Bundesministerium der Selbst-Verteidigung

Ein neuer Planungs- und Führungsstab soll jetzt nach Willen des Verteidigungsministers die Misere der Bundeswehr heilen. Doch die überfällige Straffung der Bürokratie soll erst später kommen, also wohl nie. Die zivilen Beamten verteidigen ihre Pfründe.

IMAGO / photothek
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, aufgenommen im Rahmen eines Besuches der Streitkräftebasis der Bundeswehr in Mahlwinkel, 16.03.2023

Der Bundeswehr geht es nicht gut. Sie hat von fast allem zu wenig, es mangelt an Personal, Material und Infrastruktur. „Und sie hat seit dem 24. Februar 2022 noch weniger“, so die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes in Berlin. Im Blick hatte Eva Högl dabei die Unterstützung der Ukraine durch rares Wehrmaterial der Streitkräfte.

Mehr, schneller und besser lautet nun die Devise für Boris Pistorius, der neue Verteidigungsminister legte einen rasanten Start hin. Er stürmte die Hitparade der beliebtesten Politiker, machte sich ein eigenes Bild von der Truppe und kündigte eine Verschlankung des Verteidigungsministeriums an. Laut Medienberichten sollten 160 von 370 Leitungsstellen gestrichen und Stäbe in naher Zukunft aufgelöst werden.

Das hörte sich vielversprechend an: Die Bundeswehr und insbesondere das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) haben eben keineswegs von allem zu wenig. Hohe Stäbe und Ämter mit zahlreichen gut dotierten Stellen und gedoppelten Zuständigkeiten gibt es reichlich. Die Süddeutsche Zeitung regte eine „Wetten, dass-Wette“ an, die auch Boris Pistorius überfordern dürfte: die Hunderte Kästchen allein im Organigramm des BMVg aufzusagen. Deren Aufgaben zu erläutern, würde selbst alte Hasen überfordern.                                              

Der nicht mehr ganz neue Minister hat nun bei Mitarbeiterversammlungen in Berlin und Bonn seine Pläne zur Reorganisation des Ministeriums vorgestellt. Die Zeitenwende solle schneller und kraftvoller umgesetzt und sichtbar gemacht werden. Als zentrales Element hierzu wird ein neuer Planungs- und Führungsstab eingerichtet, für den auf Stellen aus den Büros der Staatssekretäre, des Generalinspekteurs und des Ministers zurückgegriffen wird. Dieser neue Leitungsstab soll der gemeinsame Arbeitsmuskel aller Leitungsbüros werden. „Die Vorgänge auf der Leitungsebene sollen aus einem Guss sein“ wurde hierzu verkündet. Der neue Stab werde dafür sorgen, dass Entscheidungsvorlagen für die Leitung besser vorbereitet werden. Daneben werden zwei Stäbe in vorhandene Abteilungen überführt. Der organisatorische Umbau habe zum Ziel, die Abläufe zu verbessern und nicht Personal abzubauen wurde mit einer Pressemitteilung verkündet. In Ergänzung dazu soll der Sonderstab Ukraine in ein rund um die Uhr tätiges Lagezentrum überführt werden, um besser und schneller auf aktuelle Krisenlagen reagieren zu können. Von wegen Verschlankung: aus einer zeitweise eingerichteten Organisation zur Unterstützung der Ukraine wird mit neuen Türschildern eine dauerhafte.

Rüstungsdesaster statt "Zeitenwende":
Was bei der Beschaffung für die Bundeswehr anders werden muss
Bei denjenigen, die auf Boris Pistorius in Bezug auf die Straffung der unüberschaubaren und kaum steuerbaren Strukturen gesetzt hatten, macht sich Ernüchterung breit. Als grundlegende Reform ist die Einführung eines neuen Leitungsstabes für Planungs- und Führungsaufgaben nun wahrlich nicht zu verkaufen. Stattdessen werden neue Bezeichnungen erfunden, die Einsparung von Stellen kommt später, nach aller Erfahrung jedoch nie! Die sattsam bekannte Scheu vor dem Eingriff in vermeintliche Besitzstände lässt grüßen. Auch dieser Minister zögert offenbar, sich mit Interessenvertretern anzulegen. Erbhöfe sind mal wieder recht erfolgreich bei der Verteidigung ihrer Interessen.

