Die Vereine der Fußball-Bundesliga müssen künftig für Polizeieinsätze bei besonders gefährdeten Spielen extra zahlen. Auf den ersten Blick mag das vernünftig klingen. Bei näherem Hinsehen ist es der Einstieg in die komplette Merkantilisierung unserer Sicherheit.

Nicht immer erkennt man auf den ersten Blick, was Richter mit ihren Urteilen im Wortsinn so alles anrichten. Manchmal wird das erst durch ein paar Gedankenspiele richtig klar.
Stellen Sie sich bitte kurz vor, lieber Leser, Sie hätten sich eine kleine Eigentumswohnung gekauft – vor vielen Jahren, als das noch ging, ohne dass man sich dafür lebenslang ruinieren musste. Die Immobilie in einer gepflegten Wohnanlage mit einer fähigen Hausverwaltung haben Sie vermietet, als Ihre ganz private Altersvorsorge.
Die Gegend ist beliebt und wird immer beliebter. Das zieht, leider, auch düstere Gestalten an: Es gibt immer mehr Wohnungseinbrüche in Ihrer Anlage. Die Hausverwaltung hat deshalb schon bei der Polizei angefragt, ob angesichts der sprunghaft steigenden Kriminalität nicht ab und zu ein paar Streifen extra patrouillieren könnten, um die stetig wachsende Schar von Einbrechern zumindest ein bisschen abzuschrecken.
Klar, machen wir, sagt die Polizei. Immerhin ist die Wohnanlage mit der Zeit tatsächlich zu einem Hotspot für Einbrüche geworden. Also fahren jetzt jede Woche ein paar Polizeiautos mehr als bisher um den Block.
So weit, so gut.
Doch dann bekommen alle Wohnungseigentümer der Anlage plötzlich eine Rechnung: von der Polizei. Für Personal- und Sachausgaben. Genauer: für die Streifenwagen und für die Beamten, die bei ihnen wegen der erhöhten Kriminalitätsgefahr patrouillieren.
Das kann doch gar nicht sein, denken Sie? Falsch gedacht. Denn unser geliebtes Bundesverfassungsgericht hat in seiner unendlichen Weisheit solchen Vorgängen, die jeder Normalbürger bisher zurecht für ziemlich abwegig hielt, Tür und Tor geöffnet.
Und das kam so:
Der 1. März 2014 war ein Samstag. Fußball-Tag. In der Bundesliga empfing Werder Bremen den Hamburger SV zum heißen Nordderby. Das Spiel selbst ist für uns ausnahmsweise einmal uninteressant. Interessant ist, dass die Fan-Gruppen beider Klubs einander in herzlicher Abneigung verbunden sind.
Das weiß auch die Polizei seit vielen Jahren. So kam es zwar zu den erwarteten Ausschreitungen kleiner Gruppen von gewaltbereiten Hooligans, aber die Einsatzkräfte waren gut vorbereitet und von Anfang an zahlreich zur Stelle.
Das sind sie oft. Die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ (ZIS) vermerkt in ihrem aktuellen Jahresbericht, dass die 993 Spiele der drei deutschen Profi-Ligen in der vergangenen Saison bei der Polizei über zwei Millionen Arbeitsstunden verursacht haben. Allein die 662 Spiele der Ersten und Zweiten Bundesliga kosten den Steuerzahler nach ARD-Angaben etwa 140 Millionen Euro pro Saison
Aber das ist nichts Neues.
Sehr neu war dagegen der Umstand, dass der Stadtstaat Bremen dem Veranstalter des Bundesligaspiels, der Deutschen Fußball-Liga DFL, für den Polizeieinsatz eine saftige Rechnung schickte: 425.000.- Euro. Das wollte die DFL nicht bezahlen und klagte sich durch die Instanzen. Beim letztmöglichen Versuch hat sie jetzt auch vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe verloren.
