Politiker, die bloß »Coronatheater« spielen

Wenn die Regierung wirklich glaubt, dass die Viren gefährlich sind und die Maßnahmen notwendig, warum werden Politiker, die selbst öffentlich nachlässig sind, nicht sofort entlassen und angeklagt, weil sie als schlechtes Vorbild tausende Leben gefährden?

imago images / Hohlfeld

Wir wollen in diesen Essay einsteigen, indem wir kurz über diesen/r Politiker/in reden, der/die nach Zeitungsberichten bei der Doktorarbeit auf eher »unkonventionelle« Weise zitierte. – Ich höre Sie nachfragen: »Um des lieben Berliner Himmels Willen, Herr Wegner – welche meinen sie? Man findet viel zu viele solcher Charaktere in unserer politischen Komödie!«

»Ja, ja«, entgegne ich, »ich meine den/die Politiker/in, dessen/deren Partner, der/die sich vorgeblich ›gegen Hass und Hetze‹ einsetzt, die zynischen unter den Beobachtern bald aber den Eindruck gewinnen könnten, dass es einfach nur um ›Handlanger-Dienste im Geiste‹ für die Genossin Angela geht.« – Hier sehe ich Sie förmlich mit den Augen rollen, und ich höre Sie seufzen, wenn Sie sagen: »Hey, Wegner, es ist immer noch nicht klar, wer das sein soll, da gibt es einige!«

»Stimmt schon, stimmt schon«, entgegne ich, und spezifiziere: »Ich meine den/die Politiker/in, der sich öffentlich ganz Covid-Maßnahmen-bewusst gibt, aber wenn er/sie sich unbeobachtet wähnt, laut in den Sozialen Medien kursierenden Schnappschüssen auf den Sicherheitsabstand zu pfeifen scheint, fast schon so als könnte ein/e Politiker/in auch ein/e Heuchler/in sein!«

Während ich das sage, halte ich vorsorglich den zwischen uns stehenden Tisch fest, denn natürlich ahne ich, dass Sie an dieser Stelle wütend zu werden drohen, woraufhin Sie diesen im Affekt umwerfen könnten (was es übrigens auch als, natürlich japanisches, Computerspiel gibt; es heißt »Cho Chabudai Gaeshi« (etwa: »Super-Tisch-Umwerfen«), siehe YouTube).

Ich halte also den Tisch fest – wer will schon die Ramen-Bestandteile aus den Tatami-Rillen kratzen? – und ich löse das Rätsel. Wir reden von der erfolgreichen Frau Giffey (Quellen für die ersten beiden Punkte: 1. zeit.de, 8.2.2020; 2. rp-online.de, 15.1.2020).

Von der guten Frau Giffey kursiert dieser Tage ein wohl aktuelles Bild in den Sozialen Medien, wo sie und ihre Mitstreiter auffällig nahe beieinander stehen. Bislang wurde der Echtheit des Bildes nicht widersprochen, es deckt sich von den Personen und deren Kleidung her mit dem Medienberichten und offiziellen Fotos – eines der offiziellen Bilder scheint sogar diese oder eine sehr ähnliche Situation abzubilden, allerdings mit Teleobjektiv aufgenommen (@BMFSFJ, 20.8.2020, Foto 4).

Vergleicht man aber das offizielle Gruppenfoto vom selben Tag (siehe @BMFSFJ, 20.8.2020, Foto 1) stehen die Akteure dann plötzlich in einem dramatischen Sicherheitsabstand – oh Wunder! Ich nenne es Coronatheater. Es ist ein lustiger Zufall, dass das »richtige« Theater wie auch das Coronatheater beide jeweils Masken ? zum Symbol haben…

Frau Giffeys Team ist ja fürwahr nicht das einzige, bei dem sich dieses Schauspiel beobachten lässt. Wir kennen ja inzwischen die Bilder von Politikern, die im Abstand von »ungefährlichen« zwei Metern verteilt stehen und ihre Talking Points oder einfach nur ihre Nasen in die Kamera halten – davor und danach aber ganz normal zusammen quatschen, einander auf die Schultern hauen, als gälten all die Regeln und Warnungen ganz selbstverständlich nicht für sie.

