Kritik an EU-Kommission: EVP-Chef Manfred Weber mimt den Migrationspolitiker

EVP-Chef Manfred Weber warnt vor der Migrationskrise, sucht den Schulterschluss mit Italiens Giorgia Meloni und kritisiert die EU-Kommission. Aber zu den EU-Schlafwandlern, die er kritisiert, gehört Weber mit seinen Forderungen selbst, die ganz den alten Migrationsillusionen verhaftet sind.

IMAGO / Lehtikuva
EVP-Chef Manfred Weber
Manfred Weber scheint die Migrationskrise zu seinem zentralen Thema zu machen. „Die EU schlafwandelt in eine neue Migrationskrise, obwohl der rasant steigende Migrationsdruck offensichtlich ist. In Italien sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres über 300 Prozent mehr Migranten als im vergangenen Jahr angekommen“, sagte er der Bild. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) will in dieser Woche im EU-Parlament über seine Forderung debattieren, direkte Verhandlungen mit Tunesien aufzunehmen, von wo derzeit ein Großteil der Migranten übers Mittelmeer nach Italien kommt. Hintergrund ist ein Bericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex an die EU-Kommission, in dem gewarnt wird, dass die Vorjahreszahl der Migranten (330.000) dieses Jahr bereits im Sommer erreicht sein wird. 57 Prozent der in Italien ankommenden Migranten gingen dort in die Schlepperboote.

Webers Motivation dürfte nicht nur an der Sache liegen. Der seinerzeitige angebliche Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten hat vermutlich erkannt, dass das offenkundige Migrationsversagen auch ein Hebel sein könnte, Ursula von der Leyen unter Druck zu setzen. Die wurde ihm bekanntlich seinerzeit von Macron und Merkel als Kommissionspräsidentin vorgezogen – und tut seither nichts, um der anschwellenden Migrationskrise entgegenzuwirken. Glaubwürdigkeit als Begrenzerin hat die Vertraute von Merkel auf dem Feld ohnehin nicht zu vermitteln. Weber dagegen war zwar stets lauter Befürworter des Resettlement-Programms, aber zumindest rief er dabei auch hörbar – zum Beispiel nach Bekämpfung illegaler Migration „mit aller Härte„.

Früher schon wurde ihm vorgeworfen, allzu freundlich gegenüber Ungarns Viktor Orbán, dem Gottseibeiuns der europäischen Willkommenspolitiker zu sein, nun ruft er nach Solidarität mit Italiens Giorgia Meloni. Die EVP unterstütze die italienische Regierung „voll und ganz bei der Priorisierung dieses Problems auf europäischer Ebene“. Er und die EVP bedauerten, „dass seitens der Kommission und der EU-Staaten auf EU-Ebene nicht viel Bewusstsein, kein Zuhören oder viel Handeln für ein ernstes Problem besteht“. Schon erstaunlich: Ein CSU-Politiker ruft zum Schulterschluss mit der in Deutschland meist als „Postfaschistin“ diskreditierten Meloni – und kritisiert die von einer CDU-Politikerin geführte EU-Kommission.

Webers konkrete Forderung steht allerdings durchaus im Einklang mit der seinerzeitigen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deren Türkei-Deal, der wohlgemerkt noch nicht mal ein echter Vertrag war, und Europa beziehungsweise vor allem das Hauptzielland Deutschland durch den autoritär regierenden Islamisten Erdogan erpressbar machte, soll nach Webers Wunsch offenbar Vorbild für einen Migrationspakt mit Tunesien werden: „Ähnlich wie beim Türkei-Abkommen muss den Schlepperbanden gemeinsam das Handwerk gelegt werden.“ Er vergaß zu erwähnen, dass die Türkei immer wieder mehr oder weniger offen mit Schleppern kooperierte und Migranten als Druckmittel gegen die EU und vor allem den alten Erzfeind Griechenland instrumentalisierte. Offenkundig ist es weniger der Merkel-Deal als vielmehr die konsequente Grenzsicherung der Griechen, die die Balkan-Route in jüngerer Zeit immerhin ein wenig entlastet.

