Russische Angstmacher und ihre Helfer

Die Angst vor einem Atomwaffeneinsatz der Russen wird bewusst geschürt und ist nicht rational. Angst wird als Mittel der psychologischen Kriegsführung immer wieder erzeugt und instrumentalisiert. Aktuell ist das der Fall.

IMAGO / SNA
Russlands Präsident Wladimir Putin, 27.04.2022

Wieder warnen Künstler und Intellektuelle vor einem russischen Atomschlag. Insgesamt 28 prominente Erstunterzeichner haben sich in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt. Unter anderem Alice Schwarzer und Dieter Nuhr fordern, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. „Ein russischer Gegenschlag könnte sodann den Beistandsfall nach dem Nato-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen.“

Aus Angst vor einem Atomschlag sprechen sie sogar der Ukraine das Recht ab, sich zu verteidigen, denn dies würde Putin „sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern“. Das bedeutet: totale Kapitulation der Ukraine und dann aller anderen Staaten, denen Russland mit Atomwaffen droht. Rechtfertigt Angst diese bedingungslose Unterwerfung?

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Angst gehört zu den gefährlichsten Feinden des Menschen. Wer Angst hat, verliert seine Fähigkeit zum rationalen Denken. Diffuse Stimmungen bestimmen sein Handeln. Phasen völliger Verzweiflung bis hin zum Selbstmord gehören zu den schwersten Krisen, mit denen Psychiater und Psychologen, und immer auch noch Seelsorger zu tun haben. Spöttisch nennt man das in Medizinerkreisen: „Todesursache ist Suizid aus Angst vor dem Sterben!“ Das Schlimmste an der Angst ist, dass die Betroffenen die Ursachen nicht klar benennen können. Die Angst und die Angst vor der Angst erzeugen einen enormen Leidensdruck. Erfassen solche Ängste erst einmal größere Bevölkerungsgruppen, drohen der Verlust von Selbstkontrolle und der Balance in einer demokratischen Gesellschaft.

Deutlich unterscheiden die Fachleute zwischen Angst und Furcht. Sich vor etwas zu fürchten, beispielsweise vor einer Ansteckung bei aufkommendem Seuchengeschehen, ist vollständig normal. Furcht ist für den Menschen eine überlebensnotwendige Eigenschaft, die sich aber gerade durch ihre Rationalität von der Angst unterscheidet. Die Welt wäre aber nicht, wie sie ist, wenn nicht die Angst als Mittel der psychologischen Kriegsführung immer wieder erzeugt und instrumentalisiert wird. Aktuell ist das genau wieder der Fall.

Atomwaffen sind Friedenswaffen!

Mit dem bewussten Schüren vor einem russischen Atomschlag soll die Öffentlichkeit im Westen verunsichert und in einen Zweifel an ihren eigenen Regierungen getrieben werden, mit dem Ziel, den Westen zu schwächen und seine Partner auseinanderzutreiben. Dies gelingt immer dann besonders gut, wenn bestimmte Kräfte im Zielgebiet der Angstpropaganda das Spiel mit der Angst mitbetreiben. In Deutschland sind das besonders die SED (die sich zurzeit Linkspartei nennt) auf der linken Seite des Spektrums und die AfD auf Seiten der Rechten.

Einseitigkeit macht unglaubwürdig
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Hinzu kommen diverse Hilfsorganisationen und Vereine, die zum Teil den Verfassungsschutzbehörden aus den Zeiten der „Friedensbewegung“ im Kampf gegen den Nato-Doppelbeschluss der frühen 1980er Jahre bekannt sind. Die Angst vor einem möglichen Einsatz von Atomwaffen soll die wehrhaften Demokratien lähmen, um die eigenen politischen Ziele zu erreichen. All diese Kräfte, ob links oder rechts, wollen das freiheitliche System auch in der Bundesrepublik durch demokratiefremde Modelle ablösen.

