Neider und Esel

Ist es unanständig, sich zu gönnen, was einem gefällt? Heute schon – der gelenkte und ausgeplünderte Konsument ist das Ziel.

In der Konsumkritik gilt der Konsument als Schaf, das von der Werbung dahin getrieben wird, wo man es scheren kann. Es ist kein besonders positives Menschenbild. Weil er ja so dumm ist, der konsumierende Mensch, muss man ihn vor sich selbst schützen; das nennt man Verbraucherschutz. Die Politik verwandelt uns jetzt zum Esel, dem wenigstens eine gewisse Raffinesse nachgesagt wird. Dem Esel kann man draufpacken, so viel man will, ihn dafür prügeln und wenn er bockt, am Strick durch die Manege ziehen: Nach dieser Vorstellung ist der Mensch nicht nur dumm wie das Schaf, sondern auch noch stur und unendlich belastbar.

Den Menschen zum Esel macht derzeit die gängige Politik. Sie hat sich vorgenommen, den Konsumenten zu lenken, zu leiten und zu führen, weil er zwar Politiker wählen darf, aber nicht für sich selbst die richtige Wahl treffen kann. Beispiele gefällig? Wenn die neuen Energiesparlampen schon so überzeugend sparen, warum muss man dann eigentlich herkömmliche verbieten? Die Antwort ist klar, der Mensch verweigert sich eben stur einem Fortschritt, den andere für ihn erfinden und ihm aufzwingen. Den Fortschrittsfreunden gilt der Esel als dumm, weil er nicht mal das richtige Heu frisst. Angeblich essen wir zu viel Fleisch, weswegen wir zukünftig am Donnerstag zwangsweise nur Gemüse bekommen sollen – erzwungenermaßen völlig freiwillig. Angeblich kaufen die Verbraucher zu billig, weswegen Geflügel, Koteletts, Milch und Eier politisch verteuert werden sollen. Nun ist nichts dagegen einzuwenden, dass man ein teures Steak vom handgestreichelten Kobe-Rind statt eines billigen Koteletts in die Pfanne pfeffert – so es schmeckt und nicht der Geldbeutel vorher an Schwindsucht verreckt. Bei wem die Seele und das gute Gewissen mitessen, dem seien sein fair gehandelter Kaffee und die Bioeier gegönnt; ich trinke gerne bei Vollmond gezapftes Wasser. Aber der Trend zur Verteuerung und Beschränkung der Wahlmöglichkeiten ist schlicht undemokratisch. Für Ludwig Erhard war die freie Wahl des Konsumenten gleichrangig zum freien Unternehmertum; sogar ein unveräußerliches Menschenrecht sah er darin. Diese Grundhaltung galt, solange die Hühner in Käfigen gehalten wurden und die Menschen frei sein durften, was sich ja neuerdings umdreht. Leiten Neid auf Genuss, Konsum und Lebensfreude die Politik, ist Verzicht des Bürgers Tugend?

Um 30 Prozent werden die Mieten wegen der neuen Energiesparvorschriften im Neubau steigen. Auch beim Altbau rechnet sich die Dämmerei niemals. Zwang muss her, damit altehrwürdige Fassaden mit Styropor vernagelt werden. Unsere Dörfer sollen nun doch nicht mehr schöner werden. Mieter verarmen wegen explodierender Preise. Der Esel bricht unter der Last zusammen. Um im Tierreich zu bleiben: Die Politiker weinen Krokodilstränen angesichts steigender Mietpreise – zur Strompreisbremse muss nun auch noch die Mietpreisbremse her gegen Verteuerungen, die sie selbst verursacht haben. Es ist, als ob viele Politiker den Menschen gerade das nicht gönnen, wonach die sich sehnen: Reisen, Freiheit, Mobilität. Auf dem Benzin lasten 60 Prozent Steuern, Wolfgang Schäuble verdanken wir die Steuer auf Flugtickets. Der Bundestag ist übrigens das reisefreudigste Parlament der Welt, aber das steht auf diesem anderen Blatt, worauf Heinrich Heine vor knapp 200 Jahren geschrieben hat: “Sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser.” Und es stimmt ja: Für den Esel ist Wasser gut genug. Die Fernseh- und Rundfunkgebühren werden auf Mietautos, Kinderkrippen, Universitäten und, man glaubt es nicht, auf Blindenheime ausgedehnt. Die Bundesbahn muss wegen politisch erhöhter Strompreise ihre Fahrkarten verteuern; wenn dann die Konsumenten aufs Auto ausweichen, ist das der Ausweis ihrer ökologischen Unvernunft, der man mit noch höheren Steuern entgegentreten muss. Noch erlaubt ist das Fahrrad. Aber da wird ihnen schon noch eine Gebühr einfallen. Umsonst fährt kein Esel auf zwei Rädern.

(Erschienen auf Wiwo.de am 31.08.2013)

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