerbrechlich, so brüchig und so dünnes Eis sind. Und ich glaube, es muss uns klar sein, auch wenn Politiker schwächeln, das ist glaube ich in Österreich nicht anders, als in Deutschland, dann liegt es an uns (hier lauter werdend hin zu Geschrei) DANN LIEGT ES AN UNS, ZU DIKTIEREN, WIE NE GESELLSCHAFT AUSZUSEHEN HAT. Und wer versucht, so eine Situation der Unsicherheit zu nutzen, wer rechtes Geschwafel für Ausgrenzung, Rassismus und Hetze, DER IST FEHL AM PLATZE! DIESE GESELLSCHAFT IST OFFEN, (unverständliches Wort) GEBEN DEN MENSCHEN SCHUTZ (unverständliches Wort) und wir müssen diesen Menschen so schnell wie möglich und ganz ruhig (unverständliches Wort) KEIN MILLIMETER NACH RECHTS! KEINEN EINZIGEN MILLIMETER NACH RECHTS! UND DAS IST SO. UND DAS BLEIBT SO!!!“

Das wäre alles nur eine Mischung aus Alterstragik, Alltags-Korrektheit und Show. Aber vermutlich ist es auch absatzmäßig gut kalkuliert. SPD-Außenminister Heiko Maas reiht den Barden aus London in die Kämpfer gegen Rechts ein. Achtung, Chemnitz! Demnächst kommt nicht „Feine Sahne Fischfilet“, sondern Grönemeyer über euch, wenn ihr weiter frech seid. Das muss insgesamt kein Nachteil sein, Musik-ästhetisch betrachtet beweist der ferne Westen Londons dann seine kulturelle Überlegenheit.

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Kommentare ( 237 )

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diggikid
4 Jahre her

Rapid Wien war ja auch mal Deutscher Meister. Damals wurden Reden in diesem Tonfall geschwungen. Ist aber schon über ein 3/4 Jahrhundert her.

Michael41
4 Jahre her

Ich finde es ganz hervorragend, man kann fast stolz darauf sein, das so viele hier auf Tichys Einblick eine so klar Stellung gegen Links beziehen, denn der neue Faschismus kommt von Links verkleidet als Antifaschismus, das ist jetzt klar, das Ganze wurde mit Merkel u. dem DDR Kommunismus 89 in den Westen geschleust u. blüht jetzt auf denn diese DDR Kommunisten trafen im Westen auf die RAF Grünen Kommunisten es mußte nur noch die SPD zu Fall gebracht werden u. das hat Merkel in 14 Jahren hervorragend hingekriegt, damit war die Republik für den eingeschleusten DDR Kommunismus sperrangelweit geöffnet wir… Mehr

Michael41
4 Jahre her

Das der jetzt überschnappt liegt vermutlich daran das er sich als der Urheber der infantilen Kinderbewegung sieht, mit dem „Kinder an die Macht Song“, jetzt glaubt er er sei Jesus persönlich u. steht kurz vor dem Kollaps, ansonsten ist er ein typischer Neoliberaler der seine Penunzen in England vor dem Finanzamt in Sicherheit bringt, Kaiman Inseln u. Ähnliches, Wasser predigen u. Champagner saufen, bei dem seinem Anblick wird’s einem übel, fett u. aufgedunsen u. dafür kann er sehr wohl etwas, früher beim Tod seiner Frau hat er auf tiefe Jahrelange Trauer gemacht dieser Scheinheilige, heute vermutlich nur noch besoffen von… Mehr

LadyGrilka55
4 Jahre her

Sie haben da irgendetwas verpasst. Das Propagandaministerium gibt es doch schon längst. Es heißt nur anders, nämlich: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk.
Ein Hohn, für den wir auch noch zwangsweise zahlen müssen.