Die Angst ist nur ein perfides Vehikel auf diesem Weg. Perfide besonders deshalb, weil man weiß, dass einzig die Möglichkeit der gegenseitigen Vernichtung den globalen Showdown in den vergangenen fast 70 Jahren verhindert hat. Ohne die Gewissheit, dass wer die absolute Vernichtungsbombe als erster einsetzt, stirbt als zweiter, wäre Europa längst aufgrund der vielen Konflikte der Nachkriegszeit in konventionellen Kriegen mit ebenfalls Millionen Toten bei gleichzeitiger angenommener Möglichkeit eines Sieges, versunken.

Man mag jetzt lange über die Vernunft des Menschengeschlechts nachdenken, das offensichtlich Kriege nur unter der Gewissheit der Selbstvernichtung vermeiden kann, aber es ist offensichtlich einfach so – kurzum: Atomwaffen sind Friedenswaffen! Eigentlich verrückt? Wahr ist indes auch, dass Putin nach seinem Selbstverständnis nicht verlieren kann. Als Äußerstes bliebe dem Kreml-Zaren nur, die Ukraine durch den massiven Einsatz von Chemiewaffen in die Knie zu zwingen. Außer westlichen Protesten würden weitere Schritte über die bisherigen hinaus nicht unternommen.

Wirklich verwundern kann einen nur, dass der sich immer so abwägend und vernünftig gebende Bundeskanzler Scholz (SPD) in den Chor der Angstmacher einstimmt. US-Präsident Biden hat dies – freilich ohne Namensnennung – als überflüssig und wenig hilfreich kritisiert.

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Kommentare ( 305 )

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Ante
1 Jahr her

BRD ist ein Angstvolk. Angst vor dem Abstieg. Merkel war Medizin. Wohlstand gesichert. Jetzt Olaf Merkel, die neue Angela. Gleicher Inhalt, neues Preisschild. Angstvolk dasselbe. Atomkriegdrohung, Volksangst wird zur Epidemie. Angst beflügelt den Angreifer. Schon mal nachgedacht? Angst darf man haben aber nie zeigen. Wer sie zeigt, hat schon verloren. PuZin hat Angst ohne Ende, hat die Hosen voll. Er zeigt aber keine Angst. Lernt man beim KGB. Könnt ihr was lernen!

Konservativer2
1 Jahr her
Antworten an  Ante

Ich sage immer zu allen, die sich in den Bürgerkrieg in einer ehemaligen Sowjetrepublik massiv einmischen wollen, dass ich ihnen im Schützengraben gerne den Vortritt lasse.

Darüber hinaus ist die Ukraine weder in der NATO noch in der EU.

Außerdem sollte ein Staat wie die Bundesrepublik, der keine eigene Verteidigungsfähigkeit besitzt, sich zweimal überlegen, wem er ans Schienbein tritt. Ich halte übrigens keine Lieferungen von „schweren Waffen“ an die Ukraine gerechtfertigt. Und von der Rolle der USA – erst die ganze Chose anheizen, dann den großen Bruder spielen – fange ich mal gar nicht erst an.

Physis
1 Jahr her

Ich muss zugeben, dass ich auf T.E. noch keinen Kommentar gelesen habe, der an einem gewissen Schwachsinn erinnert! Lieber Herr Gafron. Atomwaffen sind ausdrücklich nicht „kriegsfähig“, so viel schonmal zu Ihrer Einlassung dazu, ob man überhaupt Angst haben darf. Dann aber noch dieser Satz: Angst gehört zu den gefährlichsten Feinden des Menschen Also ich bitte Sie! Hatten Sie jemals Angst? Wenn nicht, dann beenden Sie bitte diesen Krieg, indem Sie SELBER zur Waffe greifen und sich von der Chreschtschatyk (Strasse in Kiew) aus dem Angreifer entgegen werfen! Kann sein, dass ich Ihrem Rosssprung erlegen bin, aber dann erklären Sie mir… Mehr