Man stelle sich einmal vor, wie wahrscheinlich das Coronatheater praktisch abläuft: Politiker quatschen untereinander, scheren sich einen Dreck um die Regeln, die ihre eigene Regierung aufgestellt hat. Der PR-Fotograf kommt, und er ruft: »So, alle in Sicherheitsaufstellung!« – Brav verteilen sich die Politiker in Rasterform, halten irgendein Propaganda-Schildchen zum »Zeichen setzen« in die Luft, der Fotograf knipst zwei oder drei mal, dann ruft er: »Fertig!« – und die Politiker kommen wieder zueinander, als würde gratis leckere Fledermaussuppe verteilt.

Frau Giffeys gesamte Aktion (siehe auch: rtl.de, 21.8.2020) war wohl (auch) eine Werbeveranstaltung für das orwellsch-gegenteilig benannte Propaganda-Projekt »Demokratie leben!« (das bekanntlich nicht nur die Stiftung einer bekannten Ex-Stasi unterstützt, sondern auch schon mal Erdogans Handlanger sponsert) – die Heuchelei und das Coronatheater würden im Geist passen.

Wasser predigen, keine Maske tragen

Eine Übertretung der Regeln durch die, die sie beschließen, wäre für sich ärgerlich genug. Jedoch, ich muss gestehen, dass mich das Coronatheater sogar noch mehr stört als die Übertretung der Regeln (die sind ja ohnehin nicht immer klar, für den aktuellen Stand in Dortmund können Sie ja auf dortmund.de eine Antwort zu finden versuchen).

Das Coronatheater ärgert mich tatsächlich heftiger als eine mögliche Übertretung. Wenn ihr schon inkonsequent seid, dann seid wenigstens in eurer Inkonsequenz ehrlich! Ihr beschließt offene Grenzen, aber bunkert euch selbst ein – da seid ihr in der Lüge wenigstens konsequent. Strenge Corona-Regeln zu beschließen, sich selbst kaum an diese zu halten, fürs Foto aber dann Coronatheater spielen – das ist selbst für deutsche Politiker geradezu spektakuläre Heuchelei.

Man hätte ja Verständnis dafür, dass Politiker zu Beginn der Covid-Maßnahmen selbst schon mal eben diese vergaßen. Laut ihren PR-Abteilungen sind sie ja »auch nur Menschen«.

Heute jedoch, Ende August 2020, ist es doch wenig mehr als blanke Arroganz und Machtdemonstration, wenn Politiker sich sogar öffentlich gleichgültig gegenüber Corona verhalten, und höchstens nur zum offiziellen PR-Foto halbherzig ein wenig Corona-Theater schauspielern. (Randnotiz: Wer sich amüsieren will, kann ja mal das Flehen im Relotiusmagazin lesen, man möge doch bitte nicht so viele Fotos von Politikern ohne Maske knipsen: spiegel.de, 15.8.2020 – wer sich weniger amüsieren will, kann die Ideen der Verteidigungsministerin lesen, auch am Arbeitsplatz zu Masken zu verpflichten: zeit.de, 23.8.2020.)

Aus »Wasser predigen, Wein saufen« wurde »Masken und Abstand predigen – doch wenn (man glaubt, dass) keiner zuschaut, weder Maske tragen noch irgendeinen Abstand einhalten«.

Politiker und Behörden drohen sogar, den Bürgern die Kinder im Namen des Corona-Virus wegzunehmen (siehe »Heute wegen Covid, morgen wegen falscher Meinung«). Man scheint zu hoffen, die irren Sozialausgaben (sprich: also auch die Umsätze der Wohlfahrtskonzerne) durch absurde Corona-Bußgelder etwas länger vor der Implosion bewahren zu können (zdf.de, 22.8.2020: »Bußgeld bis zu 25.000 Euro – Laschet: Härtere Strafen bei Quarantäne-Bruch«; berlin.de: SARS-CoV-2-Bußgeldkatalog).

Wenn Politiker sich aber unbeobachtet fühlen – oder wenn es ihnen schlicht egal ist – machen sie sehr schnell sehr deutlich, wie ernst sie das nehmen, was sie vom Volk verlangen. Politiker verhalten sich immer wieder so, als wären die Corona-Regeln von moralischer und metaphysischer Natur, nicht medizinisch oder wissenschaftlich, und beträfen sie selbst dadurch ganz selbstverständlich nicht. Im Internet kursieren auch Bilder davon, wie es noch im Juli 2020 im Bundestag wirklich aussah – von der ernsthaften Einhaltung irgendwelcher Regeln ist man weit entfernt – man versucht es oft nicht einmal (siehe YouTube).