LadyGrilka55
4 Jahre her

Der von Heiko Maas „geadelte“ Verteidiger von freier Gesellschaft und Demokratie will also DIKTIEREN. Hätte ich nicht gewusst, wer da brüllt, hätte ich wohl eher an Goebbels oder Hitler gedacht. Es ist immer dasselbe: Diejenigen, die gegen Ausgrenzung „von rechts“ brüllen, sind die größten Ausgrenzer, denn sie grenzen alle Andersdenkenden aus. Diejenigen, die die Demokratie „gegen rechts“ verteidigen, sind die schlimmsten Antidemokraten, denn sie verweigern jeden demokratischen Diskurs. Diejenigen, die sich als Verteidiger der Freiheit „gegen rechts“ aufspielen, vernichten die wichtigste Freiheit, die Meinungsfreiheit. Um ihre Einheitsmeinung durchzusetzen, ist der SED 2.0 Merkels (die Altparteien, abgesehen von ein paar übrig… Mehr

Dieter Rose
4 Jahre her

kommt alles runter:
Night of the Proms
wird zur Lesbenshow,
der deutsche Kommentator
bringt politische Kommentare,
Staatfernsehen 1. Klasse.
Neusprech allüberall.
und die Leute merkeln es nicht.
auch nicht dass die Dame dienstunfähig ist
und Entscheidungen im Wahn getriffen hat
und noch trifft.
da kann doch ein Grünermeyer
nicht anders als sich geschäftstüchtig
dem Trend anschließen.
incl. Wahnsinn!

Ali
4 Jahre her

Ich fand den Kommentar von Peter Bulo Böhling auf Twitter nahezu perfekt. Zitat: „Nein, Herr Grönemeyer! Ich will mir weder von Ihnen, noch von irgendeinem anderen anmaßenden, weltfremden Wirrkopf „diktieren“ lassen, „wie eine Gesellschaft auszusehen hat“. Denn ich liebe meine Freiheit – und die der Andersdenkenden.“

Wie gesagt, „nahezu perfekt“. Ich möchte korrekter Weise daher noch „Wirrkopf“ gegen Faschist tauschen, damit wäre dann auch meine Antwort to the new Gooebbels formuliert. Nein Grönemeyer, ich will Deinen „totalen Scheiß“ nicht, schreib dir das hinter Deine Ohren.

Frank v Broeckel
4 Jahre her

Da ich als Nerd persönlich das extrem ungewöhnliche Hobby Bevölkerungsstatistik betreibe, bin ich persönlich lediglich ZWEI Tage(!!) auf diese Ersatzenkelstampede aus rein demographischen Gründen hereingefallen!

Wenn der Begriff „Kulturschaffende“ heutzutage vorrangig Menschen beschreibt, die wie Herbert Grönemeyer selbst nach fünf Jahren mangels selbstständigen Denkens immer NOCH darauf hereinfallen, erkläre ich hiermit rückwirkend(!!)…

… sämtliche Einwohner von Schilda zu Kulturschaffenden ehrenhalber!

Karl der Kleine
4 Jahre her

Klasse Artikel und trotzdem sehr befremdlich was sich z. Z. hier abspielt. Wie versprochen, dir noch einen verspäteten Gruß.

Gerd Koerner
4 Jahre her

Man sollte Herbert Grölemeyer dankbar dafür sein, daß er so offen ausspricht, was viele Menschen nicht für möglich halten: In diesem Land streben wieder Leute an die Macht, die anderen “diktieren” wollen, “wie eine Gesellschaft auszusehen hat“. Sein Auftritt war ein Déjà-vu, und er weckt Erinnerungen an die Reden im Berliner Sportpalast, die Brüllstimme des Anführers, umtost vom Gejohle der Gefolgschaft. Die kommende Diktatur soll eine „linke“ sein, legitimiert durch den „Kampf gegen rechts“, von demokratischen Parteien herbeigeführt, „politisch korrekt“. Der Außenminister, ein Sozialdemokrat, hat den ungeheuerlichen Auftritt in seiner Bedeutung via Twitter sanktioniert. Wir sind wieder soweit…..

LadyGrilka55
4 Jahre her
Antworten an  Gerd Koerner

Ja, wir sind wieder soweit. Mit dem Unterschied, dass sie heute nicht einmal Zwangsmaßnahmen brauchen, um Andersdenkende zu unterdrücken. Denn die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter fröhlich weiter selber und merken nichts. Oder wollen – bequemerweise – nichts merken.