Ein von Arroganz strotzendes Beispiel: „Das ist eine Militarisierung des Verteidigungsministeriums“, sagte die Bundesvorsitzende des Verbandes der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr VBB, Imke von Bornstaedt-Küpper, dem Berliner Tagesspiegel. Anlass für deren Kritik ist die Entscheidung, mit Brigadegeneral Christian Freuding als Leiter einen Soldaten einzusetzen. Dieses zentrale Steuerungsorgan des Ministeriums werde künftig „… inhaltlich alle Vorlagen aus dem Haus (filtern), die an den Minister, die Staatssekretäre oder den Generalinspekteur der Bundeswehr gehen“. „Die Machtfülle des neuen, militärisch geführten Stabes empfinden wir als besorgniserregend“ äußerte von Bornstaedt-Küpper. Das Vertrauen des Ministers in die militärische Führung sei „offenbar grenzenlos„. Pistorius riskiere mit dieser Reform „den Zusammenhalt der Belegschaft …“.

Verschlankung des Ministeriums nicht in Sicht                                                               

Von der Militarisierung des Ministeriums zu reden, wenn eine Schlüsselaufgabe in militärische Hand gegeben wird, kann nur Gewerkschaftsvertretern einfallen. Für erfahrene Ministeriale ist dies ein altbekanntes Lied, die Schallplatte hat einen Sprung. Zivile Würdenträger verteidigen seit Jahrzehnten mit Klauen und Zähnen ihre Pfründe, nicht Kompetenz und Erfahrung sind aus deren Sicht entscheidend für die Besetzung von Dienstposten, sondern Statusfragen. Soldaten gehören demnach in die Streitkräfte und haben sich verwalten zu lassen. Dafür gebe es im Grundgesetz entsprechende Regelungen. Schließlich sei der Bundeswehr nach Art. 87 a Grundgesetz eine zivile Verwaltung vorgegeben. Dabei hatte es bereits einen auch militärisch geführten Planungsstab gegeben (2012 von Verteidigungsminister De Maizière aufgelöst). Man kann sich unschwer vorstellen, was passieren würde, wenn ein – wie in relevanten Partnerländern üblich – vollständiger Generalstab eingerichtet werden würde.

"Sondervermögen" für die Bundeswehr
Was tun elektrifizierte deutsche Soldaten, wenn der Akku leer ist?
Die VBB-Kritik ist ein Vorgeschmack auf das was kommt, wenn tatsächlich einmal Dienstposten reduziert werden sollten. Genau dies ist aber unabdingbar, um sowohl im Ministerium als auch im nachgeordneten Bereich vorhandene Doppelstrukturen abzubauen und Abläufe zu beschleunigen. Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Bis vor einigen Jahren galt noch die Zielmarke von ca. 2000 Stellen für das Ministerium. Seit von der Leyen wurden mit fadenscheinigen Argumenten wieder Detailsteuerungsaufgaben ins BMVg geholt, anstatt das Haus auf Planung, Lenkung und Kontrolle zu beschränken. An die 3000 in aller Regel hochdotierte Dienstposten sind an den beiden Dienstsitzen Berlin und Bonn schon wieder versammelt. 

Unabhängig davon liegt in den erklärten Aufgaben des Planungs- und Führungsstabes eine Menge Zündstoff. „Der neue Stab wird dafür sorgen, dass die Entscheidungsvorlagen für die Leitungsebene besser vorbereitet werden“ heißt es (siehe oben). Die bisherigen Strippenzieher werden sich aber nicht ohne weiteres in die Schuhe schieben lassen, dass die bisherigen Entscheidungsvorlagen nicht gut genug vorbereitet waren. Nach aller Erfahrung werden sich die Büros von Staatssekretären nicht von einem Stab kontrollieren oder gar führen lassen. Das hat es noch nicht gegeben, dass Staatssekretäre auf die Lieferung von Fachbeiträgen reduziert werden, die andernorts für gut befunden oder gar zurückgeschickt werden. Der frühere Planungsstab im Bundesministerium der Verteidigung hatte zwar eine Bewertungsaufgabe, auf andere Leitungsstellen aber keinen Zugriff. Das Ministerium quasi einem Planungs- und Führungsstab im Auftrag des Ministers zu unterstellen, wird nicht funktionieren. Hierzu verfügt der vorgesehene Stab mit 30 Dienstposten auch bei weitem nicht über ausreichend Arbeitskapazität. Es wird daher nicht lange dauern, bis dessen personelle Verstärkung gefordert wird und ein Miniatur-Ministerium im Ministerium entsteht. Wenn diese Konstruktion nicht funktionieren sollte, hätte man aber immerhin einen neuen Sündenbock. Allerdings wäre dieser in bedrohlicher Nähe zum Minister angesiedelt – mit absehbaren Folgen.

