Jede wirtschaftspolitische Entscheidung muss am Ende zu Wirtschaftlichkeit führen. Das ist nicht gesichert, weil das Profitinteresse einzelner Branchen im Vordergrund steht und vermeintlich Moral und die Weltrettung von deutschem Boden aus über Technologien entscheiden. Das führt dann zum wirtschaftlichen Abstieg, wir sind Zeitzeugen.
picture alliance/dpa | Jan Woitas
Der deutsche Sonderweg, die Stromversorgung eines (Noch-)Industrielandes in einer Weise umzubauen, dass sich die Stromproduktion nicht mehr am Bedarf orientiert, sondern eine „angebotsorientierte“ Abnahme erfolgen soll, ist der Tatsache geschuldet, dass das System auf einer überwiegenden Einspeisung von zufällig anfallenden Naturstrom beruhen soll.
Hier wird das nötige Gleichgewicht aus Erzeugung und Verbrauch nur zufällig und kurzzeitig erreicht. Die „Erneuerbaren“ Wind- und PV-Strom liefern zu viel oder zu wenig. Um die Netzfrequenz trotzdem in den engen Grenzen halten zu können, ist ein Backupsystem aus regelbaren Kraftwerke, Speichern und Export oder Import von Strom nötig. So genannte Flexibilitätsoptionen durch Anpassungen auf der Verbraucherseite können entlastend wirken, das Problem aber nicht beheben. In anderen Ländern gibt es wenig Speicherdiskussion, weil der Strom überwiegend bedarfsgerecht erzeugt wird.
Der gegenwärtige Hype um den schnellen Ausbau von Batteriespeichern entsteht aus der nun praktischen Erfahrung, dass die Stromproduktion am Markt vorbei zu großen Verzerrungen im Netzbetrieb führt. Sowohl technisch als auch preislich nehmen die Schwankungen zu. Nach 25 Jahren Energiewende im Stromsektor kommt auch medial die Einsicht, dass manchmal „der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint“. Die Erkenntnis kommt spät und ist von vielen vorhergesagt worden, wurde aber bisher aus vorgeschobenen „Klimagründen“ verdrängt. Das Narrativ, wir bräuchten mehr „Erneuerbare“, durfte nicht hinterfragt werden.
Allen ist klar, dass es einen schnellen Ausbau an Batteriekapazitäten nicht geben wird. Die Ressourcen und Kapazitäten reichen nicht aus, vor allem die Netzanschlüsse werden sich als Flaschenhals erweisen. Aber der Anreiz ist groß. Bei den Preisschwankungen kann man mit nur über wenige Stunden gespeicherten Strom gut Geld verdienen. Das übliche Energiewende-Framing besteht darin, zu suggerieren, dass man mit einer Vielzahl an Batterien auch Schwankungen des Wind- und PV-Stroms im Sinne einer Dunkelflaute oder Hellbrise ausgleichen könne. Ein IHK-Funktionär formulierte es so:
„Wir haben in Deutschland beim BMWE derzeit Anträge für sagenhafte 1.000 GW Energiespeicher vorliegen. So viel Dunkelflauten kann es gar nicht geben . . .“
Realistisch ist, dass selbst bei 1.000 Gigawatt (GW) und ebenso viel Gigawattstunden (GWh) bei voller Entladeleistung schon nach einem knappen Tag die Akku-Dunkelflaute einsetzt. Zudem sagen Anträge nichts darüber aus, wann tatsächlich wie viel Speicherkapazität realistisch zu erwarten ist. Aktuell sind etwa 60 GWh an Pumpspeicher- und Batteriekapazität einsetzbar.
Schwankungen über den Tagesverlauf sind über Backup-Kraftwerke und Importe noch gut auszugleichen, was fehlt, sind Langzeitspeicher im Sinne intersaisonaler Speicher. Der gewaltige Überschuss des Sommers müsste in den Winter transferiert werden. Das funktioniert nur mit Hilfe chemischer Energieträger, womit Wasserstoff und seine Derivate wie Ammoniak, Methan oder LOHC (flüssige organische Wasserstoffträger) in den Blick kommen. Maßgebend für den Erfolg eines solchen Weges wären insgesamt niedrige CO2-Vermeidungskosten, zumindest solange es den europäischen Emissionshandel gibt und eine deutsche Regierung sich weiter daran beteiligt.
Vergessene Kennziffer
Wurden die CO2-Vermeidungskosten vor einigen Jahren noch diskutiert und zur Grundlage von Studien gemacht, hört man diesen Begriff inzwischen nicht mehr. Die Vermutung, dass die irreal hohen Kosten einer wasserstoffbasierten Wirtschaft nicht als Klimaschutzargument herangezogen werden könnten, wird durch eine Studie von Professor André Thess und Kollegen vom DLR-Institut für technische Thermodynamik Stuttgart gestützt. Die Gruppe hat sich beispielhaft einen Nationalpark in Namibia ausgewählt, in dem viel Wind- und Sonnenenergie anfällt und große Kapazitäten an Wind- und PV-Anlagen den Strom für grünen Wasserstoff liefern können. Es werden die Kosten für die H2-Herstellung durch Ökostrom-Elektrolyse, des Transports von Wasserstoff nach Herstellung eines frachtfähigen Handelsgutes wie verflüssigter Wasserstoff, LOHC und Ammoniak untersucht.