Viele Sport-Hasser und Gegner des kommerzialisierten Profi-Fußballs werden jetzt mit den Achseln zucken: Ja, und? Die Bundesliga hat schließlich Geld genug. Dann sollen die halt auch für ihre dämlichen Ultras mit der unzureichenden Impulskontrolle blechen.
Die Reaktion ist verständlich. Und falsch. Denn das Urteil ist fatal für uns alle.
Bitte, missverstehen Sie mich nicht: Mit der Gelddruckmaschine Bundesliga, vertreten durch die DFL, habe ich genau null Mitleid. Diese Abneigung wird noch verstärkt durch Leute wie den grünen Ex-Vorsitzenden Omid Nouripour. Der Mann ohne Studienabschluss, ohne Berufsausbildung und ohne Berufserfahrung außerhalb der Politik wurde bekanntlich von Robert „The Knife“ Habeck als Parteichef weggesäbelt. Jetzt nennt er sich „Nachhaltigkeitsberater“ von Eintracht Frankfurt.
Nouripour klagt bei der ARD in bewegenden Worten, dass die Vereine ja gezwungen seien, zusätzliche Kosten (wie die von Polizeieinsätzen) über höhere Eintrittspreise an die Zuschauer weiterzugeben. „Das macht das Stadion nicht besser, familienfreundlicher und sozialer.“ Das ist nun so ziemlich das letzte Argument, mit dem man sich anfreunden kann. Ja, sollen wir den bekannt selbstlosen Bundesligisten vielleicht auch noch die Steuern erlassen, um die Tickets billiger zu machen?
Man hat selten so einen Quatsch gehört.
Dabei gibt es andere, sehr gewichtige Argumente – doch die lässt Nouripour aus nicht nachvollziehbaren Gründen links liegen. Zum Beispiel dieses:
Die Polizeieinsätze am Rande von Fußballspielen finden nur selten direkt im Stadion statt. Darauf macht zurecht der Jurist Gerrit Müller-Eiselt aufmerksam. In weitaus mehr Fällen handelt es sich um eine sogenannte „Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum“: auf Bahnhöfen und in Fußgängerzonen – und das nicht selten viele Stunden vor oder nach einem Spiel. Man kann trefflich darüber streiten, inwieweit das, was selbsternannte „Fans“ da veranstalten, überhaupt noch mit dem Fußball zu tun hat.
Unabhängige Fan-Experten und Gewaltforscher weisen auch schon ewig lange darauf hin, dass Fan-Gewalt bei Fußballspielen nicht WEGEN der Fußballspiele (oder durch sie) entsteht. Die Partien sind meist nur ein – im Zweifel beliebig austauschbarer – Anlass für eine bestimmte Menschengruppe, die Randale machen will.
Oder anders: Ausschreitungen von Hooligans gibt es auch dann, wenn gar kein Spiel stattfindet. Warum, mit Verlaub, sollen Fußballvereine dafür zahlen, dass ein paar Bekloppte sich prügeln wollen? Doch das Verursacher-Prinzip, bisher eine Säule unseres Rechtsstaats, wird hier vom BVerfG mit einem Federstrich weggewischt:
„Die Verfassung verlangt auch nicht, Polizeikosten nur Störerinnen und Störern oder solchen Personen aufzuerlegen, die (…) sich rechtswidrig verhalten.“
Die Karlsruher Richter geben der Polizei hier eine Art Blanko-Vollmacht, Gebühren einfach dort einzutreiben, wo immer man sie halt eintreiben kann. Schuld oder auch nur Mitverantwortung ist dabei gar nicht nötig.
Das ist für sich schon befremdlich genug. Die Falle dahinter ist es noch viel mehr: Nur, weil sie es sich leisten können, dürfen wir den Fußballvereinen trotzdem nichts zumuten, was jedes andere Unternehmen und erst recht jeder Bürger empört zurückweisen würde.
Und Extra-Gebühren für Polizeieinsätze gehören dazu.