Auch Webers zweite konkrete Forderung entspricht ganz den seit Jahren als völlig illusionär erwiesenen Dauerforderungen der Ex-Kanzlerin und anderer deutscher Migrationspolitiker: „Die deutsche und die französische Regierung, aber auch die anderen, können nicht tatenlos zusehen, sie müssen freiwillig Asylberechtigte in ihr Hoheitsgebiet bringen.“ Dahinter steht also immer noch die Vorstellung, der Schlüssel europäischer Asyl-Politik bestehe darin, Wohlstandsmigranten von einem besonders belasteten Land aktiv in andere umzusiedeln. Die Erfahrungen von 2015 ff zeigen aber, dass erstens die meisten EU-Mitgliedsländer daran kein Interesse haben und allenfalls lächerlich geringe Kontingente bewegen. Und zweitens – viel entscheidender: Die großen Attraktivitätsunterschiede der Versorgung und fehlende inneneuropäische Abschiebungen führen dazu, dass tatsächlich nicht die Regierungen, sondern die Migranten selbst entscheiden, wo sie sich niederlassen.

Als Akutmaßnahmen wären Webers Vorschläge vielleicht sogar noch sinnvoll. Aber aus den Erfahrungen seit 2015 sollten EU-Migrationspolitiker eigentlich gelernt haben, dass es nicht nur ums Akute geht, sondern um eine zukunftsfeste Minderung der Wohlstandsmigration. Dazu müssten endlich die entscheidenden Hebel der Migrationspolitik überhaupt erstmal als solche erkannt werden. Wenn es Weber um mehr als seine Selbstinszenierung und Revanche gegen von der Leyen ginge, müsste seine Forderung auf eine EU-weite Harmonisierung der Versorgung von „Schutzsuchenden“ zielen.

Nur diese könnte nämlich das tatsächlich noch viel mehr als Italien belastete Deutschland, das für viele dort ankommende Migranten das Wunschland ist, allmählich entlasten. Denn selbstverständlich bedeutete eine Harmonisierung die Absenkung der verlockenden Standards in Deutschland. Solange die Anziehungswirkung (Pull-Faktor) als entscheidendes Steuerungsinstrument ignoriert wird, bleibt eine begrenzende Asyl- und Migrationspolitik auf europäischer und nationaler Ebene illusionär.

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Kommentare ( 26 )

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alter weisser Mann
1 Jahr her

Weber ist ungefähr so glaubwürdig wie Söder.
Nach der nächsten Taktikanpassung wird wieder irgendwas anderes zum Thema gesagt und dann interessiert ihn sein Geschwätz von gestern nicht mehr.

fatherted
1 Jahr her

Manfred Weber äußerte sich sinngemäß in einer Anne Will Sendung zum Thema Migration mal wie folgt: Frontex muss ausgebaut werden….Frontex kann und muss in Seenot geratene Flüchtlinge aufnehmen und einem geordneten Asylverfahren in der EU zuführen. Das war sein Statement….übersetzt heißt das wohl….statt wie die NGOs vor den Küsten Afrikas zu patrouillieren….eben in der 7 Meilen Zone der EU Küsten (naja…vor Lampedusa wäre das ja schon fast vor der Küste Afrikas) und dort den Job der NGOs machen. So sieht EU-„Grenzschutz“ aus.

Vau8
1 Jahr her

Weber mimt den Migrationsbegrenzungspolitiker, Söder will, angeblich, die Atomkraft in Bayern erhalten. Das läßt nur einen Schluss zu: Die Landtagswahllen in Bayern rücken näher und damit die Simulation eines politischen Spurwechsels.

Fritz Goergen
1 Jahr her
Antworten an  Vau8

… und die EU-Wahlen …

bkkopp
1 Jahr her

Weber geht es wie immer um eine Selbstinszenierung. Nächstes Jahr ist EU-Wahl. Sogar Frau Strack-Zimmermann will sich in Sicherheit bringen. Frau Bär scheint schon versorgt. EU-politische Wortmeldungen / Selbstinszenierungen von den anderen Parteien werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Irene Engel
1 Jahr her

Ist das nicht der gleiche Kerl der gegen Polen, Ungarn und Griechenland wegen der Zäune hetzt?

