Merz ist schon wieder umgefallen – kein Fünf-Punkte-Plan sondern „Verhandlungen“

Der 5-Punkte-Plan von Merz zur Migrationsbegrenzung findet breite Zustimmung - in der Öffentlichkeit. Die Hoffnung auf Bewegung dauerte genau zwei Tage, dann kippt Merz um. Danach kann man vermutlich künftig die Uhr stellen, weil Merz pünktlich umfällt.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Nun will Merz also doch nicht seinen Fünf-Punkte-Plan als Gesetzentwurf einbringen, sondern mit den Grünen und der SPD darüber verhandeln. Allerdings haben beide Parteien bereits ihre Ablehnung erklärt. Doch das ist nicht das einzige Kuriose. Er tritt fordernd auf – und klopft dann höflich an die Tür wie ein Hausierer, der einen Besen verkaufen will, wo eine Schaufel notwendig wäre. Die Bewohner des Ampel-Hauses haben ihm jedoch schon die Tür vor der Nase zugeschlagen. Es wird keine Abstimmung geben – nur Merzens Einknicken bleibt.

Merz steht vor verschlossenen Türen …

Auch formal ist sein Plan vom Donnerstag, 22:00 Uhr, schon am Samstag absurd. Denn hätte er in der Migrationsdebatte etwas bewegen wollen, müsste er anders vorgehen. Zwar kann er, wie ursprünglich formuliert, jederzeit – auch am Montag – einen Antrag zur ersten Lesung einbringen. Danach folgt die Überweisung in den Ausschuss. Das würde bedeuten: Alles war nur heiße Luft. Denn vor der Wahl gibt es nur noch eine verkürzte Sitzungswoche (10. und 11. Februar), und da ist dies nicht mehr möglich. Theoretisch könnte er auch eine Sofortabstimmung beantragen. Genau das aber hat die Ampel-Mehrheit in anderen Fällen verhindert. Diese Sofortabstimmung muss durch das Präsidium bzw. den Ältestenrat bestätigt werden, woi die CDU in diesen Gremien keine eigene Mehrheit hat. Am klarsten wäre es ohnehin, würde die Union ihren „Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ erneut auf die Tagesordnung setzen lassen. Denn woran sich kaum jemand mehr erinnert: Dieser Entwurf wurde bereits in erster Lesung debattiert (12.9.2024); auch die Beschlussempfehlung des Innenausschusses (6.11.2024) liegt vor. Über das Gesetz könnte also in der nächsten Woche abgestimmt werden – der kürzeste Weg. Das gilt auch für den Antrag „Für eine echte Wende in der Asyl- und Migrationspolitik – Zurückweisungen an den deutschen Grenzen vornehmen“, der wesentliche Teile seiner aktuellen Forderungen enthält. Sowohl das Gesetz als auch den Antrag hatte die Union aus Angst vor „Zufallsmehrheiten“ von der Tagesordnung nehmen lassen – und könnte ihn wieder einbringen.

… ob ihm die Ampel gnädig ein Stück Brot gibt?

Aber all das geschieht nicht. Merz will seine Forderungen stattdessen den künftigen Koalitionsparteien Grüne und SPD zuleiten. Bundeskanzler Olaf Scholz hat jedoch bereits erklärt, die von Merz vorgeschlagenen Asylrechtsverschärfungen würden seiner Auffassung nach gegen das Grundgesetz verstoßen. Scholz sagte, das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Asyl sei eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur. Man dürfe dieses Grundrecht nicht einfach infrage stellen und sagen: „Ich verschicke einen Brief, haltet euch nicht an die Verfassung“, erklärte Scholz auf einer Wahlkampfveranstaltung der SPD. „Das geht nicht.“ Auch die Co-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, lehnt eine Zustimmung ihrer Partei zu den Unions-Vorschlägen ab. „Friedrich Merz weiß genau, dass seine Forderungen mit Europarecht und auch mit dem geltenden Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren sind“, sagte sie dem RND. Auch inhaltlich erweckten sie „erhebliche Zweifel daran, wie standhaft die Brandmauer der Union zur AfD tatsächlich ist“.

Vermutlich ist Merz vor der parteiinternen Kritik eingeknickt. Der Merkel-Flügel will keine Kontrolle der Zuwanderung akzeptieren und fürchtet bei zu deutlicher AfD-Nähe Stimmenverluste. TE hat bereits darüber berichtet, dass eine Abstimmung im Bundestag über die fünf Punkte fraglich ist.

„Nicht rechts, nicht links, geradeaus“? Was so entschlossen klingt ist jetzt Verhandlungssache. Merz scheint sich verplappert zu haben; er trat entschiedener auf als er kann. Damit ist es jetzt vorbei.

Merz führt die Brandmauer-Diskussion weiter. Damit bleibt kein Raum für sachpolitische Entscheidungen, die von der bisherigen Ampel-Linie abweichen, die keine substanzielle Änderung der Zuwanderungspolitik will. Merz sucht also Verhandlungen mit Parteien, die seine Politik ablehnen. Die einzige Partei, die ihm zustimmt, ist die AfD. Aber die erhält laut Merz nicht einmal seine Vorschläge zur Diskussion. Es sind ja bekanntlich keine Menschen, sondern „Nattern“, wie er zu sagen pflegt und damit seine politischen Gegner entmenschlicht. Mit Nattern kann man nicht verhandeln, aber Zustimmung von der Ampel gibt es nicht? Merz ist schon gescheitert, ehe er angetreten ist.

