Antworten 2: Deutsch sein, was ist das für Sie ganz persönlich?

Hier das zweite Antwortpaket. --- Zur lockeren Volksbefragung laden wir weiter herzlich ein.

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Fortsetzung „Antworten 2: Deutsch sein, was ist das für Sie ganz persönlich?“

48, männlich, Kurpfalz

Mit Freunden im Garten unter dem Weihnachtsbaum im Feinrib-Unterhemd und in Badelatschen mit Strümpfen Thüringer Rostbratwürste zu grillen dazu ein Pils nach deutschem Reinheitsgebot gebraut zu Zischen und im Hintergrund schmettert der Plattenspieler Rudi Schurickes unvergessene „Caprifischer“ . Geiler kann das Leben doch nicht sein ! WeihnachtsOsterhase

Ich wünsche allen ein friedliches und vor allem nach den hitzigen Diskussionen in unserem Land auch ein versöhnliches Weihnachtsfest.

55, männlich, Hannover: in Ruhe gelassen werden

Was es wirklich bedeutet, ein Deutscher zu sein oder Deutsch, kann man am besten mit einem Blick von außen auf Deutschland und seine deutsche Bevölkerung beantworten. Ich bin mit einer Polin verheiratet und habe mit fast allen Europäern, aber auch mit Türken, Chinesen und Amerikanern beruflich zu tun gehabt, und über die Unterschiede lässt sich auch etwas über die Deutschen sagen.

Der Deutsche an sich will eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Auf Provokation oder Druck reagiert er anfangs verhalten bis zögerlich und später oft mit Überreaktion. Diplomatie ist nicht seine Stärke. Er ist direkt und eher offen, was gegenüber anderen Kulturen oft als brüskierend und ungeschickt empfunden wird. Sie sind aber an anderen Kulturen sehr interessiert und empfinden es ehrer als selbstverständlich, Fremdsprachen zu lernen.

Die Deutschen sind auf Sicherheit bedacht. Sie scheuen das Risiko und sind eher Pessimisten als Optimisten. Das erklärt auch ihren Hang zur Planung, zu Versicherungen, zur Staatsgläubigkeit und zu der geringeren Zahl an Start-ups im Vergleich z.B. zur wesentlich risikofreudigeren USA. Die Deutschen bevorzugen in der Führung das Konsensmodell. Die Meinung der Mitarbeiter zählt etwas in deutschen Unternehmen, was z.B. Franzosen nur selten kennen. Die Deutschen sind anders, sie denken aber, dass alle anderen anders sind.

Nehmen sie das Zählen: 21 wird Ein und Zwanzig gesprochen (erst der Einer und dann der Zehner). In allen mir bekannten europäischen Sprachen wird erst der Zehner und dann der Einer genannt. Die Deutschen wecken unbemerkt den heimlichen Neid der Nachbarn. Die enorm schnelle Regeneration nach dem zweiten Weltkrieg und die Bewältigung der Wiedervereinigung mit ihren enormen Kosten hat viele andere Nationen überrascht und in ihrem Bewußtsein, die „Besseren“ zu sein getroffen.

Mein polnischer Schwager ist ein glühender Verehrer der Deutschen Wehrmacht und kennt sich mit der jüngeren deutschen Geschichte viel besser aus als ich. Ich habe in der Schule nur gelernt, das wir uns schämen müssen und am besten im Ausland nicht erwähnen, dass wir aus Deutschland kommen. Unser funktionierender Staat, das überbordende Sozialsystem, die boomende Wirtschaft, die exzellenten Produkte, die hohe Zuverlässigkeit, die scheinbar unbegrenzten Geldmittel, all das schafft Bewunderung.

Dem gegenüber steht der nicht vermittelbare Hang zur Selbstzerfleischnung, das mangelnde Selbstbewusstsein, aber auch der merkwürdige Hang, die Welt am deutschen Wesen bzw. deutscher Moralvorstellungen genesen lassen zu wollen. Wir Deutschen haben einen Hang zur Gestaltung, zur Ordung, zu Regeln und deren Einhaltung, zur Sauberkeit, zur (privaten) Sparsamtkeit und zur öffentlichen Verschwendung. Wir bauen lieber Dinge statt Beziehungen. Wir sind wie ein kraftstrotzender, orientierungsloser Teddybär im rosa Sonntagsanzug. Voller Potential aber irgendwie auch ein wenig tollpatschig und lächerlich.