Man sollte nicht vergessen: Sowohl die Unternehmen (in unserem Fall die gewinnorientierten Bundesligavereine) als auch sämtliche beteiligten Bürger haben die Polizei schon einmal bezahlt – mit ihren Steuern. Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist eine, wenn nicht sogar die zentrale Staatsaufgabe. Wenn der Staat seine in Deutschland in Rekordhöhe sprudelnden Steuereinnahmen nicht dafür ausgibt, wofür dann?
An diesem Punkt offenbart das BVerfG unter seinem immer dubioseren Präsidenten Stephan Harbarth ein äußerst irritierendes Staatsverständnis. Die Richter schreiben in ihr taufrisches Urteil (1 BvR 548/22):
„Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist.“
Eine Einschränkung, irgendeine, macht das höchste deutsche Gericht hier nicht. Das heißt: Für polizeiliche „Dienstleistungen“ darf der Staat neben den Steuern noch zusätzliche Gebühren verlangen.
Nun geht es im vorliegenden Fall erst einmal „nur“ um gewinnorientierte Unternehmen: die Bundesliga-Vereine, vertreten durch die DFL. Doch schon hier öffnet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die sprichwörtliche Büchse der Pandora:
Denn was ist mit anderen Veranstaltungen, die von gewinnorientierten Trägern bewirtschaftet werden?
Was ist mit dem Oktoberfest, das auf seinem Gelände sogar eine eigene Polizeiwache vorhält? Was ist mit dem Karneval in Köln auf von Brauhäusern gepachtetem Straßenland? Was ist mit Pop-Konzerten? Was ist mit den Sicherheitsvorkehrungen für unsere – fast immer in privater Trägerschaft durchgeführten – Weihnachtsmärkte?
Pikanterweise überlassen die Karlsruher Richter der Polizei in dem ganzen Vorgang auch noch die absolute Hoheit über die Preisgestaltung. Heißt: Die Polizei darf künftig Gebühren für besonderen Schutz verlangen – und sie darf diese Gebühren bequemerweise auch gleich selbst festlegen. Die Polizei könnte künftig für ihre „Dienste“ also die Registrierkasse anwerfen – und auch noch den Tarif selbst bestimmen. Man muss kein bisschen böswillig sein, um da verblüffende Ähnlichkeiten mit dem Prinzip der Schutzgeldzahlungen zu entdecken.
Man kann ja nie wissen, ob die in Karlsruhe das absichtlich machen oder ob sie gerade das falsche Zeug rauchen. So oder so – die Aussicht auf ein Land, in dem die Polizei demnächst nach jedem Einsatz fragt, ob man bar oder mit Karte zahlen will:
Die Aussicht ist wenig verlockend.
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Ja.
Und wer demnächst dann bei einem Unfall die Polizei ruft, „darf“ dafür eine Gebührenrechnung erwarten.
Dieser Staat und vor allem seine Justiz ist durch und durch marode.
Das Urteil ist ein Skandal. Die DFL und ihre Vereine zahlen ziemlich sicher ziemlich viele Steuern und davon ist die Polizei eigentlich schon mit abgegolten!
Ich dachte immer, dass der Staat durch den Ticketverkauf und die verkauften Getränke, Würstchen usw. an diesen Veranstaltungen richtig Geld durch die Mehrwertsteuereinnahmen verdient und das der Schutz der Bevölkerung auf deutschen Boden der staatlichen Hoheit (Polizei) unterliegt. Sollte es zukünftig bei diesen Veranstaltungen zu Ausschreitungen kommen aus denen Tote und Verletzte hervorgehen, wer übernimmt dann die Verantwortung? Muss der Fußballverein dann die Opferentschädigungen leisten? Muss man sich dem staatlichen Polizeibeamtenapparat bedienen, oder werden hier zukünftig polizeiähnliche Firmen aus dem Boden schießen, die die Events sichern? Tja, so ist er der deutsch Staat den Leuten immer mehr abzwacken und immer… Mehr
Warum bezahlen Politiker nichts für ihren Polizeischutz? Die haben ja schliesslich mit ihrer bürgerfremden Politik das Milieu geschaffen, welches ihnen auf den Pelz rücken will.
