Die teure deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Nach 13 Jahren führt Deutschland wieder die Ratspräsidentschaft. Schon 2007 war Angela Merkel EU-Ratsvorsitzende. Doch diesmal wird es richtig teuer.

imago Images/Xinhua

So „ewig“ regiert die deutsche Kanzlerin bereits, dass sie in ihrer langen Amtszeit schon zum zweiten Mal Deutschland in den sechs Monaten einer EU-Ratspräsidentschaft vertritt. Zwar ist sie diesmal nicht mehr zugleich Vorsitzende des Europäischen Rates wie 2007. Denn damals gab es die mit dem Lissabon-Vertrag 2009 eingeführte Position des EU-Ratspräsidenten noch nicht, die heute jeweils für zweieinhalb Jahre vergeben wird. Dieses Amt übt derzeit der Belgier Charles Michel aus. Doch auch damals war es eine Krisen-Präsidentschaft, weil die weitere europäische Entwicklung nach dem Scheitern der EU-Verfassungen bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden auf Messers Schneide stand. Deutschland stellte durch eine Reihe von Zugeständnissen die entscheidenden Weichen für den Lissabon-Vertrag, der dann später von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde und trotz deutlicher Bedenken auch die Hürde des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts nahm.

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Die aktuelle Ratspräsidentschaft findet ebenfalls im Krisenmodus statt. Die fatalen ökonomischen Wirkungen der Corona-Pandemie, die Folgen des britischen EU-Austritts, der aufgrund der jüngsten Entwicklungen durchaus noch hart zu werden verspricht, aber auch das EU-Budget für den Siebenjahreszeitraum von 2021 bis 2027 – das sind die wohl wichtigsten aktuellen Baustellen, die für Deutschland so teuer wie nie zu werden drohen. Allein die Kompensation des britischen Austritts, weil die EU-Überweisungen aus London wegfallen, wird die jährlichen Zahlungen aus dem Bundes- an den EU-Haushalt nach den Wünschen der EU-Kommission um einen zweistelligen Milliardenbetrag erhöhen. Mit einem hohen dreistelligen Milliarden-Nettobetrag würde Deutschland zusätzlich auch für den von der EU-Kommission vorgeschlagenen 750 Milliarden Euro-Wiederaufbaufonds haften, aus dem die Corona-Krisenländer verlorene Zuschüsse und zinsgünstige Kredite mit langen Annuitäten erhalten sollen.

Dass dieser Wiederaufbaufonds mit gemeinsam aufgenommenen Krediten der EU finanziert werden soll, ist ein Sündenfall, der gegen das eindeutige Verschuldungs-Verbot in den völkerrechtlich verbindlichen EU-Verträgen verstößt. Weil für Vertragsänderungen aber die Zustimmung in allen nationalen Parlamenten der 27 Mitgliedstaaten notwendig wäre und dieses Verfahren aufwendig und zeitraubend ist, die Corona-Rezession aber Eile erfordert, werden mehr oder weniger elegante Umgehungstatbestände das Ergebnis langer Brüsseler Nächte sein. Diese Nachtrunden, die in Corona-Zeiten mit ihrer kühlen Videokonferenz-Atmosphäre unterbleiben mussten, erleben womöglich bereits am 17. und 18. Juli ihre Wiederauflage, wenn sich die 27 Staats- und Regierungschefs erstmals wieder persönlich treffen.

Kompromisse in der EU werden im Zweifel immer mit Geld erkauft. Da Deutschland als größte und vermeintlich reichste europäische Volkswirtschaft eingestuft wird, ist vor allem deutsche Großzügigkeit gefragt, wenn sich die EU auf einen gemeinsamen Nenner verständigt. Deshalb weiß man auch nie, ob nationale Widerstandslinien gegen bestimmte EU-Vorhaben wirklich aus Überzeugung aufgebaut werden oder in erster Linie als Verhandlungsmasse, die man sich dann mit deutschen Zahlungen abkaufen lässt. Da die deutsche Politik seit vielen Jahren an der Mär vom reichen Deutschland strickt, das so unglaublich vom europäischen Binnenmarkt und der Euro-Währungsunion profitiert, müssen sich die deutschen Regierungsvertreter nicht wundern, wenn in Brüssel und den EU-Hauptstädten immer wieder Forderungen an sie gestellt werden. Dass in den südeuropäischen Krisenländern, vor allem in Italien, aber auch in Spanien, die mittleren Vermögen der Bürger seit Jahren deutlich über denen Deutschlands liegen und auch die Steuerbelastung in beiden Ländern deutlich niedriger ist, macht vor allem der Ökonom Daniel Stelter immer wieder öffentlich.

