Katargate-Skandal erreicht die Kommission: Generaldirektor flog auf Kosten Katars

Der für Verkehr zuständige Generaldirektor der Europäischen Kommission Henrik Hololei flog neunmal kostenlos in der Business Class von Qatar Airways. Ein Unbedenklichkeitszeugnis stellte sich der Spitzenbeamte selbst aus.

IMAGO / PanoramiC
Henrik Hololei, Generaldirektor der Europäischen Kommission für die Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG MOVE)
Der Korruptionsskandal im Europäischen Parlament zieht weitere Kreise. Jetzt ist das Brüsseler Machtzentrum selbst betroffen: die Kommission. Der für Verkehr zuständige Generaldirektor, der Este Henrik Hololei, ist zwischen 2015 und 2021 neunmal umsonst in der Business Class von Qatar Airways geflogen, wie das Portal Politico enthüllte. Vier der Flüge waren direkt von der Regierung Katars oder mit ihr verbundenen Organisationen bezahlt worden. Sechs der Freiflüge fanden statt, während seine Beamten mit dem Emirat über ein Luftverkehrsabkommen verhandelten. 

Am Montag hatte der Ombudsmann der Europäischen Union die Kommission zur Stellungnahme aufgefordert, weil sich „berechtigte Fragen über einen möglichen unrechtmäßigen Einfluss Katars“ auf die Entscheidungen der Union stellten. Die Antwort machte den Skandal noch größer: Die Kommission hatte nämlich behauptet, dass für diese Reisen Interessenkonflikte „sorgfältig erwogen und ausgeschlossen“ („carefully considered and excluded”) wurden. Und wer kam zu diesem Schluss? Die Kommission musste zugeben, dass kein anderer als Henrik Hololei höchstpersönlich sich selbst dieses Zeugnis ausgestellt hatte! 

Am Dienstag stellte die Kommission dann nach öffentlicher Empörung fest, dass künftig nur noch Reisen von Kommissionsangehörigen durch Dritte finanziert werden dürfen, wenn es sich um Regierungen der Mitgliedsstaaten, die G7, G20 oder die Vereinten Nationen handelt – oder Universitäten, wenn es um akademische Veranstaltungen geht. Von Dritten bezahlte Reisen machen wie die Kommission mitteilte, nur 1,5 Prozent der Reisen aller Mitarbeiter und 0,2 Prozent der Reisen von Generaldirektoren aus, so die Kommission – als ob das die Sache im Fall Hololei entschuldige. 

Von einem Rücktritt oder gar Rauswurf des Spitzenbeamten (Generaldirektoren sind die höchsten Beamten, über ihnen kommen nur noch die Kommissare selbst) ist nichts zu lesen oder hören.

Die Affäre Hololei erweitert den sogenannten Katargate-Korruptionsskandal: Mehrere EU-Parlamentsabgeordnete um die frühere Vizepräsidentin Eva Kaili und den Ex-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri, wurden offenbar aus Katar und Marokko mit großen Geldsummen bestochen und sitzen seit einer Razzia im Dezember 2022 in belgischer Untersuchungshaft. 

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Kommentare ( 20 )

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Reini
1 Jahr her

Meine Informationen zur Person Hololei reichen nicht um mir zu ihm ein Urteil zu erlauben, aber alles was man aus Brüssel erfährt reicht um zu fordern, den Sumpf dort trockenzulegen oder alles wieder auf Anfang EWG zu setzen und dabei dann auch künftig zu bleiben.

bkkopp
1 Jahr her

Es gibt überhaupt keinen Grund dass eine Dienstreise eines EU-Beamten / EU-Politikers von Dritter Seite bezahlt wird. Wenn die Reise für den Amtszweck nötig ist, dann muß dies nachvollziehbar dokumentiert auf Kosten der EU-Behörde erfolgen.

