Abgeordneter warnt vor „Heuschrecken-Plage“ im Gesundheitswesen

Karl Lauterbach (SPD) möchte das Gewinnstreben aus dem Gesundheitswesen nehmen. Doch das Geschäft wird für private Investoren immer interessanter. Experten warnen vor einer „Heuschrecken-Plage“.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der Bundespressekonferenz zu Reformvorschlägen der Regierungskommission Krankenhausversorgung am 6. Dezember 2022 in Berlin

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) arbeitet an einer Reform der Krankenhäuser. Diese solle einer „Revolution“ gleichkommen. Oberstes Ziel des Ministers ist es laut Selbstauskunft, das Gewinnstreben in Kliniken zu beenden. Nun hat ihn der Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) auf ein Einfalltor hingewiesen: Private Investoren könnten sich in Krankenhäuser einkaufen, um „Medizinische Versorgungszentren“ zu gründen – eine „Heuschrecken-Plage“ sei dann möglich.

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In einer Praxis ist der Arzt auch Unternehmer. In einem „Medizinischen Versorgungszentrum“ hingegen sind die medizinische und die wirtschaftliche Führung getrennt. Für Investoren, die nicht aus dem Gesundheitswesen kommen, sind sie eine Möglichkeit, mit der Gesundheit Geld zu verdienen. Der Arzt und Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger erklärt das Prinzip: Investoren kaufen sich in eine kleine Klinik ein, damit erwerben sie gleichzeitig das Recht, ein Versorgungszentrum zu gründen. Auch in einem anderen – meist lukrativen – Bereich, vor allem der Zahnmedizin.

Im Bereich Zahnmedizin ist die Zahl der Versorgungszentren seit 2015 von 11 auf 207 gestiegen. Die Zahlen stammen aus einem Gutachten, das Lauterbachs Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben hat. Demnach ist der Anteil solcher Investoren-Praxen noch relativ gering: „Gemessen an der Anzahl der Versorgungseinheiten wird der Anteil der investorenbetriebenen Zahnarzt-MVZ an allen Zahnarztpraxen auf 0,5 Prozent geschätzt“, heißt es in einer Zusammenfassung für die Länder. Doch das „geschätzt“ lässt darauf schließen, dass es dem Ministerium an exakten Zahlen mangelt.

Pilsinger wollte nun von Lauterbach wissen, was die Bundesregierung tut, um eine mögliche „Heuschrecken-Plage“ im Gesundheitswesen zu verändern. Die Antwort zeigt: Das Problem ist dem Ministerium durchaus bewusst. Die Zuwächse seien überdurchschnittlich groß, vor allem in den Städten. Die sind für die Investoren lukrativer. Die Konferenz der Gesundheitsminister habe bereits beschlossen, privaten Investoren den Zugang weiter erschweren zu wollen. Das müsse der Staat aber über das Berufsrecht angehen – und dafür sieht Lauterbachs Ministerium die Länder als zuständig an. Die Pflicht, das Versorgungszentren von einem Arzt geführt werden, solle gestärkt und Missbrauch erschwert werden.

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Das Ministerium betont, dass es die zunehmende Zahl an Investoren kritisch sehe. „Insbesondere soweit damit eine Gefahr für die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung einhergeht.“ Wirtschaftlich optimierte Unternehmen könnten niedergelassene Ärzte durch Konkurrenz quasi zwingen, an der Qualität ihrer Behandlung zu sparen. Diese Bedenken teilt Pilsinger: „Wenn deutsche Ärzte oder unsere Kommunen vor Ort die Trägerschaft eines Medizinischen Versorgungszentrums übernehmen, habe ich keinerlei Einwände gegen die Etablierung eines MVZ.“ Diese Versorgungszentren seien sogar oft eine sinnvolle Ergänzung vor allem in der fachärztlichen Versorgung – sowohl im städtischen als auch im ländlichen Bereich.

Aber Pilsinger warnt: „Wenn irgendwelche dubiosen Finanzhaie aus dem Ausland dahinterstecken, denen vor allem daran gelegen ist, möglichst viel Geld aus dem deutschen Gesundheitssystem zu saugen, dann müssen wir dem ein klares Stoppschild entgegenstellen.“ Trotz der Antwort aus dem Gesundheitsministerium vermutet Pilsinger, das Problem sei bei dem Chef des Hauses noch nicht angekommen. Das sei gefährlich: „Wir müssen eine Heuschrecken-Plage dringend abwenden, um weiterhin die bestmögliche Qualität unserer ärztlichen Versorgung zu garantieren.“

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Kommentare ( 9 )

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mega2xbass
1 Jahr her

Geldanleger streuen ihr Risiko. Das Gesundheitswesen ist etwas, das jeder benötigt und damit eine sichere Geldanlage. Je schlechte die Versorgungslage ist, desto besser sind die Häuser ausgelastet, die noch übrig sind. Ausserdem sind die Gesundheitsdaten der Patienten natürlich auch sehr interessant. Das Krankenhaus ist natürlich nur ein Glied in der Kette wie Pharma, Pflege, Nahrungsmittel (stark verarbeitet, viele Zusatzstoffe)
Man beachte: nicht der tote Mensch und auch nicht der gesunde Mensch sind interessant, sondern der chronisch Kranke.
Diese Industrie macht sich ihre Patienten selbst.

