Trumps Zollpolitik: Warum Politiker aus Brüssel und Berlin nicht schwimmen können

Medien und EU-Politik folgen dem alten Witz: „Donald Trump geht über Wasser wie einst nur Jesus“, meldet Fox-News. ARD/ZDF/Spiegel/SZ/FAZ melden wortgleich: „Trump zu doof zu schwimmen.“ Sieben Thesen zur US-Zollpolitik.

IMAGO / Christian Ohde

Schreckliche Sorgen machen sich deutsche Medien über die Zollpolitik von Donald Trump. Die Inflation in den USA könnte steigen, der Wohlstand schrumpfen. Das mag sein, aber möglicherweise steigt die Inflation im Euro-Raum noch stärker und schrumpft der Wohlstand noch schneller. Denn die Erfahrung der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die durch das Ende der Freihandelsphase der Vorkriegszeit geprägt war, zeigt deutlich: Kleine Wirtschaftsräume leiden unter Zöllen deutlich stärker als große.

Erstens. Zölle schaden Deutschland mehr als den USA

Die USA und das damals bestehende British Empire kamen vergleichsweise glimpflich durch diese Phase, während Deutschland wie Frankreich oder Italien unter den Handelsbeschränkungen litten. Einfach, weil ein rohstoffarmes Land wie Deutschland hohe Exporte braucht, um die notwendigen Importe finanzieren zu können. Die USA erstrecken sich über alle klimatischen Zonen, besitzen Vorkommen an allen wichtigen Rohstoffen und einen riesigen Binnenmarkt. Die USA brauchen so gesehen die Welt nicht, und wenn man Kanada wirtschaftlich als Teil der USA betrachtet, Mexiko als Kolonie und Mittelamerika als Bananenstaaten von Gnaden der USA, dann ist klar, wo der Hammer hängt: an den Zollgrenzen der USA.

Deutschland kann als Teil der EU heute einige Nachteile kompensieren; aber Bananen wachsen nur auf dem winzigen Teneriffa, und die Kohleflöze, die die industrielle Revolution befeuert haben in Großbritannien wie in Belgien, Frankreich und Deutschland, sind erschöpft, das Ruhrgebiet ist Energieimportland und längst nicht mehr das Kraftwerk Deutschlands. Das Spiel ist nicht fair, aber was ist schon fair auf dieser Welt? Trump hat die besseren Karten. Anders als beim Pokerspiel aber kann man den Spieltisch nicht verlassen. Wir sind dazu verdammt zu exportieren, damit wir Überlebensnotwendiges importieren können.

Zweitens. Deutschland muss erwachsen werden

Das Wirtschaftswunder Ludwig Erhards war nur möglich, weil die USA mit dem Marshallplan einen Anstoß zur Selbsthilfe lieferten, aber wichtiger noch: Importe aus Deutschland ermutigten. Der Käfer begann, anfangs belächelt, auf den US-Highways herumzukrabbeln. Der Hegemon USA konnte da lächelnd zuschauen, wie diese Entwicklungsländer aus Old Europe sich da ein paar Dollars verdienten und die Mobilität für US-Konsumenten verbilligten. US-Autos wurden nicht exportiert, sie wurden von Ford in Köln oder von Opel in Rüsselsheim gebaut; damals übrigens die größte europäische Automobilfabrik. Aber natürlich lieferten später auch die Japaner, dann die Koreaner, mittlerweile sogar die Vietnamesen Autos oder Industriewaren in die USA, neuerdings China. Der Hegemon wurde beliefert – auf Kredit. Eine tolle Sache ist so ein Kredit: Man kauft und kauft und kauft und bezahlt nicht. Bekanntlich geht das eine ganze Weile gut, vor allem, wenn man so reich ist, dass die Kreditgeber Schlange stehen. 

Drittens. Schulden sind eine blöde Sache

Aber mit Schulden ist das so eine dumme Sache, auch wenn Friedrich Merz auf Drängen der SPD und der Grünen das Gegenteil behauptet. Im Wahlkampf hatte er Recht mit seiner Überlegung, dass Schulden nur die Steuern von morgen sind. Die USA SIND eine Runde weiter. Ihr gigantisches Haushaltsdefizit, ihr Handelsbilanzdefizit (kaufe mehr, als du verkaufst) und die interne Verschuldung sind seit 30 (!) Jahren Thema. Jetzt will Trump mit rabiaten Methoden diese Sorte Schulden beenden.