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Nix weiter als Scheingeschwätz! Besonders auch was den brüsseler EVP-Chef Manfred Weber und die anhaltende Flutung der EU durch die „Flüchtlinge“ betrifft, gerade auch diesbezüglich ist der merkelianerin Manfred Weber (CDU) in Wahrheit doch nix weiter als ein rückgradloser Schwätzer und insgesamt einzig nur auf sein eigenes Wohl und Vorteil bedacht: „die „Flüchtlinge“ und die See-Taxi-Dienste Libyen/Tunesien -> EU/Italien betreffend ja bloß nicht zu viel und nur das Nötigste sagen“. Wobei hier dann auch seine fordernden Worte mehr als genug aussagend sind: „Die deutsche und die französische Regierung, aber auch die anderen, können nicht tatenlos zusehen, sie müssen freiwillig Asylberechtigte… Mehr

imapact
1 Jahr her

Meines Erachtens reichen auch die hier angeführten Vorschläge nicht aus, das Problem in den Griff zu bekommen. Der ganze Asylgedanke muß von Grund auf neu formuliert, also den Gegebenheiten der Jetztzeit angepasst werden. Asyl war eigentlich gedacht für politisch verfolgte Einzelpersonen. Nach der von der open-border-Fraktion pervertierten Auffassung hat jeder Mensch, der in einem ihm nicht mehr genehmen Land lebt das Recht, sich samt Familie in einem anderen Land seiner Wahl nieder und dauerversorgen zu lassen. Gemäß dieser Auffassung könnten beispielsweise 1,x Milliarden Chinesen sich anderswo niederlassen, da sie ohne Zweifel in einem diktatorischen System leben. Auch die Genfer Konvention… Mehr

Nibelung
1 Jahr her

Für die Schwarzen wäre alles weit besser verlaufen, hätten sie das Zonengewächs nach der ersten Legislatur gleich vom Acker entfernt, denn damit wurde das rote Unkraut immer mächtiger und hinzu kamen noch neue Arten aus den USA und Brüssel hinzu und seit dieser Zeit werden sie mit der soliden Feldarbeit nicht mehr fertig und die wenigen Früchte sind dann auch noch abgestorben und auf anderer Ebene neu gespriest. So werden sie noch Jahre kämpfen müssen um wieder ertragreichen Boden unter die Füße zu bekommen und wer das alles betrachtet kann nicht den Eindruck gewinnen, daß er es mit Leuten zu… Mehr

Paul Brusselmans
1 Jahr her

Es sind keine Schiffbrüchigen, sondern moralische Erpresser, keine Asylberechtigten,da in vielen zuvor durchquerten Ländern sicher, angefangen schon damit, dass in so manchen Ländern für Asyl anerkennenswerte Zustände regional begrenzt sind. Das Verhalten selbsternannter Gutmenschen zulasten der Bevölkerung (wieviel Politiker beherbergen denn Migranten zuhause?) ist für massenhaftes Verdursten in der Wüste (davon spricht keiner) und Ertrinken verantwortlich, Australiens harte Linie nicht.
Die zarten Pflänzchen, die die EU-Kommission in Sachen Asyl generiert, macht dieses arrogante, grosskotzige, besserwissende Deutschland durch millionenfachen Rechtsbruch zunichte. Keine Sorge Europa, diesmal klappt es und Deutscholzland zieht seine Nachbarn mit in den Abgrund.

Jens Frisch
1 Jahr her

Multikulti ist nur ein kindlich klingender, zynischer Euphemismus für Völkermord – ein Blick in §6 des VStGB reicht, um das zu erkennen und ein Blick in deutsche Kindergärten und Grundschulen belegt dies nachhaltig.

imapact
1 Jahr her
Antworten an  Jens Frisch

Ja, wo bleiben die Rechte der „Indigenen“ (lt. Übersetzung von „Eingeborenen“)? Die Indigenen Deutschlands – das sind die Deutschen, die sukzessive in den Hintergrund geraten ob der massenhaften Zuwanderung kulturfremder, häufig unproduktiver, aber durchaus fertiler Versorgungsmigranten.