Aus für Hamburg-Moorburg: Modernes Kraftwerk darf abgeschaltet werden

Nun kann eines der modernsten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, das 2015 in Betrieb genommen wurde und im Kraftwerksmassstab als nagelneu gilt. Die Laufzeit dieser knapp drei Milliarden Euro teuren Anlage war bis vorerst 2038 eingeplant.

picture alliance / Daniel Reinhardt
Ein weiterer Hammer in der Elektrizitätsversorgung Deutschlands: Das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg kann stillgelegt werden. Die Bundesnetzagentur hat heute mit der Zuschlagnummer KVBG20-1/007 und KVBG20-1/008 die Stillegung beider Blöcke genehmigt.

Damit wird voraussichtlich eines der modernsten Kohlekraftwerke abgeschaltet, das 2015 in Betrieb genommen wurde und im Kraftwerksmassstab noch als nagelneu gilt. Die Laufzeit dieser knapp drei Milliarden Euro teuren Anlage war bis vorerst 2038 eingeplant.

Das Kraftwerk spielt eine wichtige Rolle in der Stromversorgung im Norden Deutschlands, in Hamburg und Umgebung mit Hafen, Metallbetrieben und schließlich Airbus. Ungewiss ist auch, woher künftig die Fernwärme kommen soll, wenn Moorburg kalt wird. Pläne dafür jedenfalls hat Hamburg nicht.

Der schwedische Betreiber Vattenfall hatte schon seit langem die Lust an seinem Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg verloren und wollte es abschalten. Die beiden Blöcke dieses modernsten und damit auch umweltfreundlichsten Kohlekraftwerkes weisen mit 46 Prozent einen sensationell hohen Wirkungsgrad auf; das bedeutet, dass ein hoher Anteil der in der Kohle enthaltenen Energie in Strom umgewandelt werden kann. Damit sinkt der Verbrauch an Brennstoff und – wer will – auch der CO2-Ausstoß. In die Abgasstränge ist die technisch neueste Filtertechnik eingebaut, die alle Schadstoffe zurückhält. Die Kraftwerkstechnik wurde so entwickelt, dass die Leistung innerhalb einer Viertelstunde hochgefahren werden kann. Bisher waren Kohle- und Kernkraftwerke dafür geeignet, die sogenannte Grundlast zu liefern, also gleichmäßig hohe Energiemengen zu erzeugen. Starke Schwankungen sorgen für erhebliche thermische Probleme, wenn sich Kessel und Rohre unter Hitze ausdehnen – oder zusammenziehen. Das Problem haben die Ingenieure gelöst. Hier kann man eine virtuelle Rundreise durch das moderne Kraftwerk unternehmen.

Doch jahrelange Angriffe und Einsprüche von Grünen, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden wie BUND kosteten letztlich zu viel Geld. Die abenteuerlichen Details des Kampfes gegen Moorburg beschreibt Frank Hennig in TE hier:

Aus Unternehmenssicht ist es wirtschaftlicher, sich den Ausstieg vom Steuerzahler bezahlen zu lassen, als immer mehr Geld zu verbrennen. Der grüne Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan begrüßte schon früher ein schnelles Abschalten Moorburgs: »An der Börse gibt es ein Überangebot an Strom, deshalb ist die Versorgungssicherheit Hamburgs auch ohne Moorburg nicht gefährdet.«
Er erklärte nicht weiter, woher der Strom in Mangelzeiten kommen soll, wenn Flaute herrscht und die Sonne nicht scheint wie in diesen Wochen. Dieses »Überangebot« ist nur zeitlich begrenzt entsprechend der Schwankungen von Sonne und Wind vorhanden.

Ob jetzt der Vorsitzende des Industrieverbandes Hamburg um die Versorgungssicherheit Hamburgs bangt oder nicht, ist aus grüner Sicht des Vielfliegers Kerstan gleichgültig. (Zu seinen Flügen in sein Ferienhaus auf Mallorca: »Es wäre nicht authentisch, für ein Amt auf Zeit meine Urlaubsplanung und Familientradition komplett zu verleugnen.«)

Vattenfall hatte im September das Kraftwerk zur Stillegung angemeldet, heute hat die Bundesnetzagentur überraschend die Ergebnisse des »Ausschreibungsverfahrens zur Reduzierung der Verstromung von Steinkohleanlagen und Braunkohle-Kleinanlagen für den Gebotstermin 1. September 2020 gemäß § 24 Abs. 1 KVBG« – wie es so schön verharmlosend heisst – öffentlich bekannt gemacht.
Im nächsten Schritt müssen die Übertragungsnetzbetreiber prüfen, ob die beiden Kraftwerksblöcke Hamburg-Moorburg »systemrelevant« sind. Falls ja, dürfen sie nicht abgeschaltet werden, ansonsten können sie im kommenden Jahr stillgelegt werden.

