Den Krieg gegen Russland um jeden Preis gewinnen, schlägt jede Innenpolitik

Berufspolitiker müssen die Wirklichkeit nicht im Blick haben. Polit-Berlin-Mitte ist sich selbst genug, dreht sich um sich selbst. Je kritischer die Lage, desto mehr haben die zwei, drei Dutzend Hauptakteure dann mit sich selbst zu tun. Und wenn sie nicht abgewählt wurden, drehen sie sich noch immer.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr

Warum reisen andauernd Bundespolitiker nach Kiew? Wann packen die endlich statt dessen den riesigen Problemberg an? Solche Fragen stellen interessierte Bürger wie aufmerksame Beobachter immer häufiger – „Haupstadtjournalisten“ und alte Medien so gut wie nicht. Im politmedialen Betrieb gilt im Gegenteil die strenge Regel, bloß nach nichts unangenehm fragen oder gar kritisieren, was der AfD nutzen könnte. Und der AfD nutzt natürlich alles, was der Herrschaftsklasse unangenehm ist.

Unter den Berufspolitkern selbst gilt, sie haben das wirkliche Geschehen außerhalb des Politbetriebs gar nicht im Blick. Müssen sie auch nicht. Polit-Berlin-Mitte dreht sich um sich selbst. Je kritischer die Lage, desto mehr igeln sich die zwei, drei Dutzend Hauptakteure ein. Weil sie dann eben noch mehr mit sich selbst zu tun haben. Merz hat das unabsichtlich neulich im Sommerinterview selbst erklärt.

Zuerst ist da der „Koalitionsvertrag“. Wichtig ist nicht, was drin steht, sondern was nicht. Das schützt gegen neue Forderungen. Nicht absolut, aber wenn man mauern will, schon. Um neue Fragen, stellen sie sich wie die Verfassungsrichterwahl als kitzlig heraus, muss man „kämpfen“. Erstmal müssen Union und SPD sich einigen,  sagt Merz, erst danach spricht man mit Grünen und SED-Die Linke, weil es eine Zweidrittelmehrheit braucht (die mit der AfD nicht erlaubt ist).

Merz verschweigt die FDP-Walter-Scheel-Regel: Wirklich wichtige Entscheidungen werden ausnahmslos von Gremien getroffen, die es nicht gibt. Sagte CDU-Merz der fragenden Journalistin im ZDF-Sommerinterview, mit Grünen und Linken werde erst gesprochen, wenn es Einigkeit in der KleiKo gibt, stimmt das selbstverständlich nicht. Das sagt er, um die Journalistenfrage nicht beantworten zu müssen, ob er das schon getan hat (außerdem wäre das nicht Kanzler-Aufgabe, sondern Fraktionssache). SPD- und CDU-Leute tun das natürlich schon deshalb weit vorher, weil die Einigung in der Koalition nichts wert wäre, ohne zu wissen, ob die stillen Teilhaber mitmachen. Und zu welchem Preis.

Wie kann Merz von welchem Einsatz der Bundeswehr auch immer sprechen, wo es doch außer der (unfertigen) Litauenbrigade und ein paar kleinen Spezialeinheiten gar keine gibt, fragte ein Kollege, wisse Merz das denn nicht? Die riesigen Stäbe im Kanzleramt legen natürlich permanent Papiere vor, denen man das Tatsächliche in der Bundeswehr entnehmen kann. Merz wird das eine und andere gelesen und gehört haben. Eine Rolle spielt das nicht. Es muss ja keine Bundeswehr geben, um von ihr zu sprechen, solange Haupstadtjournalisten der alten Medien transportieren, was Merz sagt. Für diese kommt etwas anderes nicht infrage, wollen sie nicht das nächste Mal im Kanzlerflieger keinen Platz mehr finden. Was auch den Verlust ihrer Haupstadtrolle nach sich zöge. Drucken, senden (und dafür bezuschusst werden) ist wichtig – nicht was.

Den Ankündigungen des Kanzlers und anderer Hauptstadtchefsprecher muss keine Substanz zugrunde liegen. Ankündigung, Abdruck und Sendung genügen. Bis zur nächsten Ankündigung, die das Gegenteil sagen kann, oder aus der Behauptung bestehen, das habe man beim letzten Mal auch schon gesagt. Nahezu unschlagbar ist eine mittlerweile schon preisverdächtige Merz-Formel:

Ich stelle mich auf einen langen Krieg in der Ukraine ein. Wir versuchen, ihn so schnell wie möglich zu beenden, aber nicht zum Preis der Kapitulation der Ukraine. Denn dann verliert das Land seine Eigenständigkeit. Dann ist morgen das nächste Land dran und übermorgen wir.