Ich halte es tatsächlich für eine ernstzunehmende These, dass etwa dies im Kopf der Politiker passiert: »Es ist moralische Pflicht, sich an Corona-Regeln zu halten, also gilt sie wie so viele andere moralische Pflichten nicht für Politiker.«

Überhaupt scheint es auch weiterhin ein nichts anderes als moralisch-magischer Virus zu sein. Während in Deutschland die Regelungen wohl bald wieder verschärft werden, wird es weiterhin gepriesen, wenn in Minsk über hunderttausend Bürger ohne Maske oder Abstand auf die Straße gehen (siehe etwa @franakviacorka, 23.8.2020, und auch den Essay vom 18.8.2020). Nächste Woche ist die nächste Großdemonstration in Berlin gegen die Corona-Politik geplant – wir dürfen davon ausgehen, dass einige derselben Politiker, die sich ansonsten ganz selbstverständlich maskenfrei geben, wieder über »Covidioten«, »Verschwörungstheoretiker« und natürlich »Rechtsextreme« schimpfen werden.

Wir fragen uns schlicht: Warum sollen wir denen glauben, wenn die sich selbst nicht zu glauben scheinen?

Sofort beenden!

Wenn Politik wirklich will, dass Bürger die Corona-Maßnahmen ernst nehmen, muss sie in ihren eigenen Reihen aufräumen – und die Karriere jedes Übertreters sofort beenden! Wenn Politik es darauf anlegt, den Bürger spüren zu lassen, dass sie eigentlich nur ihre Willkür spielen lassen will, dann kann sie tatsächlich genau so weitermachen – nur dem Demokraten in mir tut es eben weh.

Wenn weiterhin Politiker wieder und wieder und wieder dabei erwischt werden, sich selbst nicht an die Regeln zu halten, welche die Regierung dem Volk auferlegt, dann müssen wir uns fragen, was wirklich gespielt wird. Mancher fürchtet, ein Teil der Antworten würde die demokratisch Gesinnten in der Bevölkerung verunsichern.

Erspart uns das Coronatheater! Wenn die Regierung selbst glaubt, dass das Virus gefährlich ist und die Maßnahmen notwendig – dann müssen ihre Politiker sich auch in unbeobachteten Momenten selbst an die Regeln und Empfehlungen halten. Politiker, die sich nicht an so wichtige Regeln halten oder bloß »Coronatheater« spielen, müssten sofort entlassen, verhaftet und angeklagt werden, da sie durch ihre Vorbildfunktion tausende Menschenleben gefährden.

Ach – je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr schiene mir eine Welle von Entlassungen in der Politik so oder so eine gute Idee zu sein – auch und gerade in diesen merkwürdigen Zeiten wird man doch wohl noch träumen dürfen!


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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Kommentare ( 115 )

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115 Comments
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F.Peter
3 Jahre her

Das eigentliche Stück wird hinter der Bühne gespielt. Vorne spielt nur der Kasper und die Hexe………zur Ablenkung des wohlfeilen Publikums, das dieses ganze Desaster auch noch bezahlen darf!

Peter Pascht
3 Jahre her

Man stelle sich einmal vor … Der PR-Fotograf kommt, und er ruft: »So, alle in Sicherheitsaufstellung!« Da braucht man sich nichts vorzustellen denn genau so ist das. Unsere Politiker scheren sich eine Dreck darum ob die von ihnen dem Bürger verhängten Maßnahmen eine Wirkung zeigen und ob diese Notwendig sind, denn sie wissen es auch nicht. Das ist der Grund warum sie sich einen Dreck um die Einhaltung scheren. Es geht ihnen nicht darum den Bürger zu schützen sondern ihre eigene Verantwortungslosigkeit vor der späteren zu Rechenschaft Ziehung zu schützen, denn es geht ihnen nur um die Angst und Verantwortungslosigkeit,… Mehr

AnSi
3 Jahre her

M.E gehören die ALLE verjagt! Am 29.08.2020 hätten wir die Gelegenheit dazu.

