Deutschlands Klimavorreiter-Wahn: Milliardenbußen für CO2

Deutschland hat sich in Brüssel als Klimavorreiter inszeniert und steuert nun auf Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe zu. Während andere EU-Staaten mit weicheren Vorgaben Milliardengewinne aus deutschen Emissionslücken planen, bleiben Bürger und Mittelstand auf Zwangskosten und Auflagen sitzen.

IMAGO

So langsam gerät ins Rollen, was vor allem deutsche grüne Truppen in Brüssel angerichtet haben, und die Folgen werden weithin sichtbar: Die Zeche für Deutschlands „Klimawahn“ wird teurer und teurer. Jetzt listet Welt-Klimareporter Axel Bojanowski zusammen, was im nächsten Jahrzehnt auf der deutschen Klimarechnung stehen wird: Auf das Land dürften 2030 nach aktuellen Schätzungen 13 bis 34 Milliarden Euro Strafzahlungen zukommen. Eine Rechnung soll sogar Richtung 90 Milliarden laufen. Das würde bis zu 1000 Euro für jeden Bürger bedeuten. Niemandem ist klar, woher denn das Geld dafür kommen soll.

Die absurde Währung des Klimapanikzeitalters heißt „CO2 -Äquivalente“. In der normalen Wirtschaft gibt es Euro, Dollar und Yen. Um Vermögen vergleichbar zu machen, rechnet man alles in eine Leitwährung (z.B. Dollar) um. Im „Klimaschutz“ haben es die Grünen genauso gemacht und sämtliche Gase, die irgendwie als „Treibhausgase“ wie Methan, Lachgas und andere in die „Leitwährung“ CO2 umgerechnet. Der entscheidende Faktor ist das sogenannte Treibhausgaspotenzial. Man vergleicht, wie stark angeblich ein Gas die Erde innerhalb von 100 Jahren im Vergleich zur gleichen Menge CO2 erwärmt. Das böse Kohlendioxid (CO2) dient als Basiswert mit dem Faktor 1. Methan (CH4), das vor allem in der Landwirtschaft (Rinderhaltung) und bei Erdgaslecks entsteht, soll etwa 25- bis 28-mal stärker als CO2 wirken. Eine Tonne Methan zählt in der EU-Bilanz also wie ~25 Tonnen CO2. Oder Lachgas (N2O) entsteht vor allem durch Dünger in der Landwirtschaft und in der Chemieindustrie. Ihm wird eine fast 300-mal stärkere Wirkung als CO2 zugerechnet.

Wer also – so die kindische Rechnung – eine Tonne Lachgas einspart, bekommt 300 Tonnen CO2-Gutschrift. Das Konzept der CO2-Äquivalente ist der Grund, warum Sektoren wie die Landwirtschaft plötzlich so massiv unter Druck geraten, obwohl dort gar keine Schornsteine rauchen. Durch den hohen Umrechnungsfaktor von Methan und Lachgas werden Kühe und Ackerböden plötzlich zu gefährlichen „Emissionsquellen“ in der Excel-Tabelle der EU.

Beispiel: Ein landwirtschaftlicher Betrieb stößt physikalisch nur wenig Gas aus, aber durch den Faktor 25 (Methan) und 300 (Lachgas) explodiert sein „CO2-Äquivalent“. So kann schnell der „böse Bauer“ konstruiert werden, dessen landwirtschaftlicher Betrieb geschlossen oder – wie in den Niederlanden gewollt – halbiert werden muß. Da Deutschland nicht nur viel Industrie, sondern auch eine intensive Landwirtschaft hat, schlagen diese Faktoren in der sogenannten Effort Sharing Regulation (ESR) voll durch. Wenn Deutschland seine Landwirtschaft nicht drastisch abwürgt und dafür zum Beispiel Tierbestände reduziert, fehlen am Ende Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Ob diese Umrechnungsspielereien real sind oder nicht, spielt keine Rolle. Der Faktor bezieht sich meist auf 100 Jahre, während Methan ein kurzlebiges Gas ist und sich nach etwa 12 Jahren abbaut, also aus der Rechnung verschwinden müßte. CO2-Äquivalente sind also der buchhalterische Trick, mit dem unterschiedlichste Gase in eine einzige Zahl gepresst werden. Dieser Mechanismus ist beliebig manipulierbar. Es zählt nicht mehr nur jeder Autoauspuff, sondern jeder gedüngte Acker und jeder Stall, die mit einem „Straf-Faktor“ multipliziert werden.