Zumal die reale Gefährdung eines „Politikers“ gegen Null geht – geschuldet ist das einem ganz kleinen Ego, kleinbürgerlicher Selbstdarstellungs- und Geltungssucht und des in den Defiziten der Persönlichkeit und der Qualifikation wurzelnden Renommiergehabes von Dutzendmenschen mit der einzigen Referenz des Parteibuches. Denn welcher Täter, der die Gesellschaft in krimineller Absicht zu schädigen entschlossen ist, suchte sich ausgerechnet einen „Politiker“ als Ziel seines Tuns aus ? Doch hat man den erfreulichen Eindruck, daß mit Trump 2nd term ab Montag die Abwicklung dieser Nulleister- und Abgreifer-Kaste eingeläutet wird – offenbar werden die nicht mehr gebraucht. Der unsägliche Trudeau in CAN hat mit… Mehr
Die Ultras sind das Ergebnis gescheiterter Bildungspolitik. In diesem Sinne müssten also ganz andere blechen. Im Übrigen kassiert sich der Fiskus bei den Gehältern der Fußballprofis schon jetzt dumm und dämlich, kriegt aber anscheinend den Hals nicht voll.
Zitat: „Denn unser geliebtes Bundesverfassungsgericht hat in seiner unendlichen Weisheit solchen Vorgängen, die jeder Normalbürger bisher zurecht für ziemlich abwegig hielt, Tür und Tor geöffnet.“ > Na, diesen gerichtlichen Irrsinn haben Sie aber sehr human und nett formuliert. So wie im Artikel beschrieben, sehe auch ich dieses „Urteil“ als falsch und kritisch. Denn was kommt als nächstet wo dann für die Sicherheit durch den Staat/die Polizei oder für irgendeiner sonstigen Tätigkeit der Polizei gezahlt werden soll?? Und wofür bezahlt der Bürger eigentlich noch Steuern wenn die staatlichen Aufgaben immer mehr eingeschränkt oder ausgesondert werden – egal ob nun z.Bsp. die… Mehr
Wenn dieses Urteil Bestand hat, dann sehe ich schwarz (oder doch eher rot/grün) für unsere Demokratie. Ja, die Fußballclubs oder besser die DFL hat vermutlich genügend Geld, um sich an den Kosten zu beteiligen. Aber wenn man hier eine Kostenbeteiligung verlangt, frage ich mich, wo fängt das an und wo hört das auf. Was ist mit gewalttätigen Demos? Wer soll denn da bezahlen? Diejenigen, die zur Demo aufgerufen haben (z. B. Parteien, Gewerkschaften, Kirchen usw.) und ihnen das gewalttätige Klientel aus dem Ruder gelaufen ist, oder die Gruppierung oder Partei, die die „Ursache“ für diese Demo gesetzt hat, in dem… Mehr
Ich stimme dem Autor zu 100% zu. Viele scheinen die Folgewirkungen eines solch unsinnigen Urteils nicht zu erfassen. Ich denke da mal einen Schritt weiter: Wie lange dauert es, bis man der AfD die Kosten für Polizeischutz bei Parteitagen in Rechnung stellt? Siehe aktuell die Vorfälle rund um den Parteitag in Riesa.
Einfach die Linken Hetzer 4 Wochen vorher wegsperren und Internet entziehen … dann ist Ruhe !
Da fällt mir gleich noch ein Bespiel ein, das eine Stoßrichtung des Urteils beschreiben könnte:
2000 Polizisten mussten den Parteitag in Riesa beschützen. War bestimmt teuer, oder? Würde die Partei sicherlich ruinieren, wenn sie die Kosten tragen müsste, oder?
Umfrage beim Kicker.
70% sind für Kostenbeteiligung.