Das Ergebnis ist erschütternd. Die CO2-Vermeidungskosten liegen bei 3.190 Euro pro Tonne (verflüssigter Wasserstoff) und 14.800 Euro pro Tonne im Fall des LOHC. Bei der Nutzung von Ammoniak tritt überhaupt keine CO2-Vermeidung ein. Das ist, umgangssprachlich gesagt, jenseits von Gut und Böse und meilenweit teurer als beispielsweise der Einsatz von CO2-Abscheidetechnologien in fossilen Kraftwerken (CCS). Auch blauer Wasserstoff (aus Erdgas mit CO2-Abscheidung) wäre wesentlich billiger. Aber dazu braucht man eben keine „Erneuerbaren“.
Eine Wasserstoff-Import-Strategie, die wie von der Bundesregierung angedacht, erhebliche Teile der deutschen Energieversorgung sicherstellt, wäre schlicht unbezahlbar. Schon die bisherigen Aktivitäten in Richtung eines Wasserstoffsystems halten einer Kostenkontrolle nicht stand. Der Bundesrechnungshof fordert einen Realitätscheck der Wasserstoffstrategie, ob wettbewerbsfähige Preise zu erreichen sind und wie Angebot, Nachfrage und Infrastruktur synchron entstehen könnten.
Am Ende steht die Forderung nach einem Plan B. Den hat die Bundesregierung nicht und den will sie nicht haben, würde doch jedes Abweichen vom jetzigen Kurs die Kernforderung der Energiewender entkräften: „Wir brauchen mehr Erneuerbare.“
Geld ohne Ende
Um Kosten geht es dabei ohnehin nicht. Sie werden ignoriert oder erst gar nicht erhoben, sie interessieren nicht. In der Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag im Juni 2025 verweist die Bundesregierung darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein „breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen“ setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität.
Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen ginge dabei über eine „kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten“ hinaus. Aber auch eine langfristige dynamische Betrachtung der Kosten brächte das gleiche Ergebnis oder welche Kosten sollte man sonst betrachten? Auch ein „breites Spektrum“ muss hinsichtlich der Kosten geprüft werden. Daran hängt vor allem die Wettbewerbsfähigkeit.
Hier schimmert in der Antwort die Wahrheit durch, die seit drei Merkelregierungen und der folgenden Ampel und bisher auch bei Schwarz-Rot die Energiepolitik bestimmte: Geld spielt keine Rolle. Wir müssen dekarbonisieren ohne Rücksicht auf Verluste, egal welche Folgen auch eintreten. Und das Ganze vor allem mit Hilfe der „Erneuerbaren“. Die deutschnationale Energiewende soll im Sinne wirkmächtiger Lobbies durchgezogen werden, egal wie teuer sie wird. Dabei wird der Eindruck erweckt, wir seien eines der reichsten Länder der Welt und könnten uns einen teuren Weg leisten.
Abgesehen davon, dass die „Vorreiter“-Zuschreibung noch nie gestimmt hat, dient die Ignoranz der Kosten vor allem dazu, den zur Staatsräson gewordenen Glaubenssatz an die „Erneuerbaren“ zu untermauern. Dabei ist der Satz inhaltlich falsch, was wir brauchen, ist ein Energieversorgungssystem, dass die Forderungen des ersten Paragrafen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erfüllt, nämlich nach einem versorgungssicheren, preiswerten, umwelt- und emissionsarmen Energieversorgungssystem. Dabei helfen die „Erneuerbaren“ nur sehr eingeschränkt, sie verteuern das System und verursachen zunehmend größere Schwankungen, die die Versorgungssicherheit bedrohen, aber das Geschäftsmodell für Stromspeicher befördern, welches alle Stromkunden mit bezahlen.
Inzwischen werden alle Sektoren des Stromsystems subventioniert. Die Produktion von Strom über die EEG-Förderung und künftig über Förderungen zum Bau und Betrieb von Gaskraftwerken, der Transport durch den ab Januar geltenden staatlichen Zuschuss zu den Netzentgelten, der Verbrauch über einen halbgaren Industriestrompreis. Um dieses ineffiziente System mit Geld zu versorgen und der gemästeten „Erneuerbaren“-Branche die Profite zu sichern, werden die Bürger nicht nur über hohe Strompreise zur Kasse gebeten, ab 2028 auch durch die Überführung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in den europäischen Emissionshandel Teil 2 (ETS2). Der Tankstellenbesuch, die Rechnung für das Nachfüllen des Öltanks oder die für die Gasheizung lassen dann noch mehr Geld fließen über den Klima- und Transformationsfond zu den Betreibern von Naturenergieanlagen. Ohne Subventionen wären sie nicht lebensfähig. Im Jahr 2024 flossen 18,5 Milliarden Euro dahin.