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Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: nur eine weitere Etappe auf Merkels Machtmarsch
Doch die Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten für ihre Finanz- und Haushaltspolitik, die einst die Grundlage dafür war, dass Deutschland mit dem Maastrichter Vertrag die Euro-Einführung ermöglichte und sich dafür die „No-Bail-Out-Klausel“ verbindlich zusichern ließ, ist längst Geschichte. Jeder Mitgliedstaat sollte für seine Schulden selbst geradestehen. Ein längst ausgehöhltes Gebot! Statt der eigenen Bevölkerung Reformen zuzumuten, lässt man sich lieber von den reicheren Nordstaaten aushalten, obwohl zumindest die deutschen Bürger im Schnitt über deutlich weniger Vermögen verfügen als Italiener und Spanier. Das ist eine Pervertierung des Solidaritätsgedankens.

Dass die Geschichte des Euro eine „Geschichte des permanenten Rechtsbruchs“ darstellt, monierte einst der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Nicht erst der aktuelle Disput über die Karlsruher BVerfG-Entscheidung zum Anleihekaufprogramm der EZB hat diesen grundlegenden Konflikt erneut ins öffentliche Bewusstsein gebracht. „Pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) gilt als wichtigster Grundsatz im öffentlichen wie im privaten Recht. In der EU und in der europäischen Währungsunion ist dieser Grundsatz längst suspendiert. Die kommenden Monate werden das erneut sehr anschaulich dokumentieren, auch wenn Deutschland die Ratspräsidentschaft ausübt.

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Kommentare ( 41 )

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moorwald
3 Jahre her

Nun möchte ich aber doch mal Merkel, die „Musikliebhaberin“ („ich bin Musikliebhaberin“ – wahrscheinlich eine unerwiderte Liebe) würdigen. Was wir noch nicht wußten: Beethoven ist der „Komponist der Europa-Hymne“. – Und nachdem er die nach Brüssel geschickt hatte (aufs Honorar wartet er immer noch), dachte er : Darumherum kann ich doch gleich noch eine ganze Symphonie komponieren. Merkel findet auch in der Neunten bei jedem Hören etwas anderes, was sie tief beeindruckt… Was das ist, wollen wir lieber nicht wissen. Und so soll es auch mit Europa sein: molto espressivo … oder vielleicht doch morendo… Ja, schlag nach bei Beethoven,… Mehr

Silverager
3 Jahre her

Man meint, da äußert sich nicht ein CDU-Politiker, sondern einer aus der Opposition.

spindoctor
3 Jahre her

Nö, es geht nicht darum, dass oder ob Deutschland die „vermeintlich reichste europäische Volkswirtschaft“ ist, es ist sonst keiner im Schuldturm ewig zu zahlender Reparationen.

In meiner Kindheit (Münsterland) gab’s so einen Spruch: „Angepäckt, musse nehmen.“

November Man
3 Jahre her

Besser hätte Merkel ihre persönliche Job-Beschreibung nicht veröffentlichen können. Merkel hat nämlich gestern bei ihrer Rede vor dem EU-Parlament eine Job-Beschreibung für ihre Tätigkeit und ihr Handeln abgegeben. Und zwar mit Aussage; „“Dass sich Deutschland für Wahrheit und Transparenz in der Öffentlichkeit einsetzen will: „Mit Lüge und Desinformation“ lässt sich die Pandemie nicht bekämpfen. So wenig wie mit „Hass und Hetze“. Dem „faktenleugnenden Populismus“ werden seine Grenzen aufgezeigt““. Für Wahrheit und Transparenz stehen in Deutschland nur kritische Medien wie Tichys Einblick und einige andere Medien, die noch nicht komplett gekauft wurden. Aber, besser hätte Merkel das Anforderungsprofil für ihre Tätigkeit… Mehr

