Die mutigen zehn Minuten des Friedrich Merz

Friedrich Merz versucht, sich nach dem Doppelmord in Aschaffenburg neu zu positionieren. Er verurteilt die seit zehn Jahren fehlgeleitete Asylpolitik. Es soll eine Wende sein. Doch die Machtfülle, die er sich in Donald-Trump-Manier als Kanzler zuspricht, hätte er nur mit einer absoluten Mehrheit. Merz könnte an den eigenen Ansprüchen scheitern.

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Ein Jahr ist es her, dass CDU-Chef Friedrich Merz von „Kleinen Paschas“ sprach. Der Sauerländer bezog sich auf die Berliner Silvesternacht und die damaligen Ausschreitungen, die zur Routine geworden sind. Es gab Gegenwind. Merz ruderte zurück.

Ein Beispiel unter vielen. Die Ankündigungen des CDU-Spitzenkandidaten sind mittlerweile ein Meme. Fünf Minuten ist Friedrich Merz mutig. Dann kommen die Zeitungsartikel. Und Merz zaudert. Knickt ein. Fühlt sich missverstanden. Distanziert sich – von irgendwem, von irgendwas, aber vor allem von den eigenen Worten.

Das kann man als Spleen werten. Als Unsicherheit. Vielleicht Feigheit. Merz verwundert die eigenen Stammwähler mit solchen Kapriolen immer wieder. Links stichelt man, um ihn zu absurderen Verrenkungen zu peinigen. Rechts lacht man, weil jede Verrenkung die AfD als einzige Alternative ins Rampenlicht stellt.

Doch es gibt Situationen, in denen kann man nicht mehr hinter seinen Worte zurücktreten. Besonders nicht in einer so heiklen Situation wie nach den Messermorden von Aschaffenburg. Und insbesondere nicht, wenn sie aus dem Mund des wahrscheinlichsten nächsten Bundeskanzlers kommen. Noch distanziert sich die Union vom neuen alten Mann im Weißen Haus. Im Jargon holt sie jedoch auf Donald Trump auf.

„Ich weigere mich anzuerkennen, dass die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und jetzt Aschaffenburg die neue Normalität in Deutschland sein sollen. Das Maß ist endgültig voll. Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik.”

Jetzt soll sich alles ändern. Dasselbe wurde in Solingen versprochen. Merz kündigt an, vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft dafür alles in Bewegung zu setzen. Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern. Alle illegalen Einreisen sollen zurückgewiesen werden. Faktisches Einreiseverbot für alle, die nicht über gültige Papiere verfügen. Ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch. Wegen der Dysfunktionalität des EU-Rechts sei es nötig, von seinem nationalen Recht Gebrauch zu machen. Ausreisepflichtige dürfen nicht mehr auf freien Fuß gesetzt werden. Ankündigung von umfassenden Abschiebungsaktionen.

Das sind nur ein paar Punkte, die Merz ankündigt. Sie könnten von Alice Weidel stammen. Weidel weiß allerdings, dass sie sich nicht in Koalitionsverhandlungen durchsetzen muss. Die AfD bleibt in der Opposition. Merz dagegen wird mit größter Wahrscheinlichkeit Regierungschef.

Merz stimmt den CDU-Sound an, nach dem sich die vom Aussterben bedrohte konservative Minderheit sehnt. Das ist Balsam. Und es ist eine Ansage an die jetzigen Gegner und zukünftigen Partner. Es ist aber vor allem ein Test. Für Friedrich Merz selbst. Donald Trump kann als Präsident per Executive Order am Tag nach der Vereidigung Fakten schaffen. Ein Bundeskanzler kann das in der Form nicht. In den USA regieren die Republikaner in beiden Kammern mit der Mehrheit. Deutschland braucht, solange die AfD eingebrandmauert ist, eine wacklige Koalition.