Teuer Scheitern
Das Scheitern der Wasserstofftechnologie geht stückweise voran. Obwohl schon kleine Projekte floppen, bleibt der Traum von den ganz großen Strukturen erhalten. Das ist notwendig, um das Ziel 100-Prozent-Erneuerbar zu erhalten. Dabei spielen CO2-Vermeidungskosten keine Rolle, das Klima auch nicht. Es macht nicht nur wirtschaftlich keinen Sinn, es macht auch aus „Klimagründen“ keinen Sinn, wenn ein globaler 1,6-Prozent-Emittent seine Emissionen auf null zurückfährt und zusätzlich seine Industrie ruiniert und Produktion ins Ausland verlagert, wo höhere Emissionen pro Produkt anfallen.
Ursache unseres sich abzeichnenden Desasters sind Entscheidungen fehlgeleiteter und unqualifizierter Politiker. Ex-Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) freute sich 2019 auf der Handelsblatt-Jahrestagung, dass Deutschland das einzige Industrieland weltweit ist, dass parallel aus der Kernenergie aussteigt und die Dekarbonisierung vorantreibe. Über die Folgen sprach er nicht, das wäre ein Affront gegen die Kanzlerin gewesen, für ihn als treuer Paladin undenkbar. Nachfolger Robert Habeck (Grüne) ging „voll ins Risiko – vielleicht gelingt es ja auch“ (Bild vom 13. Januar 2021). Er bestätigte damit den Experimentalcharakter der Energiewende, den Professor Marcel Fratzscher, Chef des DIW, schon 2015 so formulierte („Die Deutschland-Illusion“, Seite 96):
„Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Energiewende ein Experiment ist.“
Der damalige Generalsekretär des Weltenergierates, Christoph Frei, äußerte sich 2015 im Interview des rbb-Inforadio (31. Januar 2015) ähnlich:
„Deutschland ist das größte Freiluftlaboratorium auf dem Energiesektor.“
Nach dem Großexperiment mit Namen „DDR“ sollten Politiker in Deutschland allerdings keine Versuchslabore mehr betreiben und zocken, sondern abgewogene Entscheidungen treffen. Das Unangenehme an der Wirklichkeit ist, dass ihr auf Dauer keine Illusion standhält (Jan Fleischhhauer). Nun ist nach diesem Vernunftausstieg die Wirtschaft im freien Fall und Eon-Chef Birnbaum schlägt vor, den „Erneuerbaren“-Ausbau zu drosseln, was Voraussetzung wäre, das System zu stabilisieren und die Kosten nicht weiter steigen zu lassen. Die Chancen dazu stehen schlecht.
Wir bleiben global der Sonderling auf dem Sonderweg, ein von anderen staunend betrachteter Vorreiter ohne Nachreiter. Fachleute, die die jetzige Situation vorhergesehen und vorausgesagt haben, wurden jahrelang, sogar jahrzehntelang ignoriert und verunglimpft.
Ob CO2-Vermeidungskosten über eine Bepreisung des Spurengases überhaupt eine sinnvolle Kategorie sind, sollte dringend evaluiert werden. Die Mehrheit der Staaten sieht es anders, ein globaler Emissionshandel ist ferner denn je. Unser wirtschaftlicher Nachteil auf dem Weltmarkt wird durch steigende Zertifikatekosten immer größer. Der Kurs in unserem Staat der Parteifunktionäre und EU-Bürokraten führt in die Irre. Man denkt sich Hilfskrücken wie das CBAM aus, den CO2-Grenzkostenausgleich, und beschwert sich gleichzeitig über Trumps Zollpolitik.
Der Weg von der Krise über die Repression zur Depression kann zu disruptiven Änderungen in der Gesellschaft führen, die völlig ungeordnet ablaufen. Wir bräuchten dringend eine Politikänderung, bei der Links vorbei wäre und wirtschaftliche Erwägungen Vorrang hätten. Zurück zur sozialen Marktwirtschaft anstelle zum grünen Sozialismus.

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Das schlimme ist doch, dass wir bisher in Deutschland einen guten Naturschutz hatten. Man vergleiche nur die BRD mit der DDR.
Unsere Flüsse und Schornsteine wurden beginnend ab den 70ern sauber. Die DDR konnte es sich nicht leisten.
Wer glaubt, dass wir uns Klärwerke höchster Güteklasse, Luftfilter und Arbeitsplatzrichtlinien leisten können, wenn die Wirtschaft am Boden liegt?
Sehr geehrter Herr Henning,
alles was Sie hier beschreiben, sind verzweifelte, aussichtslose Versuche, die vollkommen überflüssige, weder technisch noch wirtschaftlich funktionsfähige „Energiwende“ irgendwie zu retten.
Egal, wieviel Geld man da noch hineinschüttet: Es wird nicht funktionieren.
Politiker können nichts – außer große Sprüche machen. Sie müssen aus allem, was mit Wirtschaft oder Technik zu tun hat, herausgehalten werden.
Die Erfolgsaussichten des damaligen Großexperiments DDR waren im Vergleich zum jetzigen Großexperiment BRD ungleich größer. Man nehme Popcorn. Viel Spaß noch…