Insgesamt dürfen seit heute elf Betreiber ihre Kraftwerke stillegen und erhalten dafür insgesamt 317 Millionen Euro als sogenannte Stillegungsprämie. Wieviel Vattenfall davon erhält, wurde bisher nicht öffentlich bekannt. Jedenfalls gilt als Höhe für die Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber der Wert von 165.000 Euro pro MW.

Vattenfall-Deutschland-Chef Tuomo Hatakka: »Jetzt werden wir die Planungen für die vorzeitige Schließung vorantreiben. Dazu gehört auch, unsere Mitarbeiter bei der Suche nach neuen Arbeitsplätzen zu unterstützen beziehungsweise in verantwortungsvoller Weise andere Optionen zu vereinbaren.«

Das Kohleausstiegsgesetz greift: Der Betrieb auch neuer und moderner Kohlekraftwerke wurde so verteuert, dass es für Unternehmen sinnvoller ist, sich die Stillegung bezahlen zu lassen, als das Kraftwerk weiter zu betreiben und günstig und zuverlässig Strom zu liefern.

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Kommentare ( 133 )

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Germer
3 Jahre her

Noch ein paar Details zum Schmunzeln.
In direkter Nachbarschaft des Wedeler Kraftwerkes befinden sich die stramm linksgrünen Stadtteile Hamburgs.
Schön das diese Klientel, bei Westwind, nun das Ergebnis ihrer eigenen Politik noch längere Zeit einatmen darf.
In dem in unmittelbarer Nachbarschaft zum Moorburger Kraftwerk liegende Stadtteil Hausbruch, hat die AfD übrigens bei der letzten Wahl einen der größten Zustimmungswerte Hamburgs von 21,6 % erzielt.
Gut das bald 21,6% der in der Realität lebenden Menschen, eine noch sauberere Luft genießen dürfen.
Karma is a bitch 🙂

Last edited 3 Jahre her by Germer
Schwabenwilli
3 Jahre her

Ein nagelneues aus Umweltschutz technischen Aspekten astreines Kraftwerk wieder zu verschrotten ohne das wirklich adäquater Ersatz zur Verfügung steht ist ein hirnrissige Blödheit nicht mehr zu überbieten aber es wundert mich keinesfalls seit ich wieder die Bundestags Debatten anschauen, welchen der größten Oppositionspartei, und die Schreier, Quengler, Querulanten beobachten kann ist mir einiges klar geworden. Dieses Land wird von ideologisch verblendeten Fanatikern politisch geführt

namsawam
3 Jahre her

… ich hoffe sehr, daß die „Verantwortlichen“ – wenn man sie denn noch findet – nachhaltigst zur Rechenschaft gezogen werden. Aber hier in D wird wahrscheinlich wie sonst nur mit den Schultern gezuckt, wenn sich diese Machenschaften als das was sie sind herausstellen: Verbrechen.
Was für einen Wert haben eigentlich all die großartigen Eide, die von diesen völlig unfähigen Politikern für ihre Ämter geschworen wurden? – Schaden vom Deutschen Volke abzuwenden?
Bloß keinen Widerstand! Etwa wie in Frankreich. Das führt ja eventuell noch zu irgendetwas…

der_chinese
3 Jahre her
Antworten an  namsawam

Wenn ich nichr irre, hat ein Gericht entschieden, das Eide nur zeremoniell sind, sie sind nicht mehr als eine leere Phrase und nicht bindend.
Eine leere Floskel

PM99
3 Jahre her

Was für eine Ressourcenverschwendung, ein Kraftwerk für 3 Mrd. Euro nach nur 6 Jahren stillzulegen. Aber die Zeiten zeichnen sich ab, in denen wir uns das in Deutschland nicht mehr leisten können und vor allem in denen wir die Rechnung für diesen Wahnsinn präsentiert bekommen. Der links-grüne Wohlstands“bürger“ wird dann verwundert feststellen, dass man Strom erstmal produzieren muss, damit er aus der Steckdose fließt und dass linke Weltrettungsideologien nur in den Untergang führen. Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.