Thomas Hellerberger
3 Jahre her

Meine Meinung dazu: Zuerst: Ich schließe mich dem Leserbeitrag von Biskaborn (ca. 14 Uhr) vollumfänglich an, daher schreibe ich das hier nicht nochmal. Zweitens: Da es nicht reicht, diese Beiträge zu veröffentlichen, müßten alle, die das alles nicht mehr wollen, grundsätzlich und immer stärker den Dexit fordern. Ohne wenn und aber und ohne drei Seiten Distanzierung von der AfD, um sich abzusichern von der dunklen Seite der Macht. Denn was ist denn die Alternative? Eine EU gibt es nur genau so, wie sie ist. Keine andere! Eine multinationale Union ist immer so, wird so. Wer etwas anderes will, muß es… Mehr

Silverager
3 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Ach, der Meuthen. Da sind Ihre Appelle völlig nutzlos.
Der wird genau so enden wie der Lucke.

StefanB
3 Jahre her

Vorneweg: Schon längst hat sich herausgestellt, dass es objekt keine Corona-Pandemie gibt, sondern einen grippeähnlichen Virus. Was es aber tatsächlich gibt, ist eine Schulden-Pandemie. Und die wird durch die Wirtschaftskrise, die mittels der herbeigeredeten Corona-Pandemie ausgelöst wurde, nun mit noch mehr Schulden befeuert. Und diese landen im EU/Euro-Rahmen, wie Herr Metzger richtig feststellt, Dank Merkel zum größten Teil auf den Schultern des deutschen Steuerzahlers. Das Ganze nennt sich internationalsozialistische Umverteilung, oder anders ausgedrückt: EU-Sozialismus. Nur, dass wir uns nicht missverstehen: Die „deutsche Köterrasse“ will es ganz mehrheitlich so, denn sie hat diese Politik gewählt und wird sie auch weiterhin wählen.

josefine
3 Jahre her
Antworten an  StefanB

Solange die „Köterrasse“ nicht am eigenen Portemonnaie merkt, dass ihn diese Parteien arm machen, so lange wird er weiterhin CDU/CSU, Grüne, Linke, FDP wählen.
Nur eine Verarmung und/oder ein körperlicher Angriff von einem unserer Gäste wird ihn zum Umdenken animieren.

Biskaborn
3 Jahre her

Wir können uns hier zu Recht ereifern, ändern wird es nichts. Den interessanten Artikel zur Kenntnis nehmen, Freunden, Verwandten zum Lesen geben das war es dann. Meine Erfahrung, selbst politisch nicht uninteressierte Freunde finden solche Artikel zu anstrengend, zucken mit den Schultern und fertig. Nein, die Deutschen interessiert nicht was mit ihren Steuergeldern passiert, schlimmstenfalls, nicht selten, finden sie Merkel und die EU ganz toll. Wir profitieren von der EU und somit gut angelegtes Geld, lautet nicht selten der Tenor oder die Reaktion.

pcn
3 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Ja, leider auch meine Erfahrung. Man möchte sich angesichts dieses, wie soll ich sagen, Unverstandes, Desinteresse, selbst bei Leuten, die man für intellektuell genug gehalten hat, sich die Konsequenzen dieser Merkelpolitik ausmalen zu können, dass man von dort nur ein Achselzucken bekommt. Ganz schlimm wird’s, wenn diese Leute behaupten, dass Europa als Friedensprojekt auch Opfer erfordert, weil es den Deutschen aufgrund ihrer Vergangenheit „gut zu Gesicht stünde.“

Kaltverformer
3 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Bin ganz bei ihnen. Meine Vermutung geht dahin, dass die Leute eben nicht das Wesen von Demokratie verstehen: Ein Diskurs, ein permanentes Ringen um die beste Lösung, aufbauend auf bewährtem. Aber woher auch, sollen sie Demokratie verstehen. Sie wurde ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg geschenkt. Leider in Form einer indirekten Demokratie, wo sie nur alle paar Jahre ein Kreuz machen mussten und müssen und das war ihre ganze „Verantwortung“. Das ging solange gut, solange es Politiker gab, die das Elend selbst erlebt hatten und die wussten, dass die Welt eben kein Ponyhof ist und der Wolf immer vor der Tür… Mehr

Maja Schneider
3 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Diese Erfahrung kann ich nur immer wieder teilen, es kommen immer wieder dieselben Argumente, die von den MSM vorgegeben werden. Dieses Desinteresse oder diese Passivität wird sich allerdings schlagartig ändern, wenn am Ende des Geldes noch so viel Monat ist und viele nicht mehr wissen, wie sie neben den von der Regierung mit viel Fantasie erfundenen und „gut“ begründeten neuen Steuern und Abgaben Miete, vor allem Nebenkosten und die erhöhten Preise für Lebensmittel und Kleidung, für Versicherungen und – vom Urlaub und dem Auto ganz zu schweigen – noch aufbringen sollen, wenn sie denn noch in Lohn und Brot sind.