Ante
1 Jahr her

Die Ukraine braucht Feldartillerie (PH2000, Caesars, Howitzer), Heeresflugabwehr (Gepard), tausende Antipanzerrichtminen, Antipanzerlenkwaffen, tausende Drohnen zur Frontaufklärung und zur aktiven Kampfunterstützung, Lenkraketen gegen Schiffe und gute Infanteriehandwaffen für mittlere Distanzen. Kampfpanzer und gepanzerte Transporter (Marder) sind goldwert und sollten in großen Mengen geliefert werden. Dazu gut geschultes Personal. Der Krieg wird Jahre dauern und der Russe wird noch bereuen, diesen Krieg gebonnen zu haben. Bislang hat die Ukraine vieles richtig gemacht. Mit einer Ausnahme: Der Fall Chersons war ein Fanal. Die Verantwortlichen gehören vor das Kriegsgericht und werden dort auch landen. Keine ukrainische Stadt war einfacher zu verteidigen wie Cherson. Diese… Mehr

Leander
1 Jahr her

Der Appell dieser „Kulturschaffenden“ ist nichts weiter, als der Ausdruck der in Westeuropa fortschreitenden gefühligen und scheinheiligen Prinzipenlosigkeit, der Gipfel der Wohlstandsdegeneration. Selbstverständlich würden sie auf einer blaugelb dekorierten Bühne ihre Solidarität mit der Ukraine verkünden. Aber mehr? Igitt, da könnte ja der eigene Pelz nass werden.

Alf
1 Jahr her

Deutschland liefert bislang keine schweren Waffen.
Deutschland hat auch nichts, was es liefern kann, kann sich nicht mal selbst verteidigen.
z.B.

Deutschland will Flakpanzer an die Ukraine schicken, hat aber zu wenig Munition dafür.

Der „Gepard“-Hersteller KMW hat aktuell nur rund 23 000 Schuss Munition zur Flugabwehr im Vorrat. Die beiden schweren Hauptwaffen dieses Panzers brauchen aber pro Minute rund 1100 Schuss.

https://www.tagesspiegel.de/politik/munitionsbeschaffung-zaehne-fuer-geparden/28283854.html
Die ganze Diskussion ist überflüssig.
Und Scholz ist nicht in der Lage, dies auszusprechen.

Ante
1 Jahr her

Putin hat das Angstgerede seit 2014 eingepreist. Er kennt die Befindlichkeiten der BRD-Eliten genau, kennt die pazifistische Grundüberzeugung weiter Kreise der BRD-Gesellschaft und verlacht und verachtet diesen dekandenten abgeschmackten und wehrlosen Westen. Deshalb hat er leichtes Spiel. Der Westen sollte aufwachen und dringend seine Hausaufgaben machen. Bis 2030 ist dafür Zeit. Danach muss die Bundeswehr wieder eine Armee sein. Und alle Verbündeten müssen das auch sein. Die Nato muss atomar und konventionell einsatzbereit sein, sowohl gegen China als auch gegen Russland. Es darf niemanden geben, der uns nicht fürchtet. Nur dann wird ein Regime wie Russland wieder Respekt haben. Stalin… Mehr

abel
1 Jahr her
Antworten an  Ante

Das wir gerade jetzt so wehrlos sind haben wir unseren Freunden im Westen zu verdanken. Deutschland sollte nie wieder gleichzeitig wirtschaftlich und militärisch stark sein. UK und Frankreich haben gut reden, denn die können den Russen eine Antwort schicken. Unser Schutz war auch mit den Russen zu kuscheln. Die Idee Russland in Europa einzubinden war nicht ganz dumm gewesen und es gab auch ein Zeitfenster dafür. Das wurde aber leider vom Westen verschlafen.

Ante
1 Jahr her
Antworten an  abel

Ein Regime, das Krieg und Gewalt säht, kann niemals in die europäische Friedensordnung eingebunden sein. UK und Frankreich sind heute Freunde und Verbündete. Russland ist der Feind der freien Welt, unser Feind. Viele BRD-Menschen fürchten diese Klarheit, aber genauso ist es. Solange das Putin-Regime existiert, wird es keine normalen Bezihungen mit Russland geben. Leider besteht die Befürchtung, dass auch ein Nachfolger Putins auf dem Kriegskurs bleibt. Dann ist Russlands europäischer Weg zuende. Russland passt besser zu Asien, allen voran zu China und Nordkorea. Russen haben sich für Krieg und Gewalt entschieden. So sei es.

