Ende der Weichspüler

Es wird härter in Job und Geschäft. Haben wir die richtigen Mitarbeiter und Werte – oder belügen wir uns beim Spielen im Streichelzoo?

Generation Y wird von Zeitgeist-Soziologen die Altersgruppe genannt, die jetzt in die Unternehmen drängt. Angeblich sind sie mehr an Work-Life-Balance interessiert als an harter Karriere, wollen aber dennoch schnell nach oben kommen. Verwöhnte Einzelkinder erwarten den maßgeschneiderten Arbeitsplatz, Selbstverwirklichung und Sabbatical schon mit dem Einstellungsvertrag.

Gleichzeitig drängt eine andere Gruppe Y nach vorn. Bei ihnen kommt der Buchstabe vom Nummernschild der Bundeswehrfahrzeuge, der Mannschaftslaster, Schützenpanzer und Leoparden. Y, spötteln sie, steht für “das Letzte von Deutschland”: Bei der Gründung der Bundeswehr 1955 waren alle anderen Buchstaben schon vergeben, nur das Y war noch frei. Heute steht der Buchstabe für eine Generation von jungen, desillusionierten Offizieren und Unteroffizieren, die infolge von Bundeswehrreform und stiller Implosion der Streitkräfte auf den Arbeitsmarkt drängen.

Sie haben in Afghanistan gelernt, wie gestanden, geschossen und gestorben wird. Sie gelten als stressresistent, entscheiden unter Druck eiskalt und führen ihre zusammengewürfelte Truppe. Sie sind loyale Kameraden – wie billig klingt da der von jedem 50-Cent-Coach beschworene Teamgeist. Sie sind auf ihre Weise “warfare chic”, kaufen sich vom Sold die schwarz verspiegelten Splitterschutzbrillen von Oakley anstelle des AOK-Gestells des Bundeswehrbeschaffungsamts, denn sie wollen genauso scharf aussehen wie die GIs der US Army. Sie haben größte Herausforderungen am eigenen Leib erlebt, während die anderen Ypsilons eine Büchse Red Bull vor dem Flachbildschirm schon für gewagt halten. Es sind mittlerweile viele Frauen in der Macho-Truppe. Allerdings sehen diese Damen nicht aus wie die nette Kinderärztin, die uns die offizielle Bundeswehr-Reklame zeigt: Sie sind auch – Soldaten.

Heimgekehrt stoßen sie auf eine Welt, die, sozial saturiert, das Böse verdrängt und grausige Notwendigkeiten gerne leugnet, sich in Illusionen kreditfinanziert eingerichtet hat. Da passen solche Heimkehrer nur bedingt rein: eine Welt, in der klammheimliche Quoten längst Qualifikationen ersetzen und in der sie für ihren Dienst, den sie längst selbst nicht mehr verstehen und den ihnen auch kein Politiker erklärt, auch noch verachtet werden. Fast alle Offiziere, die im Bundesverteidigungsministerium im Bendlerblock arbeiten, hängen nach Dienstschluss die Uniform in den Bürospind und stehlen sich in Zivilklamotten heim. Denn sie wollen in der Berliner U-Bahn nicht bespuckt werden. Im Zivilleben konkurrieren die so an den Pranger gestellten mit den geklonten Manager-Posern aus den Business Schools.

Brauchen wir Offiziere in den Unternehmen? Man kann einiges von ihnen lernen. Etwa, dass man zwar ein umfassendes Lagebild braucht, aber am Ende doch allein entscheiden muss und die Konsequenzen zu tragen hat. Das ist zwar eine Selbstverständlichkeit, aber sie wird zu gerne zerredet, und zwar lange. Manchmal sind ja unsere Businessmeetings eher Therapiestunden an der Grenze zwischen Freiheitsberaubung und Geiselnahme. Es sind ganz praktische und einleuchtende Tugenden – Ziele klar benennen und Aufgaben exakt strukturieren. Das stößt sich an der so hoch gelobten Kreativität, Motivation und kuscheligem Betriebsklima.

Wir reden viel über Motivation. Am Ende aber diktiert doch die schiere Notwendigkeit das Vorgehen und nicht Befindlichkeiten. Ein Unternehmen ist kein Ponyhof. Das reale Leben in den Unternehmen und die öffentliche Vorstellung darüber fallen weit auseinander. Der Kapitalismus gilt als Auslaufmodell, die Unternehmen aber, die er hervorgebracht hat, sind von ihren Arbeitnehmern dagegen meist hoch geschätzt. Und auch die jüngere Generation Y der Jetzt-Anfänger ist nicht so weltfremd, wie sie oft dargestellt wird, sondern leistungsbereit und karriereorientiert – ganz egal, welche arbeitsfernen Glücksformeln ihnen der Zeitgeist auch einflüstert. Sie müssen es nur noch lernen.

(Erschienen auf Wiwo.de am 29.06.2013)

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