Formal gilt in der EU ein gemeinsames Reduktionsziel von 40 Prozent bis 2030 gegenüber 2005. In der Praxis verteilt Brüssel die Vorgaben aber nach Wirtschaftskraft. Wohlhabende Staaten wie Deutschland, Dänemark, Finnland, Schweden und Luxemburg werden zu einer Minderung um 50 Prozent verpflichtet. Mehr als die Hälfte der übrigen 27 Mitgliedstaaten kommt mit Zielen unter 30 Prozent davon. „Deutschland“ soll diese Last als eines der größten Industrieländer der Welt begeistert tragen, denn, so die grüne Argumentation, es verursache bereits heute über ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen der EU.

Andere Länder haben deutlich mildere Bedingungen ausgehandelt. Vergleichbare Länder wie Frankreich oder Italien sind mit niedrigeren Vorgaben unterwegs, während mehr als die Hälfte der EU-Staaten sich in der Komfortzone von Minderungszielen unterhalb von 30 Prozent einrichten konnte. Für ärmere und zugleich energieintensive Länder bedeutet das: Sie dürfen ihren Ausstoß relativ großzügig weiterlaufen lassen und können später überschüssige Emissionsrechte teuer an Deutschland verkaufen. Polen, Griechenland und Spanien kalkulieren bereits mit Milliardenerlösen aus diesem System.

Damit werden ausgerechnet die Bereiche belastet, die im deutschen Alltag und im heimischen Mittelstand besonders stark ins Gewicht fallen. Die Methodik sorgt außerdem dafür, dass Deutschland Emissionen schultern muss, die in schwächeren Mitgliedstaaten gar nicht erst anfallen. Während dort Verbrennerbranchen unter vergleichsweise großzügigen Regeln weiterarbeiten, werden hochstandardisierte deutsche Unternehmen für ihre Anstrengungen kaum belohnt. Wo im Inland längst Milliarden in Effizienz und Innovation investiert wurden, vergibt die EU kaum Bonuspunkte.

Deutschland ist Transitland der EU. Tagtäglich rollen Lkw-Kolonnen und Güterzüge durch das Land, die Wirtschaftskreisläufe anderer Staaten mit Waren versorgen. Weil Emissionen dort verbucht werden, wo sie entstehen, schlägt dieser Transit voll in der deutschen Klimabilanz zu Buche. Güterverkehr, der dem Konsum in anderen Ländern dient, wird Deutschland zugerechnet – jede Durchfahrt wandert auf das nationale Emissionskonto. So bezahlt die Bundesrepublik für CO2-Emissionen, die ausländische Bürger verursachen, ohne den entsprechenden Nutzen im eigenen Land zu haben.

Gleichzeitig hat Deutschland in mehreren ESR-Sektoren bereits vorgelegt. Beim Heizenergieverbrauch liegt die Bundesrepublik unter dem EU-Durchschnitt, der Bestand an Wohngebäuden gilt als vergleichsweise gut gedämmt und mit relativ effizienten Heizsystemen ausgestattet. Die berüchtigten „low hangin‘ fruits“ sind hier bereits weitgehend gepflückt. Zusätzliche Einsparungen in Gebäuden und Verkehr werden damit teurer und technisch aufwendiger.

Deutschland muss im Verhältnis mehr leisten als viele Nachbarn, nur um den europäischen Durchschnitt zu erreichen, und das zu Kosten, die die heimische Wertschöpfung schwächen. Kapital, das in industrielle Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit fließen könnte, wird in den Zukauf verbrannter Überschussrechte anderer Staaten umgelenkt. Die EU-Logik entlastet auf diese Weise etwa osteuropäische Verbrennerbranchen, während deutsche Standards und Investitionen mit höheren Pflichten abgestraft werden.

Für den Zeitraum 2021 bis 2030 kalkuliert das Umweltbundesamt ein Defizit von rund 224 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Die können – oh Wunder, hier beginnt die Gelddruckmaschine – teuer als Zertifikate aus anderen EU-Ländern zugekauft werden. 2030 wird abgerechnet, was die Mitgliedstaaten unter der EU-Klimaschutzverordnung (ESR) tatsächlich eingespart haben. Schon heute ist absehbar: Ausgerechnet der laute „Vorreiter“ Deutschland verfehlt seine selbst akzeptierten Vorgaben krachend und steht vor horrenden Strafzahlungen.