Alf
3 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

„Wir können uns hier zu Recht ereifern, ändern wird es nichts.“

Und aus diesem Grund werde ich jetzt den Orbit verlassen und nach Melmak zurückkehren. Ich hatte noch ein paar Rückfälle seit meiner letzten Ankündigung, konnte aber nicht ruhig sitzen, mußte schreiben. Aber jetzt ist genug.
Unser Land hat sich abgeschafft. Verbrannte Erde wohin man schaut.

Man kann der nächsten Generation nur raten, auszuwandern.

Aegnor
3 Jahre her

„Pacta sunt servanda“ Das ist zwar richtig. Verträge sind aber nichts anderes als übereinstimmende Willenserklärungen, wie man im ersten Semester Jura lernt. Wenn sich der Wille beider Vertragspartner ändert, ist es eben kein Vertragsbruch. Und da sich die gewählte deutsche Regierung, sowie die meisten deutschen Parteien, dem „europäischen“ Bonmot „Deutschland zahlt alles“ immer und absolut freiwillig anschließen, ist das Ganze auch legal. Dass die anderen EU-Staaten das ausnutzen kann man ihnen kaum vorwerfen. Wenn der deutsche Steuerzahler zu naiv, dumm, gutgläubig oder was auch immer ist, um das zu erkennen oder es gar gut heißt und dann diese deutschen Parteien… Mehr

Imre
3 Jahre her
Antworten an  Aegnor

Sie deuten es bereits an, dass man diesen Naivlingen (Erweiterungen spare ich mir..) nicht helfen kann, ich will das mittlerweile auch nicht mehr. Umso mehr und kompromissloser sollte UNSER Fokus darauf liegen, genau diesen „Ahnungslosen“ und Aktivisten auch letzten Endes die ganze Chose zahlen zu lassen! Mit etwas mehr Aufwand machbar, angesichts der Schuldenlast und der voraussichtlichen Trickserei und Mauschelei („nichts gewusst“, „ich war schon immer dagegen“, „habe doch die Opposition gewählt“, guter Kumpel bei der Aufsicht, usw.) auch kontrolliert und mit relativ hoher Sicherheit zuordenbar. Gerade nicht wie nach 45 mit Persilschein „umgruppiert“ in’s richtige Lager. Die Nutzerdaten bei… Mehr

norbertb783
3 Jahre her

Wir brauchen dringend den Straftatbestand der Steuerverschwendung die genauso hart und gnadenlos verfolgt und geahndet werden muß, wie Steuerhinterziehung. Es kann nicht sein, daß (EU-)Verträge permanent zu lasten Deutschlands gebrochen werden, ohne daß der deutsche Steuerzahler eine Möglichkeit hat dies zu verhindern.
Und es dauert ja 4 – 5 Jahre bis das Bundesverfassungsgericht dies dann für rechtswidrig erklärt.

Kassandra
3 Jahre her

Die Geschichte geht aber weiter – denn der Wirt hat die Flaschen, die er unter dem Tresen hervor holt, ja auch nur, weil er sie „auf Pump“ kaufte, vorrätig.
Zudem warten auch die, die neu kamen, auf ihre monatlichen Alimente, die durch solche wirtschaftlichen Glanzleistungen ganz und gar infrage gestellt ist – wie Renten und Pensionen auch – denn Oma ihr klein Häuschen ist schon ohne ihr Wissen bis zur Dachkante mit Hypotheken belastet.
Dass die Jungs nur nicht böse werden, wenn Tribut dann irgendwann bald nicht mehr gezahlt werden kann.

Kassandra
3 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Und wenn das Häuschen der Großmutter dann versteigert werden muss, steht der Clanchef der Alimenteempfänger oder dessen Beauftragter inzwischen in erster Reihe und überbietet immer öfter alle anderen.
Und wenn ein Häuschen in einer Straße dann auf solche Art und Weise übernommen ist…