Es soll mit Hilfe von Zollschranken mehr in den USA produziert werden; wenn das klappt, steigen Löhne und Einkommen und entsprechende Steuern, außerdem sinkt das Handelsbilanzdefizit und vielleicht sogar die interne Verschuldung der amerikanischen Konsumenten, wenn das Wachstum der Einkommen schneller steigt als die Inflation. Ein Ritt auf der ökonomischen Rasierklinge, da gibt es viel zu deuteln. Aber der Versuch ist nicht so grundverkehrt, wie Nationalökonömchen in Brüssel und Berlin und deren Schreiber meinen. 

Viertens. Schulden sind Schulden und kein Wumms

Und natürlich sind die Schäden für die bisherigen Lieferländer wie Deutschland eventuell verheerend. Aber Donald Trump denkt und handelt für die USA. Und im Sinne der eigenen Bevölkerung zu denken, ist deutschen Politikern abhanden gekommen, die ständig die Welt retten wollen und ihre „Heimat“, und ihr „Volk“, schon begrifflich für sie Hass-Wörter, eher als Gegenden betrachten, die sie für ihre moralisch höheren Ziele ausbeuten können wie früher tributpflichtige Ländereien oder später Kolonien. In diesen Kontext passt die Predigt von den guten Schulden, die Friedrich Merz mit seinen Verfassungstricks sich genehmigt hat.

Sie werden enden wie der Wumms und der Doppelwumms von Olaf Scholz: Als feuchter Staub. Bekanntlich genehmigt sich der öffentliche Dienst ja gerade mehr Urlaub bei 5,8 Prozent Tariflohnsteigerung. Der Staat verschuldet sich und reicht das Geld an seine Beschäftigten weiter. Gratulation, wenn Sie beim Staat beschäftigt sind, dumm, wenn Sie Steuerzahler bleiben müssen. Das erklärt vielleicht die Wut der Politiker aus Berlin und Brüssel auf Trump. Er führt sie vor. Wenn die jedenfalls so weitermachen, kann es sein, dass Deutsche um den Anschluss als amerikanischer Bundesstaat betteln. Es kann ja nur besser werden, statt in einer Republik zu leben, die ihre Kraftwerke in die Luft sprengt und das toll findet, denn Strom gibt es ja auch auf Kredit.

Fünftens. Kein Erinnerungsvermögen der politischen Klasse

Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Englisch Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) genannt, wurde seit 2013 verhandelt bis zur ersten Regierung Trump. Damals zur großen Erleichterung von SPD, Grünen und Linken. Es wäre heute die Rettung. Denn es sah den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen vor. Sigmar Gabriel als SPD-Vorsitzende hat als Verfechter (auch) darüber den Parteivorsitz aufgegeben. Denn Freihandel heißt nicht nur: keine Zölle.

Schwieriger sind unterschiedliche Standards, Normen, Vorgaben. Den Deutschen wurde eingeredet, sie müssten zukünftig chlorbehandelte Hähnchen (als Schutz vor Keimen) essen, wobei chlorbehandelter Salat (wegen Schutz vor Keimen) erlaubt ist. Ja, Freihandel nimmt Politikern die Möglichkeit, sich wichtig zu machen. Und die EU liebt Handelshemmnisse, wenn sie darüber entscheidet. Das berüchtigte Lieferkettengesetz ist ein ideales Beispiel. Es besagt nicht weniger und nicht mehr, als dass nur importiert werden darf, was nach EU-Norm hergestellt ist. Und zwar technisch wie sozial, also was Löhne und Arbeitsbedingungen betrifft. Schöne Sache. Schluss mit Importen. Aber natürlich ist es moralisch wertvoll, wenn die EU Einfuhrhemnisse schafft und so was von gemein, wenn Donald Trump Einfuhrhemnisse verfügt. Aber an TTIP und Lieferkettengesetz und Ähnliches erinnern sich die Mäusehirne nicht so gern. Trump bietet jetzt wohl an, dass Zölle gegenseitig abgeschafft werden sollten. Also die ganze Welt wird wieder eine Freihandelszone, wie einst vor 1914. Aber daran erinnern sich rotgrüne Politiker nicht gerne. Jetzt ist halt Trump der Böse. Und muss es bleiben. Alles andere sind Fake-News.