Dies wird von Hardcore-Grünen durchaus mit Wohlwollen beklatscht, können sie doch so auf noch schärfere Vorschriften und Verbote drängen. Ohnehin gewinnt man hier schnell den Eindruck, dass sich das grüne Klientel über jeden Euro und jeden Cent, der aus Deutschland abgeführt und dort nicht genutzt wird, freut wie Bolle. Nicht umsonst stehen ihre Gefolgsleute in den NGOs Gewehr bei Fuß und wollen weiter Wirtschaft mit Verweis auf Umweltregeln abwürgen. Die heftig umstrittene Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) ist ein gutes Beispiel.

Zwei entscheidenden Schlüsselfiguren, die im Europäischen Parlament (EP) als der „Motor“ hinter der Verschärfung der Klimagesetze gelten, sind zum einen Bas Eickhout (Niederlande): Der technokratische Stratege ist seit 2009 im Parlament und gilt als einer der einflussreichsten grünen Politiker in Europa. Er ist Chemiker und arbeitete früher am UN-Klimabericht (IPCC) mit. Das macht ihn für die Industrie so gefährlich: Er kennt die wissenschaftlichen Details oft besser als die Lobbyisten der Gegenseite. Seine Rolle: Er ist Vizepräsident der Grünen-Fraktion und Vizevorsitzender des Umweltausschusses. Sein „Meisterstück“ (LKW und Flottenziele): Eickhout war der federführende Berichterstatter (Rapporteur) für die CO2-Standards bei schweren Nutzfahrzeugen. Genau das, was im Artikel von Bojanowski kritisiert wird – die drastischen Belastungen für den Transportsektor – trägt seine Handschrift. Er drückte gegen den Widerstand der Autoindustrie durch, dass die Emissionsziele für LKW massiv verschärft wurden.

Seine Taktik: Eickhout nutzt das sogenannte „Naming and Shaming“. Er veröffentlichte oft Details aus laufenden Verhandlungen, um Druck auf konservative Abgeordnete auszuüben, die versuchten, Ziele für die Industrie abzumildern. Er brandmarkte diese öffentlich als „Bremsklötze“, was viele dazu brachte, einzuknicken, um nicht als Klimasünder dazustehen. Er war auch führend im Kampf gegen die Einstufung von Gas und Atomkraft als „grün“ (Taxonomie). Zwar verlor er diesen Kampf teilweise gegen Frankreich (Atom) und Deutschland (Gas), aber er sorgte dafür, dass die Hürden für Investitionen in diese Bereiche extrem bürokratisch wurden.

Die zweite zentrale Figur kommt aus Stuttgart. Michael Bloss ist Aktivist im Parlament steht prototypisch für die „Drehtür“ zwischen radikalen NGOs und Parlament. Er kommt direkt aus der Aktivisten-Szene, war bei der Greenpeace Jugend und später Sprecher der Grünen Jugend in Europa. Er leitet die Forderungen der Straße direkt in Gesetzestexte. Bloss war der Chefverhandler der Grünen für das Europäische Klimagesetz. Dieses Gesetz ist das Fundament von „Fit for 55“. Bloss sorgte dafür, dass das Ziel der „Klimaneutralität bis 2050“ und das Zwischenziel für 2030 rechtlich bindend wurden. Und zwar so, dass sie einklagbar sind.

Die Falle für Deutschland: Er feierte es als Erfolg, dass Deutschland durch dieses Gesetz nun quasi „automatisch“ zu Maßnahmen gezwungen wird, wenn Ziele verfehlt werden. Bloss wusste: Sobald das Ziel im Gesetz steht (die 55%), greifen Mechanismen wie die Lastenteilung (ESR) unerbittlich. Als Stuttgarter legte er sich bewusst mit der dortigen Autoindustrie an. Er argumentiert, er müsse die Industrie „zu ihrem Glück zwingen“ (E-Mobilität), da sie sonst den Anschluss verliere.

Das Fatale für die deutsche Position war das Zusammenspiel dieser beiden Typen: Eickhout lieferte die technische Härte bei den Sektor-Zielen in Verkehr und Industrie, bloß lieferte den moralischen Druck und verankerte die übergeordneten Ziele im Klimagesetz.