Paul Brusselmans
1 Jahr her

Zunächst einmal: es handelt sich wohl um einen der fähigsten Generaldirektoren, ehemaliger Finanzminister Estlands, unermüdlicher Lobbyist für die europäische Industrie in Drittstaaten. Jemand, der die bescheidenen Fähigkeiten der Transportkommissarinnen kompensiert hat. So jemanden hat Deutschland nie nach Brüssel geschickt. Auch hier läuft Europa wieder mechanisch ab: Von A bis Z müssen Luftfahrtabkommen geschlossen werden. Unter der Aufsicht der Mitgliedstaaten. Im Gegensatz zu den USA ist Qatar relativ kompakt, so dass die Öffnung sämtlicher qatarischer Flughäfen für EU-Airlines nicht ganz die Öffnung sämtlicher EU-Flughäfen kompensiert. Aber: 1. durch die gesamte EU-Kommission beschlossen, 2. durch das Parlament beschlossen, 3. durch die Mitgliedstaaten… Mehr

GWR
1 Jahr her

Ein Fall ist nichts.
Zwei Fälle sind Zufall.
Drei Fälle sind System.
Die EU ist ein von Grund aus korrumptiertes System.
Nachdem auch die „Chefin“ ungewählt an die Macht kam, fehlt auch vielen anderen an demokratischer Legitimation.
Die EU mit seinen Institutionen sind in dieser Konstellation untragbar.

usalloch
1 Jahr her

Sind es Flüge nach Katar gewesen? Wenn ja, dann dürfte es doch kein Problem sein. Wer einlädt, darf auch bezahlen. Also kein großes Problem. Eher bedenklich, Von 44000 EU- Beamten werden 4400 Beamte mit einem kargen Salär, das höher ist als das unserer ehemaligen Bundeskanzlerin, abgespeist. Und die werden ihre Heim und sonstige Flüge auch nicht zahlen müssen.

Regina Lange
1 Jahr her

Die einen machen sich mit Katar gemein, eine andere führt mit Pfizer intime Spritzen-Gespräche! Im EU Parlament hat die Korruption eine Heimat gefunden! Eine ehrenwerte Gesellschaft tummelt sich da in Brüssel!

Chlorhahn
1 Jahr her

EU-Parlament und EU-Organisationen ziehen die Korruption an wie ein Magnet. NGOs und Lobbyisten aller Art nutzen deren demokratisches Vakuum und setzen ihre Interessen und Vorhaben über EU-Bande (im doppelten Sinne) durch.

MariaundJosef
1 Jahr her

Nur eine Frage von mir: „ Was ist mit Pfizer ?“ Wer klärt da endlich auf?

alter weisser Mann
1 Jahr her

Warum ist der Mann auf Katars Kosten nach Katar geflogen? Ich meine, dienstliche Flüge hätte er doch eh nicht bezahlen müssen? Macht der dort ständig Urlaub, weil er sein EU-Gehalt sonst nicht verbraten kriegt? Ging das mit so Kostenübernahmen vor Ort weiter, ggfs. getarnt als Programm?

Last edited 1 Jahr her by alter weisser Mann
Silverager
1 Jahr her
Antworten an  alter weisser Mann

Wo steht denn, dass er nach Katar geflogen ist?
Da steht: „Henrik Hololei flog neunmal kostenlos in der Business Class von Qatar Airways.“
Wo er startete und wo er landete, habe ich nirgends gelesen. Es könnte sich ja auch um Urlaubs- oder Lustreisen gehandelt haben. ?

Paul Brusselmans
1 Jahr her
Antworten an  alter weisser Mann

Im Gegensatz zur Klimatante Annalena hat die EU-Kommission keine Regierungsjets und knausert bei den Reisekosten.

CIVIS
1 Jahr her

Wie kann es sein, dass es in einer -bis auf das Parlament- nicht durch Wahlen legitimierten Wertegemeinschaft überhaupt zu Finanz- und sogar persönlichen Korruptionsskandalen kommen kann?
Ich betone nochmals -was auch alle möglichen Leute in und um die EU herum nicht leid werden immer wieder zu betonen: …in einer WERTEGEMEINSCHAFT
Was ist da denn schiefgelaufen ? Wird der Wert nur auf dem eigenen Konto dokumentiert ?

Last edited 1 Jahr her by CIVIS