Ede
3 Jahre her

Ein Blackout würde die Menschen auch nicht aufwecken. Wenn das passiert, sind „die Rechten“ schuld und man wird noch mehr Anstrengungen unternehmen im Kampf gegen Rechts 😉

horrex
3 Jahre her
Antworten an  Ede

Exakt so weit sind wir!!!
Ganz sicher sind es dann Bürgerliche oder Rechte die das Land ruinieren!!!
D A S wäre die Nachricht die die Runde macht.
Wir müssen erst „ganz unten im vollständigen Chaos“ ankommen bevor „Michel“ aufsteht. Allein, auch auch was das angeht sind meine Hoffnungen begrenzt. Lenin(?) meinte: Wenn die Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen kaufen sie sich erst eine Bahnsteigkarte. (Weiß noch jemand was ne Bahnsteigkarte ist?)

Gernoht
3 Jahre her
Antworten an  Ede

Solange es noch Bargeld aus Papier gibt, kann man wenigstens das noch oxidativ für Wärme und Licht nutzen.

Sherry
3 Jahre her

Solche Berichte machen mir Angst.Gegen diesen Irrsinn ist kein Kraut gewachsen…

Gottfried
3 Jahre her

Ein Wahnsinn mit System! Wer kann diese Geisterfahrer noch stoppen?

Richard28
3 Jahre her

Noch heute kann man es nicht fassen,
dass die Deutschen im Mai 1945 noch an den Endsieg geglaubt haben.
Heute kann man es nicht fassen, dass die Deutschen mit E—KFZ
fahren wollen und gleichzeitig das Angebot an sicher zu produzierenden Stroms deutlich reduzieren.
Ist das genetisch bedingt ?

der_chinese
3 Jahre her
Antworten an  Richard28

Genetisch vielleicht nicht, aber so sieht eben jahrzehntelange Indoktrination aus

Delegro
3 Jahre her

Ruft alle, die durch den grünen Umweltfaschismus ihre Arbeitsplätze verlieren zusammen und macht eine Großdemo. Die „Grünen“ werden verpflichtet hier zu erscheinen und Stellung zu nehmen. Gerne dürfen auch die FfF-Krabbelgruppe um Neubauer und Reemtsma mit teilnehmen und den Arbeitern erklären, wie sie den zukünftig Ihre Familien ernähren sollen. Wer fordert, muss dafür auch Rede und Antwort stehen!

Alt-Badener
3 Jahre her
Antworten an  Delegro

Reemtsma, Neubauer und Greta sind nicht das Problem. Das Problem ist die mittlerweile total verblödete deutsche Bevölkerung, die diesen Typen hinterher rennt. Wundern wir uns nicht, ich denke mal, dass noch im Frühjahr 1945 verdammt viele an den Endsieg durch Führers Wunderwaffen glaubten . . .

Sonja Dengler
3 Jahre her
Antworten an  Delegro

Sind SIE bereit, das zu organisieren, was Sie hier vorschlagen? Wann? Wo?

Franck Royale
3 Jahre her

Soviel zum Thema Nachhaltigkeit und mit Ressourcen sparsam umgehen. Ein neues Kraftwerk einfach mal verschrotten, weil es nicht in die ideologische Zwangsjacke passt. Kohle ist übrigens ein regenerativer Energieträger, ein ziemlich guter sogar. Holt CO2 aus der Luft. Aber egal, wollen wir nicht hören – wird es dann halt in Hamburg ein AKW.

Kaltverformer
3 Jahre her
Antworten an  Franck Royale

Ich finde nicht, dass gegen Atomkraft wirklich etwas einzuwenden ist.

Germer
3 Jahre her
Antworten an  Kaltverformer

Neue Kernkraftwerke in der Nähe von Großstädten zu errichten, wäre an Dummheit kaum zu überbieten, da es immer, wenn auch ein sehr geringes Restrisiko gibt.
Schließlich hat Deutschland genügend nahezu entvölkerte Regionen, in denn die neuen KKWs entstehen könnten.
Eine Wasserkühlung benötigen die KKWs neuster Bauart nämlich nicht mehr.

Last edited 3 Jahre her by Germer