Sechstens. Geht die Verschuldenspolitik von Friedrich Merz auf?

Jetzt ist es ja so, dass die vielen schönen Kredite der USA den globalen Finanzmarkt befeuert haben. Geld verschwindet ja bekanntlich selten, es hat nur meistens ein anderer. Die USA haben die Welt mit Dollars überschwemmt, die Kreditwährung des Globus. Die könnte jetzt knapper werden.

Deutschland weitet seine Verschuldung aus. Wer soll die Bundesanleihen zeichnen? Kommt es zu einer weltweiten Kreditverknappung und steigenden Zinsen? Die Frage ist noch nicht beantwortet. Vermutlich überschwemmt die Europäische Zentralbank jetzt die Märkte mit Euros, „whatever it takes“, um Fritze Merzens gebrochene Wahlversprechen zu finanzieren. Gratulation. Dann steigt der Kurs des Dollars, der Euro sinkt, die Exporte in die USA werden wieder billiger (Gott sei’s gedankt), die Inflation findet nicht in den USA statt, sondern in Europa. Uuuups, so war das nicht gedacht. Oder doch? Inflation radiert die Staatsverschuldung aus, die Anleger bezahlen. Deutschlands Bürger werden damit doppelt belastet. Durch ständig steigende Steuern einschließlich der künstlich erhöhten Energiepreise, und durch Inflation. Da kann man nur sagen: Rette sein Geld, wer noch kann.

Siebtens. Noch ein Punkt für Trump und ein Fazit

Donald Trump kappt seine Schulden aber auch noch an einer anderen Stelle: Er reduziert Staatsausgaben mit der berühmten Kettensäge, importiert aus Argentinien. Toll, wie er überflüssige Behörden und globale Geldgeschenke stoppt. Rote, grüne und schwarze Politiker, alle derselben Couleur im Unverstand, wollen die Ausgaben der USA ersetzen. Für die WHO, für Gaza, für Afrika, für Syrien usw usf. Bürokratie wird nicht abgebaut, sondern ausgebaut. Die Staatsverschuldung klettert weiter. In Deutschland.

Nun ja. Vielleicht kann Trump nicht über das Wasser wandeln wie Jesus. Aber die Politiker in Berlin und Brüssel können weder über das Wasser wandeln noch schwimmen.

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Kommentare ( 79 )

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79 Comments
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Gregor6712
1 Monat her

Herrlich zu lesen. Danke!

Soistes
20 Tage her

Die Kohlenflöze Deutschlands sind keineswegs erschöpft. Sie wurden zuvorderst aus ökonomischen Gründen (der billigere Tagbau ist in Europa nirgendwo möglich) und dann auch aus politischen Gründen stillgelegt.

Lafevre
1 Monat her

Wenn ich Trump´s Zollformel korrekt verstanden habe, laufen die Zölle auf eine 50:50-Teilung von Gewinnen heraus, die andere Länder durch Handel mit den USA erzielen. Oder anders ausgedrückt: Länder, die Gewinn aus dem Handel mit den USA ziehen, geben die Hälfte davon in Form von Zoll an die USA ab. Schwachstelle des Konstruktes ist, dass Länder nicht gleich Unternehmen sind und Unternehmen unabhängig vom Staat hart getroffen werden können. Im Fall chinesischer Staatsunternehmen oder verstaatlichter bundesdeutscher Werften sollte das Konzept greifen. Ich persönlich meide den US Markt wegen zu geringer Rechtssicherheit. Ich bin nicht bereit, sechsstellige Enstschädigungssummen für einen verschütteten… Mehr

Last edited 1 Monat her by Lafevre
Dellson
1 Monat her

Die Mathematik ist keine Wissenschaft! Zahlen sind belegte Wahrheit! Politische Aussagen in Verbindung mit alternativlosen Entscheidungen, Zuschreibungen hingegen werden aus reinen induktiven, also je nach Quelle, ideologischen Meinungen gebildet und dann als unbestreitbar deklariert. Das funktioniert nur mit Wohlstandsverlusten. Wir werden sehen, wer am Schluß besser rechnen konnte. Trump hat viele Berater um sich. Er entscheidet nicht ideologisch, sondern nüchtern kaufmännisch. Das ist der Unterschied. Trump ist Dagobert Duck und Donald Deutschland!

