Nafiur Rahman ist in Gießen in den Bundesvorstand der neugegründeten AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“ gewählt worden. Rahman ist 27 Jahre, geboren in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, Ex-Muslim, mit abgeschlossenem Maschinenbaustudium. Pfarrer Achijah Zorn hat das folgende Interview mit ihm geführt, das eine überraschende Wendung nimmt.
Achijah Zorn: Reicht Ihnen nicht, Migrant zu sein, um diskriminiert zu werden, oder warum sind Sie in der AfD aktiv?
Nafiur Rahman (lacht): Ja, ich erlebe so manche Diskriminierung. Meine bengalischen Bekannten sehen mich als Verräter von Bangladesch, weil ich mich für Deutschland stark mache. Die Geimpften haben mich verachtet, weil ich mich nicht gegen Corona impfen ließ. Manche Muslime hassen mich, weil ich dem muslimischen Glaubern abgesagt habe und Christ geworden bin. Und grüne „Gutmenschen“ hetzen gegen meine vermeintliche „Dummheit“, weil ich als Migrant die AfD stärke, die mich angeblich sofort deportieren würde, wenn sie an die Regierung käme. Ich halte vielfach den Kopf in den Sturm; und manchmal denke ich, ich hätte es mir gewiss leichter machen können. Aber ich hoffe, dass dieser steinige Weg meinen Charakter stärkt (lacht).
Und Sie werden doch auch von AfDlern angegangen. „Deutschland den Deutschen. Der hat nichts in der AfD zu suchen“, so hat jemand unter ein Foto von Ihnen getwittert.
Es gibt sicherlich einige in der AfD, die mit mir als Deutschem mit Migrationshintergrund Probleme haben. Aber das ist nicht die Partei. Eher im Gegenteil. In der Partei verspüre ich Rückenwind. Die AfD in Hessen wirbt um Bürger mit Migrationshintergrund, deren Herz für Deutschland schlägt und die auch unter dem Verfall dieses Landes leiden.
Identifizieren Sie sich mit Deutschland?
Ja, ganz klar. Ich bin mit 1,5 Jahren nach Deutschland gekommen. Dieses Land ist meine Heimat. Zu meiner Identität gehört aber natürlich auch, dass ich ethnisch ein Bengale bin; die bengalische Sprache beherrsche ich ebenfalls. Als Migrant kann und will ich meine Herkunft nicht leugnen. Das gehört zum Reichtum meiner Person. Aber Ethnie ist nicht alles. In der AfD ist der „patriotische Volksbegriff“ unsere Leitlinie: Jeder ist deutsch, der die deutsche Sprache kann, der sich eindeutig dem deutschen Volk zugehörig fühlt und der sich mit Wort und Tat für unser Land engagiert.
Ist die AfD nicht eine „völkische Partei“, in der die ethnische Zugehörigkeit überbetont wird?
Als klar gewählter Mandatsträger der AfD bin ich der lebendige Gegenbeweis. Vielleicht ärgern sich deshalb viele linke „Gutmenschen“ über mich, weil ich mit meiner bloßen Person das Vorurteil von der „völkischen AfD“ widerlege. Die deutsche Sprache und Kultur ist weit stärker als das deutsche Blut. Genau das macht die Kraft und den Reichtum der deutschen Kultur aus.
Sie haben sich zum christlichen Glauben bekehrt. Wenn Sie Muslim geblieben wären, wären Ihnen dann die Türen in der AfD verschlossen geblieben?
„Islam“ umfasst ein breites Spektrum: Von säkularen Kulturmuslimen bis hin zu gewaltbereiten Glaubens-Dschihadisten, die die westliche Lebensart verachten und die friedlichen Muslime als Schutzschild missbrauchen, um dahinter ihre zersetzende Religiosität zu verbreiten. Die AfD zieht die Linie eindeutig bei Muslimien, die sich nicht zum Grundgesetz mit seinen Grundprinzipien bekennen: Trennung von Staat und Religion, Souveränität beim Volk, Gewaltenteilung und Gewaltmonopol des Staates.
Wie können Sie als Person mit Migrationshintergrund aus einem muslimischen Land in einer Partei aktiv sein, die migrations- und islamkritisch ist?
Ich bin für eine Migration mit Augenmaß und Vernunft. Migrationsmassen, die nicht mehr in unsere Sozialsysteme, Schulen und Städte integrierbar sind und die darüber hinaus unsere finanziellen Möglichkeiten sprengen, werden mittelfristig weder den Deutschen noch den Migranten weiterhelfen. Genau darum bin ich in der AfD, um mich für eine nachhaltige Migration und Integration einzusetzen. Ich habe in der Coronazeit gemerkt: Es reicht nicht, auf die Politik zu schimpfen oder auf die Straße zu gehen. Die Entscheidungen fallen in den Parlamenten durch die Parteien. Wirklich bewegen kann man nur etwas in Parteien. Und die AfD hatte von Anfang an den Mut, Angela Merkels irrsinige Migrationspolitik anzuprangern.
