Schulden sind für die EU bald wie Schlechtwetter

Die Euro-Schuldenkrise ist keine Naturkatastrophe oder schlechtes Wetter, sondern gemachte Misswirtschaft der Regierungen.

© Patrick Kovarik/AFP/Getty Images
German Chancellor Angela Merkel (C, second row) and French President Emmanuel Macron (5thL, 2nd row) pose with members of the French and German governments during an annual Franco-German Summit at the Elysee Palace in Paris on July 13, 2017

Das Treffen des deutsch-französischen Ministerrates in dieser Woche sollte dazu dienen, Angela Merkel und Emmanuel Macron als die neuen Reformer in Europa zu präsentieren. Eine engere militärische Zusammenarbeit wurde vereinbart, gemeinsame Forschungsprojekte angestoßen und das Handlungsfeld für die Reformen der Währungsunion abgesteckt. Konkretes war bei Letzterem Mangelware.

Das Thema Euro ist für die Kanzlerin zu heikel, als dass es den Wahlkampf stören sollte. Im Hintergrund wird aber bereits seit Wochen verhandelt. Macron und Frankreich wollen seit Langem einen Euro-Finanzminister mit einem eigenen Haushalt etablieren, um durch öffentliche Investitionen die Angleichung der Volkswirtschaften in der Eurozone zu erreichen. Merkel und Wolfgang Schäuble wollen den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln, der im Notfall Kredite vergeben kann, aber ohne die Beteiligung des unliebsamen Internationalen Währungsfonds. Eine weitere Differenz beider ist die Vorgehensweise. Macron will dies alles durch Änderungen der Europäischen Verträge erreichen, die deutsche Seite ist hier skeptischer, ob dies gelingen kann und ob noch mehr Kompetenzen an die Kommission abgegeben werden sollten. Insbesondere Schäuble misstraut den Bürokraten in Brüssel und will daher lieber an der EU vorbei intergouvernementale Verträge der Euro-Staaten untereinander schließen. So funktioniert bereits der ESM, die Kommission und das EU-Parlament haben darauf keinen Einfluss.

Jetzt hat der Chef des Euro-Krisenfonds ESM, Klaus Regling, die Katze aus dem Sack gelassen. Er schlug vor, den ESM nicht nur bei Gefahren für den Euro als Ganzes einzusetzen, sondern auch bei „plötzlich schweren Krisen“ in einem Mitgliedsland. Der Fonds sollte dafür von derzeit 700 um weitere 100 bis 200 Milliarden Euro gefüllt werden. Anleihe nimmt Regling am „Rainy-Day-Fonds“ in den Vereinigten Staaten, der bei Naturkatastrophen in den einzelnen US-Bundesstaaten zum Einsatz kommt. Vergleiche hinken, auch dieser.

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Die Euro-Schuldenkrise ist keine Naturkatastrophe oder schlechtes Wetter, sondern von Menschenhand gemachte Misswirtschaft der Regierungen. Der ESM wird auch nicht nur dann eingesetzt, wenn der Euroraum als Ganzes gefährdet ist – schön wäre es. Er wird immer dann eingesetzt, wenn es tagespolitisch opportun ist. Bereits bei seinem ersten Testfall, der drohenden Zahlungsunfähigkeit Zyperns im Jahr 2013, kam er zum Einsatz. Damals war schon klar, dass eine kleine Insel im Mittelmeer, deren Fläche nur zur Hälfte zur EU und zum Euroraum gehört, niemals den Euroraum als Ganzes gefährden kann. Deren größte Bank, die damals in Schieflage geriet, war kleiner als die Hamburger Sparkasse und es leben weniger Menschen dort als in Köln.

Doch was Macron will, ist nicht nur einen größeren Krisenfonds zu schaffen, sondern einen Finanzausgleich, vergleichbar dem Länderfinanzausgleich in Deutschland. Dieser wurde zwar hierzulande gerade beerdigt, aber dennoch dient er als Vorbild. Es soll ein Umverteilungsmechanismus geschaffen werden, bei dem die reicheren Länder den ärmeren Ländern regelmäßig helfen. Der deutsche Anteil an diesem Topf würde rund 30 Prozent betragen, also je nach Größe bis zu 60 Milliarden Euro. Zum Vergleich, das ist mehr als das Dreifache dessen, was der Bund derzeit für Bildung und Forschung ausgibt. Das ist für eine Kanzlerin vor einer wichtigen Wahl schwierig zu erklären.

Beide Pläne sind daher sehr gefährlich für den Steuerzahler hierzulande. Der Einstieg in einen Länderfinanzausgleich wäre ein Fass ohne Boden, der unendliche Summen verschlingen würde, ohne dass die Ursachen der Wirtschaftsschwäche in Südeuropa wirklich angegangen würden. Im Gegenteil würden der Reformdruck genommen und private durch öffentliche Investitionen ersetzt. Aber auch ein Europäischer Währungsfonds, der den IWF rausschmeißt, würde das Kungeln innerhalb der Eurogruppe nur noch erhöhen. Mehr Prinzipientreue ist dadurch nicht zu erwarten. Deutschland gewinnt nichts, wenn es die falschen Rezepte zur Krisenbewältigung von Frankreich übernimmt, nur weil man Präsident Macron stützen will. Und Frankreich gewinnt nichts, wenn es Deutschland durch einen Länderfinanzausgleich schwächt, nur weil man nicht bereit ist, die Hausaufgaben im eigenen Land zu machen. Und Angela Merkel gewinnt nichts, wenn sie die Wähler über ihre eigentliche Absicht hinter die Fichte führt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.