Peter Pascht
3 Jahre her

„warum werden Politiker, die selbst öffentlich nachlässig sind, nicht sofort entlassen und angeklagt, weil sie als schlechtes Vorbild tausende Leben gefährden? Aber Herr Wegner ich bitte sie, sie können doch kein Unmensch sein 😉 Zur ist es in unserem Rechtstaat so, dass wir keinen Rechtstaat haben mit einer Recht und Gesetz unterworfenen Regierung, sondern eine Regierung dies sich einen Alibi- Rechtstaat hält, um mit dessen Manipulation sich selber Recht und Gesetz zu entziehen. Es geht hierbei nicht um ein paar Verseher bei der Maskenpflicht, sondern diese Regierung missachtet und beugt systematisch nicht nur Recht und Gesetz sondern vor allem das… Mehr

Gerhart
3 Jahre her

Frau Merkel trifft ja 100 Leute am Tag und ist damit ein Superverteiler. Wenn selbst Merkel erst 10 Mahnungen braucht, um sich eine Maske zu kaufen, kann es so schlimm nicht sein.

Deutscher
3 Jahre her

Die spielen nicht erst seit Corona Theater, sondern schon seit 20 Jahren Affentheater.

Albert Pflueger
3 Jahre her

Als jemand, der schon Anfang Februar Masken für die Familie bestellt hatte, als man noch Angst haben mußte, weil kaum etwas bekannt war, und das war schrecklich, fühlte ich mich die ganze Zeit verarscht, weil die Politik der Entwicklung kilometerweit hinterherlief. Irgendwann haben sie dann verstanden, welche Möglichkeiten ein Lockdown bietet, um den Untätigkeitsvorwurf abzuschütteln. Etwas später haben sie bemerkt, daß man alles, was bisher nicht durchsetztbar war, jetzt einfach machen kann. Eurobonds zum Beispiel. Eine riesige Beamtenschar kann noch langsamer arbeiten als bisher. Corona ist die Entschuldigung dafür, daß nichts unbequemes erledigt werden muß. Man kann die Verschuldung in… Mehr

Peter Pascht
3 Jahre her
Antworten an  Albert Pflueger

Sie hätten ihren Kommentar aber auch mit zwei Worten schreiben können:
DDR Willkür-Zustände.

Albert Pflueger
3 Jahre her

Mir wäre es lieber, wenn die Politiker sich an diese Regeln weiterhin nicht halten, weil sie das dann auch nicht von mir verlangen können.

Peter Pascht
3 Jahre her
Antworten an  Albert Pflueger

„weil sie das dann auch nicht von mir verlangen können.“
Da irren sie gewaltig, denn die Politiker werden es von ihnen nicht verlangen, dafür hat man seine Kettenhunde (die Armen müssen jeden Unsinn per Befehl ausführen) , die das mit der der Gewalt des Staates von ihnen verlangen werden.
Aber nur von uns, nicht von den Politikern.

MG42
3 Jahre her

Es reicht mit den **, wenn ein ** Reisewarnungen nach belieben aussprechen oder zurücknehmen (u.a. jetzt auch Paris und Cote d’Azure) kann aber gleichzeitig für Hanau und Main Kinzigkreis keine Reisewarnung gilt bei folgenden Zahlen: “ Seit dem Ende der Sommerferien gehen die positiven Corona-Befunde in Hanau und Umgebung durch die Decke: Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 63,3 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner erreichte Hanau am Montag erneut den landesweiten Höchststand.” Dann folgere ich: Alles nur Fake und so handeln wir auch – Polit** nehme ich nicht mehr ernst. Wir machen was wir willen und lehnen jegliche Einschränkung der Demokratischen Freiheiten ab.… Mehr

Montesquieu
3 Jahre her
Antworten an  MG42

reisewarnung für Hanau wäre rassistisch.

Jan Frisch
3 Jahre her

Sehr geehrter Herr Wegner, ich lese wirklich gerne Ihre Kommentare, Glossen usw., und gewiss hat wenn es dem Zweck der Ironie gedient, aber leider ist dieser Artikel meiner grundlegenden Ablehnung gegen gegenderte Sprache „zum Opfer“ gefallen.