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Kommentare ( 180 )

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Pulsarstern
16 Tage her

Lieber Herr Tichy, in Ihrem Artikel ist ein Fehler. Er bezieht sich meines Wissens in den Satz: „Dieser Entwurf wurde bereits in erster Lesung debattiert (12.9.2024); auch die Beschlussempfehlung des Innenausschusses (6.11.2024) liegt vor.“ Dieser Entwurf wurde im Innenausschuss abgelehnt, siehe: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1028318

Pankratius
17 Tage her

Genau das wurde schon unmittelbar nach dem Aschaffenburger Mord veröffentlicht mit dem Titel „… Merz und Söder auf dem Hochtrapez der Wähler-Täuschung“, weil die Verdummdeubelung des Publikums auf der Stelle klar war.
Hier: https://opposition24.com/politik/nach-dem-neuesten-mord-merz-und-soeder-im-auf-dem-hochtrapez-der-waehler-taeuschung/

luxlimbus
18 Tage her

(Crazy-)Merz will dereinst als einer gesehen werden, von dem die Leute sagen werden, er HÄTTE Deutschland auf ein neues Gleis setzen können – NICHT: er hat Deutschland auf ein neues Gleis gesetzt! Seine Furcht vor der eigenen Verantwortung ist so enorm, dass seine Ambitionen, ihm selbst intellektuell vollkommen unbewusst, von der Fahne gehen. Ein uneingestandener Angsthase, weil Büttel mangelnder Kühnheit.

fatherted
18 Tage her

Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass es das Ziel von Merz ist Kanzler zu werden….sonst nichts. Was ihm dazu dient, dessen bedient er sich. Leider sehr unprofessionell. Warum gerade nach Aschaffenburg und nicht nach Magdeburg diese Forderungen aufstellen? Und dann…wieder umfallen….wie bei den „kleinen Paschas“ und den „Zahnarztterminen“. Wenn da jetzt vor der Wahl nichts rumkommt…wird das die CDU Stimmen kosten….und wie es aussieht….kommt nichts bei dem ganzen Geschwurbel rum.

Ombudsmann Wohlgemut
18 Tage her

Links-Rot-Grün weiß, dass ihre Migrantenpolitik noch viel mehr gegen EU-Gesetze und Verfassung verstößt.
Überhaupt muss endlich das Volk gehört und der gesunde Menschenverstand benutzt werden! Gesetze, die dem im Wege stehen, gehören abgeschafft!
Es gibt sowieso viel zu viele Gesetze, die absichtlich so schwammig formuliert sind, dass sie sich gegenseitig blockieren, jeder automatisch gegen irgendwelche Gesetze verstößt und mit einen Bein im Knast wäre, damit diese linken Politiker willkürlich nur ihre eigenen totalitären Vorstellungen durchsetzen können…

Dieter Rose
18 Tage her

Nein, Merz ist nicht umgefallen, er hat nur einen Trick angewendet.
Er hat zunächst angekündigt, Positionen der AfD einzunehmen. Wenn denen dann die AfD aber zustimmt, müsste das ein Verbot der AfD zur Folge haben, da diese Positionen nicht verfassungsgemäß seien.
So habe ich zumindest einen Aufmacher bei gmx verstanden, wo Merz‘ Trick in höchsten Tönen gefeiert wird.

Albert Pflueger
18 Tage her
Antworten an  Dieter Rose

Er ist tatsächlich nicht umgefallen, denn er hat niemals gewollt, daß wirklich eine Politikänderung erfolgt. Er betreibt lediglich Spiegelfechterei, um einige Wähler zurückzuholen, die mit flauem Gefühl im Bauch nur deshalb AfD wählen müssen, weil das Migrationsthema so wichtig und nirgends sonst im Angebot ist. Die machen sich dann vor, daß Merz es schon regeln wird, jetzt endlich.

Digenis Akritas
18 Tage her

Deutschland bleibt unfähig, sich selbst zu befreien. Solange die radikalen Spätfolgen der 68iger Kulturrevolution (Wokismus) so verinnerlicht sind, nimmt man Messeropfer etc.in Kauf. Die Trauer gilt dann nach meiner Wahrnehmung weniger den Opfern, als dem Zerplatzen eines lang gehegten Traumes. Mit der Hartnäckigkeit von Gläubigen wird der immer wieder aufgeblasen.
Das eigentlich (im negativen Sinne!) Staunenswerte ist der Befall der CDU/CSU mit diesen 68iger-Pocken. Früher hatten die mal Antikörper, selbst die SPD (z.B. Brandt war Patriot).
Für die Rückkehr zur Normalität braucht es Unbefangenheit, nicht para-religiöses Sendungsbewusstsein. Aber diese Unbefangenheit ist hierzulande nicht herstellbar.

Lizzard04
18 Tage her

„Merz ist schon gescheitert bevor er angetreten ist.“ Wie wahr und mit ihm das Land!

Sabine Ehrke
18 Tage her

Es bleiben Nebelkerzen. Nationale Sozialisten, wie Merz und seine Genossen CDUCSU bleiben was sie sind.

Karl Napp
18 Tage her

Ich höre immer nur, das lässt irgendein Gesetz nicht zu. Dann muss das Gesetz eben geändert werden. Wie heißt es in Zuckmayers Hauptmann von Köpenick: Zuerst kommt der Mensch, dann kommt die Menschenordnung.