Trügerischer Euroschein

Die Italienisierung der Europäischen Zentralbank hat sich schon gelohnt: Die Euro-Krise verlängert ihren Weihnachtsurlaub bis Ostern.

So entspannt schien die Lage schon lange nicht mehr: Die Staatsschuldenkrise gebannt, der Euro stabil, der Dax auf Erholungskurs, Italien und Spanien konnten neue Anleihen gut verkaufen. Dieses Glück verdanken wir der Europäischen Zentralbank (EZB), die Mitte Dezember den Banken 489 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Die Summe entspricht der Wirtschaftsleistung, die die Schweiz und Ungarn zusammen jährlich erwirtschaften. Die Banken erhielten diese Milliardenspritze für drei Jahre und zum Schnäppchenpreis von einem Prozent. Wenig überraschend, dass sich seither die Zinsen der italienischen Staatsanleihen für diesen Zeitraum halbiert haben. Für die Banken ein Bombengeschäft: Geld für ein Prozent aufnehmen und für vier Prozent verleihen – da lockt um fünf Uhr gefahrlos der Golfplatz. Denn es kommt noch besser: Sie können die Staatsanleihen noch am selben Tag bei der EZB wieder einreichen und sich dafür erneut einen Schuss Cash überweisen lassen. Damit bleiben die Banken flüssig, und das Risiko eines Schuldenschnitts, also ein Haircut wie bei Griechenland, landet bei der EZB. Und damit ja nichts schiefgeht, haben Paris, Rom und Madrid Druck auf die Banken ausgeübt, damit diese garantiert die eigenen Anleihen kaufen und nicht in Dollar ausweichen. Auch das hat geklappt – kein Wunder, kämpfen doch die meisten Südbanken um ihr Überleben und sind auf Staatsknete angewiesen wie Junkies auf den nächsten Schuss.

Man muss dem neuen EZB-Chef Mario Draghi neidlos zugestehen: “Bella Figura” kann er. Denn ohne dass es die vor sich hin wulffenden deutschen Medien gemerkt haben, passiert jetzt, was die Bundesbank immer bekämpft hat, die Bundesregierung eigentlich ablehnt und weshalb Axel Weber und EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark die Brocken hingeschmissen haben: Die Staatsschulden werden über die Notenpresse finanziert. Jetzt zahlt sich für die mediterrane Politik aus, dass sie die stabilitätsorientierten Deutschen in der EZB entmachten konnten.

Natürlich verspricht die EZB, dass sie die so neu entstehende Geldmenge “sterilisiert”, um die drohende Inflation als Folge der Geldflut zu vermeiden. Für jede Milliarde, die sie so in den Geld- markt pumpt, lockt sie die Banken mit besonders hohen Zinsen, Geld auch wieder zurückzugeben und bei ihr anzulegen. Das Spiel “Milliarden für drei Jahre verleihen und für eine Woche zurückholen” klappt ganz gut. Weil die Nachfrage schwach ist, sinkt die Inflationsrate sogar. Nur Schwarzseher fürchten, dass sich das ändern könnte – dann würde die Inflation explodieren und die Sparer enteignen. Nur Pessimisten weisen darauf hin, dass die EZB schon die nächste Milliarden-Spritze vorbereitet. Der Süchtige braucht eine immer höhere Dosis.

Und Bilanzkenner sehen mit Sorge, dass normale Menschen, die bei dem Spiel zwischen Banken und Zentralbank nicht mitmachen können, ihr Geld lieber in Sicherheit bringen. Die Kapitalflucht aus Spanien und Italien schwillt an. Die armen Griechen eröffnen sogar Konten im benachbarten Albanien, bislang wahrlich das letzte Land der Welt in Sachen Solidität. Um die Fluchtmilliarden und die nach wie vor grotesken Import-Schulden der Südländer auszugleichen, musste die Deutsche Bundesbank diesen bislang etwa 500 Milliarden Euro im sogenannten Target-Saldo leihen – eine Art Kontokorrentkredit auf Nimmerwiedersehen zwischen den Notenbanken.

Offenkundig kann dies alles den ungehemmten Kredithunger der Südländer immer noch nicht stillen, und auch die angekündigten Wirtschaftsreformen werden nicht halten, was versprochen wurde. Wenn nun der italienische Regierungschef Mario Monti von Deutschland die Verdoppelung des Rettungsschirms auf eine Billion Euro und Zinshilfen direkt aus der Berliner Kasse fordert, dann heißt das: Auch er fürchtet, dass die Euro-Krise nach den italienischen Scheingeschäften quietschfidel aus dem Osterurlaub zurückkommen wird. Aus den beiden Super-Marios werden dann die Schulden-Marios.

(Erschienen auf Wiwo.de am 28.1.2012)

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