Je unnützer einer ist, desto besser wehrt er sich

 Wie diese unendliche Geschichte weitergeht, wird sich zeigen. Die Bundeswehr des Jahres 2023 befindet sich jedenfalls nicht in einem Gleichgewicht zwischen Leistungsfähigkeit und vorliegenden Anforderungen. In ihrer heutigen Struktur haben weder Ministerium noch Bundeswehr eine Zukunft.  Als Fehlerdiagnose kommt seit dem Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels mit unschöner Regelmäßigkeit: Strukturell aufgeblasene Ämter und Stäbe mit bürokratischer Arbeitsweise, damit nur ja niemand verantwortlich gemacht werden kann. Der bekannte Satz „mehr Generale und Admirale als Kampfpanzer“ karikiert die Probleme hinreichend.

In jedem Fall hat Minister Pistorius mit seinen Absichtserklärungen zur Reorganisation und Verschlankung des BMVg die Messlatte hoch gelegt. Der Bundeswehr ist zu wünschen, dass die angekündigten Maßnahmen nicht erneut versanden und der in Teilen vorliegende Kontrollverlust insbesondere in Rüstungsfragen nicht noch weitergehende Formen annimmt. Eine Planungsunterlage für die „Bundeswehr der Zukunft“ von Ministerin Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Zorn liegt seit 2021 vor.

Nun gibt es beide nicht mehr und der Apparat fängt wieder von vorn an zu kreisen. „Je unnützer einer ist, desto besser wehrt er sich“ wusste der rumänische Schriftsteller Panait Istrati bereits 1928. Konsequente Schnitte sind gefragt, anstatt die Hängepartie endlos weitergären zu lassen. Im BMVg laufen nun mal eine Reihe Fäden zusammen, die für die äußere Sicherheit unseres Landes entscheidend sind. Es wird aber kein Weiterkommen geben, solange die Bediensteten im Ministerium weiterhin ihre Kraft in Selbstverteidigung vergeuden dürfen und die Tore von innen zuhalten. 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 19 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

19 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Th.F.Brommelcamp
11 Monate her

Finde ich gut von Pistorius, dass er seinen alter BW Parker aus Studentenzeit aufgehoben hat. Er hatte wohl eine Ahnung, dass er den mal voll in Szene setzen kann. Er wirkt dadurch richtig zackig. Gutes Foto!

Konservativer2
11 Monate her

„Soldaten gehören demnach in die Streitkräfte und haben sich verwalten zu lassen.“

Neben der absehbaren Demontage der Bundeswehr, dem abhandengekommenen Feind und der zu erwartenden Dominanz ahnungsloser Politiker, die das Fell der Soldaten, über die sie nun bestimmen durften, nur zu gern zu Markte trugen, ein weiterer Grund für die Massenflucht studierter Offiziere aus der Truppe Anfang der 90er („Personalstärkegesetz“).

Man wollte es ja so. Und man merkt es heute mehr denn je.

alter weisser Mann
11 Monate her

Wenn sowas subalternes wie Pistorius in Deutschland schon als Hoffnungsträger reüssiert und dann trotzdem nichts weiter bewirkt, außer im Vergleich zu den Vorgängerinnen gut dazustehen, ist klar, wie sehr dieses Land am Ende ist.

Senni
11 Monate her

Das ganze Land ist zu einem unregierbaren Moloch verkommen ! Zudem geflutet mit Analphabeten die Sozialsysteme belasten ohne einen Beitrag zum BIP zu leisten. Alles auf Reset und neu anfangen………

Juergen P. Schneider
11 Monate her

Dass dieses Ministerium ein unregierbarer Moloch ist, weiß man seit Jahrzehnten. Immer wieder treten neue Minister mit neuen Plänen zu Reformen an. Offenkundig liegt dieser Farce ein systemischer Fehler zugrunde. Was gebraucht würde, wäre eine wirklich unabhängige Durchforstung der Strukturen durch eine Kommission aus erfahrenen Fachleuten verbündeter Staaten. Um den Laden vom Kopf auf die Füße zu stellen, muss er von außen analysiert werden und es müssen die dann vorliegenden Reformvorschläge radikal umgesetzt werden. Es ist ein weiteres Armutszeugnis für unser Land, dass wir uns einen solchen Laden leisten und zugeben müssen, dass man ihn nicht reformieren kann. Die Dysfunktionalitäten… Mehr