Das trägt die ganze Legislaturperiode bis 2028, sofern es dabei bleibt, aber auch in einem nächsten Bundestagswahlkampf – und bis zum Ende des Ukrainekrieges in welcher Form und wann auch immer.

Wie gesagt, Berufspolitker haben die Wirklichkeit gar nicht im Blick. Müssen sie auch nicht. Polit-Berlin-Mitte dreht sich um sich selbst. Je kritischer die Lage, desto noch mehr haben die zwei, drei Dutzend Hauptakteure dann mit sich selbst zu tun. Und wurden sie nicht abgewählt, drehen sie sich noch immer.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 153 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

153 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
giesemann
2 Monate her

Antworten an  Peter Pascht Polen ist ein Land, ein Volk mit sehr eigener Sprache – was faseln Sie? Ich sage seit Jahr&Tag: Der 30-jährige Krieg 2.0 von 1914 bis 1945. Hier können wir uns treffen. Durch die Schaffung der EWG, später EU hat sich das hoffentlich für immer erledigt. Jetzt müssen wir nur noch die Großrussen in Moskau überzeugen: Ihr gehört zu uns, lasst eure idiotische Westphobie fahren, gemeinsam sind wir unschlagbar, als vollständiges Europa, mit Russland, nicht ohne – schon gar nicht gegen. DAS will die Ukraine erreichen – wolle mer se ünnerstützen, wolle mer se roilasse? Was meinen Sie?… Mehr

GefanzerterAloholiker
3 Monate her

“ …. Berufspolitker haben die Wirklichkeit gar nicht im Blick.“ Es war angesichts der Realitäten, eine Dusseligkeit, gegen die größere, reichere Ökonomie zu konspiriren. Die CIA wertet die russ Föderation korrekt noch vor BRD – aber der BRD laufen die Kosten weg. Sie überbewertet die USA um mindestens 40%, wegen des sog. imputed Wertes alleine 14%. Aber es ist in den USA schlicht erfunden. Die liegen kaum vor Indien. Die Sache ist gelaufen. Die Chinesen haben top Möbel: alles neu. Alle elektrischen Firlefanz in ihren Küchen. Die sind reich. In der sog. Mittelklasse sind die Chinesen bereits reich. Um den… Mehr

DELO
3 Monate her

Merz ist ein grenzenloser Schaumschläger und Wackelpudding, sonst nichts. Das dumme Gerede gegen Russland wirkt schon fast peinlich und deutsche Truppen in der Ukraine gegen Russland wird nicht nur die Russen an 1939 erinnern. Deutschland hätte allen Grund zur Zurückhaltung in dieser Frage, aber da müßte ein Kanzler eben Führungsqualität in anderen Bereichen aufweisen können und nicht der „Umfaller des Tages“ sein.

Nibelung
3 Monate her

Die sollten zuerst mal den „Krieg“ im inneren gegen die fremden Kohorten gewinnen, bevor sie sich aufmachen die Russen zu besiegen, denn was sie nichteinmal intern schaffen wird nach außen an der Ostfront erst recht nicht gelingen und Trump hat keine Lust als der Zerstörer der USA in die Geschichte einzugehen und deshalb hat er auch nichts dagegen uns mit Waffen gegen Bargeld zu beliefern, während der Rest dann unsere Angelegenheit wäre, wenn wir überhaupt bis zu polnischen Grenze kommen. Derzeit hat der Spruch von Heine wieder eine besondere Bedeutung, denk ich an Merz und Klingbeil in der Nacht, werd… Mehr

GefanzerterAloholiker
3 Monate her

„Es muss ja keine Bundeswehr geben … “ . Oder doch? Sind Armeen auch für Paraden da? Hier ist ein netter Abgleich zwischen den untergehenden USA und der führenden Weltmacht China.
Die russ Föderation lässt sich auch nicht Lumpen beim Thema Parade. Man könnte auf den Gedanken kommen, es zeigt mannschaftliche Geschlossenheit, Disziplin und Willen.
https://youtu.be/UC4eLBUbqO0

Last edited 3 Monate her by GefanzerterAloholiker
Michaelis
3 Monate her

Mir wird so speiübel, wenn ich an Merz denke!!!
Krieg führen will der, weil er sonst nichts kann.
Ich habe gelesen, dass der „Katholik“ sei???
Der Mann muss exkommuniziert werden!!!