Sind Sie Christ geworden, um sich besser zu integrieren?
(lacht) Dann hätte ich wohl Atheist oder Agnostiker werden müssen. Nein, ich bin Christ geworden, aus persönlichen und theologischen Gründen. Im Islam habe ich gelernt, dass mein ganzes Leben ein Abwägen von guten und schlechten Taten ist, wobei am Ende in Gottes Gericht hoffentlich die guten Taten überwiegen. Aber das funktioniert nicht. Eine schlechte Tat kann man nicht durch gute Taten wiedergutmachen. Ein Richter spricht keinen Mörder frei, wenn dieser 10 Obdachlosen geholfen hat. Als ich in einem Spielzeugladen gejobbt habe, da hat mir eine Arbeitskollegin von ihrem christlichen Glauben erzählt. Nicht die Güte meiner Taten seien entscheidend, sondern die Liebe und Vergebung Jesu, die er mir schenkt, selbst wenn ich moralisch versage. Das ist etwas Wunderschönes, was ich so im muslimischen Glauben nicht kennengelernt hatte, wo es immer auch um Furcht vor Gott und um das Niederwerfen unter Allah geht.
Hilft ihnen der christliche Glaube in Ihrer politischen Tätigkeit?
Ja, mehr als ich dachte. Politik hat in Deutschland manchmal richtig religiöse Züge. Da wird gekämpft, als ginge es um Himmel und Hölle. Ich bin da viel nüchterner. Politik ist ein Abwägen von Argumenten. Nicht mehr, nicht weniger. Mein christlicher Glaube ist meine Religion, nicht die AfD. Und letzte Woche vor der aufregenden Neugründung unserer Jugendorganisation in Gießen mit all den angekündigten Krawallen hat mir der Glaube auch geholfen. Es gibt im Neuen Testament die Geschichte, wo Jesus mit seinen Jüngern auf dem See Genezareth war und ein großer Sturm aufkam (Markus 4,35-41). Die Jünger sind total aufgeregt und haben Angst, dass ihr Boot untergeht. Doch Jesus liegt unter Deck und schläft ganz ruhig. Das hat mir imponiert. Und die Ruhe Jesu hat auf mich ausgestrahlt in Gießen. Ich war gelassener gegenüber allen linken Krawallmachern und gelassener darüber, ob ich gewählt werden würde oder nicht. Diese Gelassenheit habe ich nicht immer. Aber letzte Woche habe ich sie aus Gottes Hand geschenkt bekommen. Ich bin dann mit 72% gewählt worden. Das war ein toller Tag.
Ist es gefährlich für Sie, sich als Ex-Muslim so zu Ihrem christlichen Glauben zu bekennen?
Das kann sein; und das ist nicht schön. Aber Jesus Christus macht im Neuen Testament Mut, zu seinen innersten Überzeugungen zu stehen, selbst wenn man dafür schwere Nachteile in Kauf nehmen muss.
Was hilft Ihnen noch neben dem Glauben, wenn Sie Ihren Kopf in den Sturm halten?
Meine privaten Freunde und wohl auch das Fitnessstudio, wo ich Spannungen abbauen kann. Um nur zwei Dinge zu nennen.
Wie feiern Sie Weihnachten?
Das weiß ich noch gar nicht. Eher wie ein normaler Tag. In meiner muslimischen Familie wird Weihnachten nicht gefeiert. Aber ich werde bestimmt einen Augenblick finden, Gott „Danke“ zu sagen und vielleicht die Weihnachtsgeschichte zu lesen. Im letzten Jahr habe ich mich zu Heiligabend in der Nacht aus dem Haus geschlichen, um einen Mitternachtsgottesdienst zu besuchen. In der Innenstadt habe ich Kumpel getroffen, die gingen gerade zu einem Party-Club zum Feiern; ich wusste gar nicht, dass es so etwas zu Heiligabend gibt. Ich ging dann in eine Kirche, um dieses zentrale christliche Fest mit anderen Christen zusammen zu feiern.
Vielen Dank für das offene Gespräch. Ich bin überrascht, wie es durch Sie eine akzentuiert christliche Note bekommen hat. Es ist ein „Vorwort zum Sonntag“ geworden. Das freut mich, denn ich bin selber fröhlicher Christ. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.


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