Ante
1 Jahr her

Putin ist deswegen so frech, weil wir so schwach gemacht wurden. Es ist dringend an der Zeit, diese BRD zu ändern. Nur wenige Länder stellen so gute Wehrtechnik her, wie unser Land. Es ist eine Schande, dass dieses Land keine Armee mehr hat, die diesen Namen verdient, trotz eines Wehretats von 54 Milliarden Euro pro Jahr. Was macht das Verteidigungsministerium nur mit dem vielen Geld, verlogene Berater bezahlen, Lobbyisten, Korruption? Wofür wird das viele Geld nur ausgegeben, Gendertoiletten?

abel
1 Jahr her

Wir sind Verteidigungstechnik blank, besitzen kaum Schutzbunker (jedenfalls keine für OttoNormalverbraucher), unser Probealarmtag ging letztes Jahr voll in die Hose, selbst das THW wurde geschrumpft und da soll man keine Furcht (German Angst) bekommen.

abel
1 Jahr her

Da wir keine eigenen Atombomben haben spreche ich mich voll gegen Waffenlieferungen schwerer Waffen für die Ukraine aus. Ich vertraue da den Amerikanern nicht wenn in Deutschland ein oder zwei (kleine) Atombomben hier ankommen. Es ist einfach viel zu Verlockend für Amerika den Krieg in Europa zu abzuhalten. Wenn das Geschäftsmodell der USA in diesem Krieg in sich zusammenfällt wird ganz schnell Frieden geschlossen nur hat dann Deutschland nichts mehr davon. Gerne liefere ich auch schwere Waffen in die Ukraine wenn Russland sich sicher sein könnte einen netten Gegengruß aus Germany zu erhalten.

Private Constructor
1 Jahr her

Also wahrscheinlich Gaskrieg statt Atomkrieg, falls Putin die konventionellen Waffen nicht weiterbringen in der vorgeblichen Verteidigung zweier Provinzen, die er als unabhängige Republiken anerkannt haben will und auf deren Territorium er die Ukrainer des Angriffs bezichtigt. So sagte er es gegenüber UN-Sprecher Guterres vor einer Woche. Auch die Ukraine – Situation ist eine Offenbarung des Systems, wenn es so wäre, wie es im Artikel beschrieben ist. Eine nukleare Bedrohung sei unrealistisch, dementsprechend war das Ost-West-Vernichtungs-Szenario seit 70 Jahren auch nur eine Art die Welt in 2 Teile aufzuteilen, ohne sie militärisch tatsächlich zu kontrollieren, wozu auch Stalin nicht Nein sagen… Mehr

abel
1 Jahr her
Antworten an  Private Constructor

Mir wäre auch lieber das uns Putin erst einmal das Gas abstellt. Dann kommen vielleicht einige der Kriegstreiber zur Vernunft. Dann ist nämlich Krieg auf der Strasse hier wenn unsere Wirtschaft komplett abschmiert.

F. Hoffmann
1 Jahr her
Antworten an  Private Constructor

„Zum Nachteil Europas, das einen natürlichen Handelspartner verlor, und einen neuen, die USA, aufgezwungen bekam“. Diesen sich gerne „aufzwingen“ ließ und damit besser gefahren ist als die Ostblockstaaten mit dem „natürlichen Handelspartner“ Russland. “Mit den Ost-Block-Staaten des Warschauer Pakts war der Deal für Russland aber damals viel ausgeglichener.“ Für Russland mag das gelten, für die Ostblockstaaten eher nicht. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs haben die sich ganz freiwillig dem Westen angeschlossen. Hatten wohl ihre Gründe. “Jetzt ist die NATO eher, wie Bärbock auch sagt, eine Allianz aus 140 Staaten…“ ist schlicht Unfug Mit Ost- und Westblock war das Leben… Mehr