Soistes
1 Monat her

Die Kohlenflöze des Ruhrgebiets sind nicht erledigt, sie werden bloß nicht mehr ausgebeutet um „das Klima“ zu schützen und weil der Untertageabbau zu teuer kommt.

Anglesachse
1 Monat her

Achja…an sich hab ich lediglich eine Frage:
Beim „Zollkrieg“ geht es um US-Importe an die EU, nämlich SUV,s, Harleys und Whiskey…
Warum erhebt die EU nicht Strafzölle auf,s LNG???

Dass wird bestimmt lustig!

Berlindiesel
1 Monat her

Roland Tichy ist in der Hochphase des internationalen Freihandels, der in den 1960er Jahren begann, großgeworden. Das spürt man an seinem Text, dass er am liebsten diese Zeit zurückhätte. Freihandel aber bedeutet eben nicht nur die Freiheit im Warenaustausch, sondern auch im Arbeitskräfteaustausch. Donald Trump hat nur etwas gegen BMW und Mercedes, solange sie in Stuttgart oder Dingolfing hergestellt werden und nicht in Spartanburg oder Tuscaloosa. Die deutschen Industriearbeiter haben bereits einen bitteren Preis für Globalisierung und Freihandel bezahlt, das begann schon vor über 40 Jahren. Freihandel hatte bisher immer zur Folge, dass einige davon mehr und andere davon weniger… Mehr

Last edited 1 Monat her by Berlindiesel
moorwald
1 Monat her
Antworten an  Berlindiesel

Freier Handel nützt immer dem wirtschaftlich Stärkeren

Boris G
1 Monat her

Danke, Herr Tichy, für diese Thesen gegen den Strich. Allerdings sind derart viele Variablen im ökonomischen Algorithmus, dass jede Prognose mit größten Unsicherheiten behaftet sein muss. Wollen die Amis es tatsächlich auf den großen Konflikt mit China ankommen lassen? Was wird dann aus all den amerikanischen Staatsanleihen, die die Chinesen halten? Was wenn der Ukraine-Krieg endet und auf einmal wieder billiges Gas aus Russland nach Deutschland strömt, die Russen wieder BMW, Mercedes und Miele-Küchen kaufen?

moorwald
1 Monat her

J.P. Morgan: „Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit.“
Das war vollkommen klar, als Währungen noch goldgedeckt waren und eine Eintauschpflicht der Banken bestand. Eine Banknote repräsentierte eine Forderung auf eine bestimmte Gewichtsmenge Gold.
Auch in reinen Papiergeldwährungen besteht ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis. Der Kunstgriff heißt „Gesetzliches Zahlungsmittel“.
Schuldner sind nun die Anbieter von Waren, Dienstleistungen usw. Sie sind verpflichtet, dem Kunden gegen seine Banknoten Eigentum zu überlassen.
Es begann die Epoche des „fiat money“ (vulgo „des „Gelddruckens“), die früher oder später erst zur Inflation und dann zum Zusammenbruch jeder Währung führt.

Braunkohle
1 Monat her

Und ich dachte unsere Politiker (BRD +EU) schwimmen nur.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Braunkohle

Ich hingegen denke, denen und damit uns steht das Wasser bis zum Hals.

DELO
1 Monat her

Aus dem Artikel geht eine gewisse Skepsis hervor, ob Trumps Weg zum Erfolg führt. Und das ist berechtigt. Ökonomisch ist Trumps Vorgehensweise sinnvoll, wie anders sonst kann sich Amerika vor Billigimporten aus Asien und der EU schützen. ABER: Das bedeutet eine zwischenzeitliche und gar nicht so kurze Lebensverteuerung, bis sich das eigene Land wieder aufgestellt hat. Und da stellt sich die Frage, ob das der amerikanische Bürger mitmacht. Trump wird also nicht umhinkommen, mit Binnenwirtschaftspaketen bis zur Sozialhilfe nachzusteuern. Letzteres ein Instrument also, daß den Amis nahezu weltfremd ist. Es bleibt spannend. In der EU wird oder bleibt dagegen nichts… Mehr