51, weiblich, Berlin: von überall

Meine eine Urgroßmutter kam aus Polen, die andere aus dem Baltikum, die väterliche Seite stammt aus Ostfriesland, die andere aus Hamburg und Brandenburg, bei den Ostfriesen sind auch noch einige Niederländer mit dabei … meine Kinder haben eine deutsche Mutter und einen tunesischen Vater,sind in der Schweiz geboren und mein jetziger Mann ist Oberfranke, seine Eltern stammten aus Böhmen …

Sie alle wohnten und wohnen im Staatsgebiet des heutigen Deutschlands, dem Land in der Mitte Europas, durch das fast alle immer irgendwie durch müssen, um irgendwo hinzukommen, und manche bleiben auch. Gerade Deutschland ist doch ein Produkt tausendjähriger europäischer Wanderbewegungen. Deutschland ist das geographische Zentrum Europas, um uns kommt niemand herum, ober er es will oder nicht!

82, männlich, Franken

Deutschsein bedeutet für mich, dass ich das Gefühl habe, hierher zu gehören; d.h. dass ich auf der Straße deutsche Laute höre, dass ich auch sonst im Leben ( Behörde, Gericht, Klinik, Parlament etc.) auf Deutsche treffe, die nach ihrer Sprache, nach ihrem Aussehen und ihrem Verhalten hierher gehören, deren Namen ich auch ohne weiteres aussprechen kann, wenn ich ihn lese und dass all diejenigen weniger werden, die meinen, unser Land müsse mit Gewalt amerikanisiert, afrikanisiert, balkanisiert oder orientalisiert werden. Einige Exoten, wie Neger, Fez-oder Turbanträger, vor allem in der Großstadt sind sicherlich erforderlich – aber auch ausreichend.

69, männlich, Waldböckelheim

Deutscher zu sein ist ganz sicher mehr, als nur die Sprache zu sprechen oder als „Verfassungspatriot“ die Gesetze einzuhalten, woran nicht einmal die Regierungen denken. Hätte ich einen französischen Pass – die Sprache und Kultur mag ich, zudem waren einmal Vorfahren als Waldenser und Hugenotten dort zu Hause –  wäre ich dennoch kein Franzose. Dass ein „Fremder“ Deutscher werden kann, das hat die Vergangenheit vielfach bewiesen – auch wenn es bei einigen etwas länger gedauert hat. Aber es war nie ein Nachteil, als Fremder in Deutschland zu leben, so lange sich dieser so benommen hat, wie „man“ es von einem Fremden überall in der Welt erwartete – sofern die Regierungen als Rassen nicht trennten, was als Menschen zusammenwachsen wollte.

Dass ich auch meine Familie und mein Land zu lieben vermag, das freut mich; in diese Liebe eingeschlossen sind bestimmt nicht alle jene, die da Unfug mit den Menschen trieben oder treiben, ob in Regierungsämtern oder als „Autonome“ auf Straßen, ob mit provokanten Symbolen ihrer sexuellen Ausrichtung oder ihrer sonstigen öffentlich zur Schau getragenen weltanschaulichen oder religiösen „Bekenntnisse“,mit denen sie mich aufgrund meines schwachen Magens zwingen, Ansammlungen zu meiden, wo solche ZeitgenossInnen herumlaufen oder zu zappen, wenn solches über Mattscheiben flimmert.

Anständige Ausländer, die auf ehrliche Weise ins Land kommen, sind mir ganz sicher lieber als jene Deutschen, die mir über Massenmedien suggerieren, was ich zu denken, wen ich willkommen zu heißen habe (das „Willkommen“-Schild hab ich seit Angela’s Aufruf abgehängt) und die sich mit immer mehr technischem Aufwand dennoch zunehmend weniger Mühe geben, mich mit ihren „Nachrichtensendungen“ und Schlagzeilen zu belügen.