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Kommentare ( 10 )

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markus marahrens
6 Jahre her

Wo kommt denn die Dame her, die hier fälschlicherweise statt Heimsuchung als Kanzlerin tituliert wird?

Back to the roots,

socialism is coming home.

Antisozialist
6 Jahre her

Und wenn es doch eng werden sollte, springen wohl die Notenbanken am Ende wieder ein. Das erfuhren Anleger zuletzt am 7. Juli, als die Bank of Japan über Nacht ankündigte, zehnjährige japanische Staatsanleihen bei einer Rendite von 0,11 aufzukaufen. Unbegrenzt, um einen weiteren Anstieg der Renditen auszuschließen. Die Zinswende ist so unwahrscheinlich, wie ein Wachsen des Schuldenbergs sicher ist.

F.Peter
6 Jahre her

Die europäische Fiskalpolitik war schon kurz nach der Einführung des Euro gescheitert, wird seit 2008 mit den sogenannten „Rettungsschirmen“ weiter gegen die Wand gefahren und zahlen dürfen das diejenigen, die solide gewirtschaftet und Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet haben, nämlich die Bürger und Steuerzahler dieses Landes, die schon länger hier leben! Es zeigt sich immer mehr, dass Politiker nicht in der Lage sind, eine solide Finanzpolitik zu betreiben. Lieber wird in Wahlergebnissen gedacht, als eine Politik zu betreiben, die gesamtwirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich erfolgreich ist. In Deutschland wird inzwischen alles von Politikern und willfährigen Gefolgsleuten all das zerstört, was dieses Land… Mehr

Vogelfrei
6 Jahre her

Was soll das sein, Merkels Politik, die gibts doch gar nicht, die Frau trifft erratische Entscheidungen nach Stimmungslage. Ihr Job in der Währungspolitik wird sein, den Deutschen die von Frankreich und Italien getroffenen Entscheidungen zu verkaufen, aber bitte erst nach den Wahlen…

Querdenker
6 Jahre her

Volle Zustimmung, nur der letzte Satz stimmt nicht. Denn wenn sie die Wahrheit sagen würde könnte ihre Wiederwahl gefährdet sein. Obwohl – auch Martin Schulz ist dafür. Wem würde dann die Wahrheit nützen?
Auf jeden Fall kann sie mit dieser Lüge 4 weitere Jahre gut regieren, wer will sie daran hindern? Nach diesen 4 Jahren ist diese Lüge durch neue Krisen vergessen und sie kann noch einmal für 4 weitere Jahre kandidieren.

ZurückzurVernunft
6 Jahre her

Exakt auf dieses Argument habe ich gewartet: 1. Länderfinanzausgleich könnte durchaus etwas sinnvolles sein, so wie jede Versicherung oder jeder Solidarpakt. 2. Bayern hat von1950 – 1987 insgesamt 3,39 Milliarden Euro erhalten und guut investiert. Dieser Betrag ist insgesamt deutlich geringer, als die 5,4 Milliarden, die Bayern jetzt jährlich (!) zahlt. 3. Der Länderfinanzausgleich an Berlin ist bei einer R2G Regierung ein Fass ohne jeden Boden. Die getätigten Investitionen sind kontraproduktiv. 4. Dass der Aufstieg des Österreicher in Bayern seinen Anfang nahm ist völliger Unsinn. In Landsberg wurde Hitler vom bayerischen Staat wegen des Putschversuches inhaftiert. Sechs Einbürgerungsversuche des staatenlosen… Mehr

6 Jahre her
Antworten an  ZurückzurVernunft

Sehr witzig! Die Milliarden und Millionen in den 70er Jahren hatten auch eine deutlich höhere Kaufkraft als heute!

Und wer hat den die Industrialisierung Bayerns vorangetrieben? Die Urbayerische Bevölkerung oder die aus allen Bundesländern importierten Studenten?

Aber Bayern ist trorzdem ein gutes Beispiel, wie es Deutschland in Zukunt gehen wird, wenn es nixhts mehr zu geben hat. Dann spalten sixh plöttlich aller Nehmerländer ab …

Ghost
6 Jahre her

Die Umverteilung à la Macron kann nicht funktionieren, ausser Deutschland zahlt (was ohnhin in gewissem Rahmen schon geschieht) und ruiniert sich dabei. Macron sucht händerringend nach Auswegen (Staatsdefizit, Investitionen und vieles mehr).
Prosaisch ausgedrückt: der wird sich noch wundern!

Der Prophet
6 Jahre her
Antworten an  Ghost

Der wird sich höchstens wundern, wie einfach es ist, den Deutschen die Kohle aus den Taschen zu ziehen, da keinerlei Gegenwehr aufkommen wird.

Jo
6 Jahre her

Lieber Herr Schäffler, . Ihnen ist natürlich zuzustimmen, denn wenn sich innerhalb der EU nicht die Schwachen an den Starken orientieren, sondern umgekehrt, dann wird bspw. Deutschland auch letztlich im internationalen Wettbewerb schwächer und damit weniger finanziell leistungsfähig und in Folge sprudelt das Steuergeld auch nicht mehr so üppig. Mit der derzeitigen „Politik“ der Eurogruppe (und der gesamten EU) wird das eigentlich mal gewollte Ziel eines starken und im Konzert der großen, globalen Wirtschaftsräume (China, der „Rest“ Asiens, USA, BRICS, EU) wettbewerbsfähigen Europa konterkariert und am Ende führt es zur Zersplitterung. . Das eigentliche Problem ist, dass sich die ökonomischen… Mehr