Wie sie die „Hinterzimmer“ nutzten (Trilog): Im Trilog-Verfahren (Verhandlung zwischen Parlament, Rat und Kommission) fungieren Leute wie Bloss und Eickhout oft als „Schattenberichterstatter“. Die Kommission (von der Leyen) macht einen Vorschlag. NGOs (wie Transport & Environment oder Climate Action Network) schreiben Änderungsanträge, die noch schärfer sind. Eickhout und Bloss bringen diese Anträge ein. Da die Sozialdemokraten und oft auch Teile der Liberalen (Renew) im Parlament für Klimaschutz stimmen wollen, bilden sie eine Mehrheit gegen die konservative EVP.

Das Ergebnis: Das Parlament geht mit einer extremen Position in die Verhandlung mit den Mitgliedstaaten. Um eine Einigung zu erzielen, muss der Rat (also die Länder wie Deutschland) sich dann in die Mitte bewegen, die aber immer noch viel schärfer ist als der ursprüngliche Vorschlag.

Abgeordnete wie Bloss und Eickhout haben das politische System der EU perfekt genutzt. Sie haben die moralische Welle der Klimabewegung in harte, juristische Algorithmen wie die ESR-Strafzahlungen übersetzt. Sie wussten: Wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit weg ist (Jahre später, also jetzt), schnappt die Falle der Gesetze zu, die sie damals geschrieben haben.

Richtig prekär wird das Ganze dann 2030, wo abgerechnet wird. Über die gigantischen Dimensionen hat jetzt Axel Bojanowski aufgeklärt. Bloss kommt übrigens aus der Autoregion Mittlerer Neckar; dort kann er sich am dramatischen Niedergang der Autoindustrie ansehen, was er und Seinesgleichen angerichtet haben. Und wenn in fünf Jahren die nächste unbezahlbare CO2-Kostenlawine auf die Bürger zurollt, ist er über alle Berge.


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Kommentare ( 5 )

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Traum-Yogi
1 Stunde her

Eine niedrige Bevölkerungszahl und eine minimalistische Lebensweise können zu einer niedrigeren Umweltbelastung beitragen. Aber eine grüne Politik richtet Schaden an. Nötig ist eine öko-konservative Politik gemäß Herbert Gruhl.

Martin Mueller
1 Stunde her

Der deutsche Klimawahnsinn hat sich nicht nur potenziert, sondern hat sich auch selbst eine Grube gegraben.

Alles zu Lasten der eigenen Bevölkerung!

Last edited 1 Stunde her by Martin Mueller
Haba Orwell
1 Stunde her

> Auf das Land dürften 2030 nach aktuellen Schätzungen 13 bis 34 Milliarden Euro Strafzahlungen zukommen. Eine Rechnung soll sogar Richtung 90 Milliarden laufen. Das würde bis zu 1000 Euro für jeden Bürger bedeuten.

Mit etwas Glück gibt es 2030 die EUdSSR nicht mehr. Mittlterweile dürfte es gar der einzige Ausweg aus der Sackgasse sein.

Endlich Frei
1 Stunde her

Dieser gelebte Klima-Masochismus ist – neben der Rentenhöhe in Deutschland – der untrügliche Indikator für die schlechtesten Politiker in Europa – ja weltweit.

Die Höhe der Strafzahlungen ist reziprok zur Intelligenz der Wählerschaft in der BRD. Sie folgt dem linksgrün-wokem ÖRR-Diskurs wie Lemminge ihrem Schlächter. Generation Habeck hat dermaßen verloren – bin ich froh, dass ich in dieser Zeit nicht meine besten Jahre verleben muss.

Mausi
1 Stunde her

Erinnert an diesen Miniverein DUH, dem durch die Möglichkeit als Verein zu klagen, extreme Macht zugeschoben wurde.
Ich habe letztens meine KI befragt, wer denn mehr unter dem Dexit leiden würde: D oder die EU. Solche Zahlungen hat die KI gar nicht auf dem Radar. Das neigt die Wagschale doch sehr zugunsten des Dexit. Vor allem weil ich denke, dass das erst der Anfang der Strafzahlungen ist. Denn der Anlass für die Zahlung bleibt D ja erhalten.

Last edited 1 Stunde her by Mausi
A-Tom
1 Stunde her

Dummheit gehört nun einmal bestraft!
Es gibt eben Gewissheiten und Regeln, die gelten für alle Zeiten – völlig frei von temporären Ideologien und Weltansichten. Also: Dummheit gehört bestraft!