Hätte ich die Wahl, Claudia Roth oder Necla Kelek als Nachbarin haben zu können, so wäre diese Entscheidung leicht zu treffen, ebenso bei der Wahl für einen Gesprächsabend zwischen Georg Diez oder Frederick Forsyth. Zu viele meiner ZeitgenossInnen scheinen an ihrem Deutschsein seit früher Jugend gescheitert zu sein und belästigen seither mit ihrem Unwissen und ihrer Autoaggressivität mein Volk.

Dass wir Deutsche mit unseren Regierungen nicht viel Glück hatten – ausnehmen möchte ich Bismarck und Erhard – das ist schon recht tragisch, darüber könnte man schon ein wenig verbittert sein auf sein Deutschsein; auch über die vielen Duckmäuser, die das  „sapere aude“ noch immer nicht verinnerlicht haben. Dazu passt, dass sich die Regierungen und ihre ClaqueurInnen in den Medien mangels eigener Ideen seit 30 Jahren als „Gegenentwurf zum Nationalsozialismus“ betrachten.

Zugegeben, als Pensionär ist das mit dem „sapere aude“ leichter als während seiner Dienstzeit als aufstiegswilliger Beamter.

68, weiblich aus Bremen: Muttersprache und Schützenfeste

Letzten Sommer in Bremen, nach dem Stadtbummel zurück ins Hotel, per Bus. Es gab mehrere Bus-Haltestellen, ich wollte mich erkundigen, von wo der Bus abfährt in Richtung Osterholzer Heerstrasse. An allen Haltestellen standen Leute, die auch auf ihre Busse warteten. Aber alle!! die ich fragte, sprachen meine Sprache nicht oder kaum, ich war „fremd unter Fremden“.

Für mich ist die Kommunikation im „Mutterland“ in der Muttersprache die Voraussetzung eines nationalen Zugehörigkeitsgefühls. In Ballungszentren kann man die Unterhaltung vieler Menschen im öffentlichen Raum – in Bussen, Bahnen, Restaurants, Läden etc. nicht mehr verstehen, da fühle ich mich ausgegrenzt.

Ab und zu schaue ich mir auf YouTube etwas wehmütig den grossen Zapfenstreich an und erinnere mich so gerne an die vielen Schützenfeste und die Umzüge mit den Dorfkapellen. Inzwischen bin ich darob ganz verunsichert – ist man da schon auf dem Weg zum „Nazi“?
Beneidenswert z.B. die Amerikaner, die so selbstverständlich die Hand aufs Herz legen, inbrünstig ihre Nationalhymne schmettern und ihr Sternenbannerfähnlein schwenken dürfen – Deutschlandfähnchen geht bei uns ja nur noch beim Fussball.

Wenn mich in diesen Zeiten meine Deutsch-sein-Sehnsucht überkommt, höre ich Geschichte, z.B Golo Manns Deutsche Geschichte 1789 bis 1945 oder Kempowskis Tadellöser und Wolf u.a.

43, männlich, Köln: feste feiern

Zum Deutschsein gehören meines Erachtens in erster Linie die Werte der Aufklärung, nicht umsonst hat dazu ein Deutscher das passende Manifest verfasst – Immanuel Kant forderte zum eigenständigen Denken auf und wies den Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Deutsch ist, wer traditionelle Werte mit Fortschrittlichkeit verknüpft, kritisch bleibt und herkunftsbewusst der Zukunft zugewandt ist. Dabei sind wir stolz auf Höchstleistungen in Kunst, Kultur und der Technik. Deutsche streben nach Erfüllung in Ihrem Tun und haben die permanente Verbesserung im Sinn. Geistige Werte stellen wir im Grundsatz über materielle.

Das Pflichtbewusstsein haben wir sicherlich hier und und da übertrieben, aber die Lockerheit ist auch Teil der deutschen Identität geworden, schließlich wussten wir immer schon Feste auch „feste“ zu feiern.

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