Michaelis
3 Monate her
Antworten an  Michaelis

Ich selbst hatte ein katholisches Elternhaus, und weder meine Eltern, noch ich oder irgendein Gemeindemitglied hätte solch eine aggressive, militaristische und unversöhnliche Gesinnung akzeptiert oder gar gutheißen!!! Dieser Kriegskanzler ist eine existenzielle Bedrohung für Deutschland!!!

wibon
3 Monate her

Nicht unser Krieg!

Warum lassen wir zu, dass der 2.Wahl-Kanzler so laut um Krieg bettelt?
Wir haben mit diesem Krieg nichts zu tun! Ausser natürlich das wir unser gesamtes Land opfern weil es die politik-Kaste so will.
Wir verschenken alles was wir haben, under Steuergeld, Bundeswehrausrüstung, sogar unser Land in dem wir zusehen wie ukrainische Deserteure in unser Land strömen, unsere Sozialkassen ausrauben und für diese Bande sollen wir dann auch noch in den Krieg ziehen?
UNFASSBAR!

wibon
3 Monate her

Es ist unfassbar. Deutschland wird auf jede mögliche Art und Weise beschädigt, ruiniert. Ob es Merkel mit ihrer Grenzöffnug oder dem Atomausstieg nach vorheriger Laufzeitverlängerung getan hat. Egal, Hauptsache es geht zu Lasten Deutschlands. Die Folgeregierung unter Scholz, keinen Deut besser. Der cum-ex-Kanzler lässt eine ex-Trampolin-Springerin mit ihrem Hofstaat, Fotografen, Geschichtenschreiber, Friseure (ein Hofnarr hätte noch gefehlt) um die Welt jetten um das aus den Bürgern rausgepresste Geld zu verschenken und zu verschleudern als ob es hier an Bäumen wachsen würde. Und dann kommt ein Multimillionär aus dem Sauerland, verspricht dem Wahlvolk hoch und heilig jetzt alles so zu machen… Mehr

Bartoc
3 Monate her

Was haben wir nur für ein naives Personal in unserer Regierung! Gefangen in der moralisierenden Eigenüberhöhung opfern Merz & Co die Prosperität und die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Die Annahme, dass Putin vorhat, nach der Annektion des Donbass weitere Teile Europas zu erobern, ist doch durch nichts gedeckt. Auf Basis dieser Annahme derart weitgehende Schritte zu unternehmen und den Wohlstand Deutschlands aufs Spiel zu setzen, kann man meiner Meinung nach nur noch als Wahnsinn bezeichnen. Wie kommt Merz dazu, der Ukraine dauerhaft die Unterstützung Deutschlands zuzusagen und gleichzeitig Putin als den größten derzeit lebenden Kriegsverbrecher hinzustellen? Damit verschwendet Merz einerseits deutsches… Mehr

Kassandra
3 Monate her
Antworten an  Bartoc

Daran, dass die wirklich gescheit wären und das alles mutwillig in die Wege geleitet wäre, darf man gar nicht denken! Der Pole Andrzej Łobaczewski schrieb vor Zeiten über das Verhalten Regierender „Politische Ponerologie, eine Wissenschaft über das Wesen des Bösen und ihre Anwendung für politische Zwecke“. Das Buch ist, wie mehrere Interviews dazu, im www in Gänze zu finden: https://kritisches-netzwerk.de/sites/default/files/andrzej_lobaczewsk_-_politische_ponerologie_-_eine_wissenschaft_ueber_das_wesen_des_boesen_und_ihre_anwendung_fuer_politische_zwecke_2.pdf Aber auch das zu erkennen ist dem Deutschen in Masse momentan zu erschreckend und noch gar nicht vorstellbar. . Merz hat als Grundlage seines Agierens wie weiland Scholz und Merkel nur die Annahme, dass Russland dort im Donbass Grenzen verletzt… Mehr

Deutsche
3 Monate her

Für den unglaublichen Schaden durch die Deformation von Rechtsstaat und Staatsfunktion zu deren eigenem Vorteil wäre eine adäquate Strafe hundertausendmal Lebenslänglich.
Soviel können die gar nicht einsitzen wie die Schaden angerichtet haben.
Und jetzt will Merz noch einen Krieg anzetteln und Deutschland wieder in Ruinen legen.

Kassandra
3 Monate her
Antworten an  Deutsche

Wobei bereits Merkel alle Steine in Bewegung setzte, dass von unserem Deutschland kein Stein mehr auf dem anderen bleiben kann.
Die Lawine rollt – auch, wenn eine Masse sich immer noch in Sicherheit wähnt und längst vergangne Verhältnisse auch für die Zukunft erhofft.