Merz hätte, wenn er wollte, diese Vorschläge umsetzen können. Im November. Im Bundestag mit FDP und AfD. Er hat es nicht getan. Sechs Tote und 299 Verletzte von Magdeburg später bedurfte es noch des Mordes an einem Kleinkind. Das ist kalter, politischer Zynismus, genau einen Monat vor der Wahl. Friedrich Merz hätte handeln können. Nicht des Handelns wegen. Aber wenigstens dafür, seine Glaubwürdigkeit zu beweisen. Er hat es nicht getan.

Die CDU fällt in den Umfragen. Man kommt nicht umhin, dahinter die Umkehr zu vermuten. Es geht nicht um das marokkanische Kindergartenkind von Aschaffenburg – sondern um Bundestagsmandate. Damit könnte man leben. Wenn man sicher wäre, dass Merz danach auch liefert. Dass er das tut, bleibt unwahrscheinlich. Selbst, wenn es nur zu Schwarz-Rot statt Schwarz-Grün reichen würde. Schwarz-Rot hat 12 Jahre regiert. Es wurde schlimmer statt besser. Merz hat bewiesen, dass er dem Medienfuror nicht widerstehen kann. Wie soll er dem Koalitionsfuror widerstehen?

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Kommentare ( 162 )

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Judith Panther
24 Tage her

Hat Merz sein für die Zukunft geplantes Vorgehen in der Migrationsfrage eigentlich schon mit Bärbock abgesprochen und den grünen Premiumpartner um Erlaubnis gefragt? Nicht, daß die plötzlich „NEIN“ sagen und er dann im Eiltempo wieder auf Werkseinstellung zurückrudern muß. Ist die spezielle „Afghanen für Deutschland“ – Doktrin der Autschministerin überhaupt Bestandteil seiner neuen Asylpolitik? So neu ist die übrigens garnicht, insofern hätte er sich die Ausführlichkeit sparen können. Es hätte vollauf genügt, wenn er gesagt hätte „Wir haben uns nach dem letzten Massaker an unschuldigen Menschen plötzlich wieder an unseren Amtseid erinnert und sind jetzt entschlossen, den Wählerwillen wieder zu… Mehr

Querdenker73
24 Tage her

Das ist kein Mut – das ist blanke Verzweiflung! Verzweiflung nicht aus Trauer um die Opfer der (letzten) Bluttat, sondern aus Angst vor den weiteren fallenden statistischen Zahlen seiner Zustimmungswerte! Die Verlogenheit hat einen weiteren Namen: Friedrich Merz!

kurowski
24 Tage her

Merz ahnt wohl die Zeichen der Zeit. Wird Trump auch noch Erfolge liefern, könnte es auch die deutschen Etablierten hinwegfegen. Wenn er jetzt der AFD ein Angebot macht, könnte er noch bestimmen und die AFD einhegen. Was bleibt ihm noch, wenn die AFD plötzlich die Mehrheitspartei ist. Dann sind die ganzen schönen aussichtsreichen Posten plötzlich ganz weg. Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung dann als antidemokratisch zu beschimpfen dürfte kaum aussichtsreich sein.Diese grundlose dauerhafte Hass und Hetze gegen die AFD ist kaum noch durchhaltbar Wo ist die AFD beweisbar antidemokratisch? Das behauptet ausgerechnet eine Partei deren ehemalige Kanzlerin aus Südafrika per… Mehr

Rob Roy
24 Tage her

Was Merz von sich gibt, sind Wahlversprechen. Also Dinge, die prinzipiell nicht stattfinden werden. Punkt. Das erkennt jeder, der nicht unter einem Stein lebt. Die einzigen, die bisher Versprechen eingehalten haben, waren die Grünen: Mehr Steuern und Abgaben, steigende Energiekosten, noch mehr Einwanderung, viel Geld ins Ausland verschenken, mehr Bürokratie, wirtschaftliches und kulturelles Schrumpfen, Abbau von Demokratie, Zensur und viele mehr, um normale Bürger zu trietzen und zu schröpfen. Wird die AfD liefern, wenn sie eine Regierung stellt? Ziemlich sicher. Aber genau das Gegenteil, von dem, was die Grünen uns antun. Daher ist die AfD auch die einzige Partei, die… Mehr