Sonny
1 Jahr her

Von welcher bestmöglichen Versorgung, die weiterhin gewährleistet werden soll, redet Ihr denn?
Von reihenweise Krankenhausschließungen der letzten Jahre? Von Kindern, die keinen Krankenhausplatz mehr bekommen? Vom Mangel an Pflegepersonal oder Ärzten? Oder Medikamentennotstand?
Oder Krankenkassen, die sich Glaspaläste und Hochglanzbroschüren leisten, dafür aber stetig die Leistungen für Ihre Mitglieder kürzen und trotzdem in den roten Zahlen landen?
Ich bin verwirrt. Naja, im Mangel ist die bestmögliche Versorgung eben immer nur die Spitze des Elends.

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

Mit der Einführung der MVZ war es möglich geworden, den Arzt als Anforderer labormedizinischer Leistungen und den Labormediziner als Leistungserbringer unter ein (geschäftliches) Dach zu bekommen und somit das strafrechtbewehrte Kick back Verfahren (der nicht budgetierte Labormediziner begünstigt den zuweisenden budgetierten Arzt je nach Anzahl der zugewiesenen Aufträge) zu umgehen: der überweisende Arzt im MVZ konnte unbegrenzt Laborleistungen anfordern, (auch ohne medizinische Indikation, Privatversicherte können ein Lied davon singen), ohne direkt davon zu profitieren, die das Labor im Hause dann erbrachte und abrechnete und somit den Gewinn des gesamten MVZ steigerte, die Leitung des MVZ konnte nun ihre Ärzte über… Mehr

Lesterkwelle
1 Jahr her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Der Herr Professor IST eben zuvoerderst Gesundheits-OEKONOM!

Alf
1 Jahr her

Trotz der Antwort aus dem Gesundheitsministerium vermutet Pilsinger, das Problem sei bei dem Chef des Hauses noch nicht angekommen?…“Wir müssen eine Heuschrecken-Plage dringend abwenden, um weiterhin die bestmögliche Qualität unserer ärztlichen Versorgung zu garantieren.“? Der Chef des Hauses hat mit seinem bisherigen Handeln als Gesundheitsminister nicht gezeigt, wie man das Gesundheitswesen mit notwendigen Personal- und Sachmitteln ausstatten kann. Das kann mit der angekündigten Revolution nur noch schlimmer werden. Und zu behaupten, es gelte, das Gewinnstreben der Kliniken zu beenden, ist eine Unverschämtheit. Und dann sollen auch noch die Länder zuständig sein? Der Bund hat es unterlassen, Qualität und die Wirtschaftlichkeit… Mehr

Rasio Brelugi
1 Jahr her

Zitat: „Karl Lauterbach (SPD) möchte das Gewinnstreben aus dem Gesundheitswesen nehmen.“ (Zitatende)

Das ist ja wohl ein schlechter Witz! Noch nie hat ein Minister den Pharmakonzernen (ganz oben dabei: BionTech und Pfizer) unter Ausschaltung des freien Marktes (funktionierender Wettbewerb, freie Konsumentenentscheidung) und Androhung von Zwangskonsum (genannt: Impfpflicht) den Pharmakonzernen solch dicke Milliardengewinne beschert wie Lauterbach.
Ist das nun die vollendete Wirrnis bei Lauterbach? Oder will er mit dieser Abstrusität böse Gedanken in der Gesellschaft vernebeln? Denn dieses Pharma-Lobbyisten-Verhalten von Lauterbach ist m.E. nicht mehr ohne Korruption zu erklären. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages oder der Staatsanwalt müssen hier unbedingt Klarheit schaffen.

dubium
1 Jahr her

die Heuschrecken sind schon da.
Zahnfabriken.
Clevere Gründer mit oft wenig Bezug zum Fachgebiet stellen vorwiegend work-live-Balancierer:Innen in Teilzeit ein, die verdienen sogar gutes Geld, stehen aber stark unter Druck „Zahlen zu bringen“. Einzelheiten dazu erspare ich mir.

Julischka
1 Jahr her

Herr Lauterbach, bitte nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrer Kollegin Lamprecht und gehen Sie, ich kann Sie nicht mehr sehen! Und nehmen Sie unbedingt Frau Faeser mit!

alter weisser Mann
1 Jahr her

Lieber ein MVZ als eine Lauterbach-Klinik der 3.Kategorie.
Ich (GKV) bin schon jetzt Kunde in verschiedenen MVZ, von Zahnarzt über Hausarzt bis zu Fachärzten. Und ich habe gleichwohl immer nur meinen Arzt (oder dessen Vertreter) dort als Ansprechpartner. Ob Ärzte oder ob Investoren das MVZ organisiert haben, das ist mir dabei echt egal.
Das Getöne vom Finanzhai stammt gerade von denen, die dafür sorgen müssten, dass die Vorgaben so sauber gemacht werden, dass der Finanzhai nicht zum Zuge kommt.

Last edited 1 Jahr her by alter weisser Mann