Bernd Bueter
11 Monate her

Bitte einmal nachrechnen (Addieren reicht), wieviele Milliarden Euro an Steuergeldern in den letzten 20 Jahren in Richtung BW geflossen sind und wie der tatsächliche Ist-Stand der BW ua in Sachen Ausrüstung ist.
Wo ist die ganze Knete geblieben?
In der BW zumindest nicht.
Geldwäsche mit einer Trümmertruppe. Mehr läuft da nicht.

Brotfresser
11 Monate her
Antworten an  Bernd Bueter

Eine gute halbe Billion Euronen!
Aber machen wir uns keine Sorgen: Die sind nicht weg, nur woanders…

Ralf Poehling
11 Monate her

„Militarisierung des Verteidigungsministeriums“… Als ich das das erste mal gelesen habe musste ich laut lachen. Das sagt doch wohl alles darüber aus, was da im BMVg seit Jahren schief gelaufen ist. Das Militär muss militarisiert sein. Das ist sein ganzer Sinn und Zweck. Krieg und Frieden sind zwei verschiedene Dinge, die rechtlich wie auch von den Methoden unterschiedlich gehandhabt werden müssen. Und nein, das hat mit politischer Ausrichtung nichts zu tun und ist auch nicht „rechts“. Ein Soldat, der unter Beschuss steht, schießt immer zurück. Unabhängig davon, ob er politisch links, mittig oder rechts steht. Wenn er das nämlich nicht… Mehr

Irdifu
11 Monate her

Warum kann man nicht die Vier ( besser Fünf ) W…. ääähhh
Damen belangen, die für die komplette Zerstörung der Bundeswehr verantwortlich waren? Eine, seit Jahren Bundeskanzler und seit 2015 Deutschlandvernichterin, eine in Brüssel, die dort genauso viel Schaden anrichten darf, ohne dass 27 Länderchefs auch nur aufmucken (also gut, 26, Orban muckt ja), von der dritten ist wenig zu hören, die vierte hat die Bundeswehr lächerlich gemacht, ist mit Stöckelschuhen in der Wüste rumgestapft und hat Helikopter als privates Transportmittel missbraucht. Kann es sein, dass die Truppe absichtlich kampfunfähig gemacht wurde??

Last edited 11 Monate her by Irdifu
Konservativer2
11 Monate her
Antworten an  Irdifu

Auch Sie haben’s noch nicht verstanden: KiTas und Offizier*Innen mit fluidem Geschlecht sind heute gefragt ?

Ich habe nämlich mittlerweile meine Zweifel, ob die Landesverteidigung wirklich gestärkt werden soll. Ein paar atomwaffenfähige Flug-Teslas sowie ein paar längst überfällige neue Helis reichen da nämlich beileibe nicht… Sie brauchen zufällig auch ein paar Soldaten dazu, die den Kurs von Baerbock, Faeser oder sonstwem in Berlin mittragen.

Last edited 11 Monate her by Konservativer2
Teiresias
11 Monate her

Die Bundeswehr hat wesentlich mehr Geld, als die israelischen oder polnischen Streitkräfte. Das Problem ist nicht das Geld.
Während die israelische Armee im Kern aus Kampftruppen besteht, besteht die Bundswehr aus Verwaltungsfritzen, die andere Verwaltungsfritzen verwalten.
Es braucht grundlegende Strukturreformen.
Mehr Geld in ein Fass ohne Boden zu kippen und ohne Sinn und Verstand US-Ausrüstung zu kaufen wird die Bundeswehr nicht zu einer Armee machen.

Ananda
11 Monate her

„Im Blick hatte Eva Högl dabei die Unterstützung der Ukraine durch rares Wehrmaterial der Streitkräfte.

Ist das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden, die gedacht sind um die abgewirtschaftete Bundeswehr wieder funktionstüchtig zu machen, eigentlich ein verschleierter Kriegsetat für die Ukraine?
Das nennt sich in der freien Wildbahn „Erschleichung von Leistungen“. Nur noch Willkür und Vera….ung der Bürger.

Brotfresser
11 Monate her
Antworten an  Ananda

Und von Onkel Joe aus Amerika haben die ja auch schon knappe 200 Milliarden Dollar bekommen…