Last edited 24 Tage her by Rob Roy
Mermaid
25 Tage her

Merz wird auch nicht in der Lage sein, seine Koalition zusammenzuhalten. Er ist dafür einfach nicht Manns genug. Es wird sehr bald Mißtrauen geben, man wird sich belauern. Einfach, weil sich keiner der Koalitionäre auf ihn verlassen kann.
BlackRock kommt ihm jetzt als sichere Basis abhanden, er steht jetzt schon praktisch nackt da…

Johann Thiel
25 Tage her

Das sind diese fulminanten markigen Reden, auf denen Merz ehemaliger Ruf als Konservativer beruhte. So hat man ihn in Erinnerung, als großartigen Rhetoriker mit klarer Ansage. Nur, er hat seit geraumer Zeit seine Glaubwürdigkeit verloren. Wer soll ihm das abnehmen, sowohl bezüglich der Aufrichtigkeit als auch der praktischen Umsetzbarkeit. Einmal schließt er die Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus und kettet sein politisches Schicksal daran, jetzt ist es ihm plötzlich egal, wer ihm auf dem von ihm beschriebenen Weg folgt. Man könnte zwar darauf hoffen, dass er damit einen Befreiungsschlag begründet die Brandmauer zu beenden, da er in seiner Rede… Mehr

Rob Roy
24 Tage her
Antworten an  Johann Thiel

Erst wenn der letzte illegale Migrant ausgereist ist, das letzte Flüchtlingsheim geschlossen, die migrantische Kriminalität zurückgegangen und öffentliche Straßen und Plätze für alle wieder sicher sind, werden wir sehen, ob Merz es ernst gemeint hat.

Mermaid
25 Tage her

Merz kann es nicht. Man sieht es im direkten Vergleich mit Alice Weidel. Und er weiß das natürlich auch.
Daß er dazu die AfD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag in seinen Beschimpfungen fast entmenschlicht, spricht Bände. Er hat sachlich nichts zu bieten.
Und, Magdeburg und Aschaffenburg haben es gezeigt, er ist sogar bereit über Leichen zu gehen für ein paar Mandate!

Endlich Frei
25 Tage her

Die zehn Minuten Show sind schon wieder vorbei, die Fortschreibung der Brandmauertoten bei Merz bereits beschlossene Sache.

chloegrace1312
25 Tage her

Mutig wären die Worte von Herrn Merz, wenn er diesen auch Taten folgen lassen würde. Aber wir alle wissen, es wird nichts passieren. So bleibt es, wie immer bei der CDU, hohles Geschwätz. Diese Partei hat fertig.

Demokrat1
25 Tage her

Abgelehnte Asylbewerber, deren die Abschiebung droht, können sich in der von der Ampel geförderten Online-Plattform „Handbook Germany“ in gleich neun Sprachen (u.a. Arabisch, Türkisch, Afghanisch) darüber informieren, wie sie sich gegen eine Abschiebung wehren können. Auf dem Portal heißt es u.a.: Eine Abschiebung lässt sich verhindern durch ein „zum Abschiebetermin nicht auffindbares“ Kind oder ein nachträglich aufgebrachtes Kriegstrauma. „Wenn Sie große Angst vor Abschiebung haben, können Sie bei einer beliebigen Kirche um Asyl bitten.“ Dafür müssen man „kein Christ sein“. Außerdem wird darauf hingewiesen: Wer keinen Pass seines Heimatlandes hat, kann dahin auch nicht abgeschoben werden. Für weitere Informationen wird… Mehr

Rob Roy
24 Tage her
Antworten an  Demokrat1

Diese Broschüre der Innenministeriums ist ein Schlag ins Gesicht jeder Bürgers und jedes anständigen Migranten, der mit uns in Frieden leben möchte.