Wie uns der Stabilitätspakt zum Verhängnis wird

Die Flüchtlingskrise hat nun sogar zur Folge, dass Frankreich den europäischen Stabilitätspakt nach Gusto aufweichen kann. Die Folgen werden dramatisch sein, nicht zuletzt auch für Anleger.

Es war einmal ein Stabilitätspakt. Dann brach die Flüchtlingskrise über Europa herein. Deutschland und Österreich drohten von ihr am meisten betroffen zu werden. Da traf es sich günstig, dass bei einem Stelldichein der europäischen Finanzminister der Vorschlag Österreichs durchsickerte, man möge doch bitteschön die hohen finanziellen Aufwendungen für Flüchtlinge vom Stabilitätspakt ausnehmen. Das wirkte wie ein Startschuss für weitere Attacken gegen diesen Pakt, an denen sich eine bunte Schar von Politikern und Bürokraten beteiligte und weiter beteiligen wird.
Hier nur drei Beispiele: Den Anfang machte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, indem er vorschlug, den Pakt flexibler zu gestalten. Diese Idee fand der französische EU-Währungskommissar Pierre Moscovici offenbar so genial, dass er versprach, sie weiter zu verfolgen und sich dafür einzusetzen, die Flüchtlingskosten aus den Staatshaushalten herausnehmen zu lassen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung fand er dazu besonders markige Worte: „Klar ist, dass wir den Pakt einhalten, aber seine Regeln in ihrer gesamten Breite nutzen müssen. Wir müssen die Flüchtlingskrise und deren Kosten deshalb als eine Investition betrachten.“ Und siehe da, sogar Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schwenkte in die Riege der Stabilitäts-Relativierer ein, als er der Bewältigung der Flüchtlingskrise „oberste Priorität“ einräumte – einschließlich der für ihn typischen Schutzbehauptung „möglichst ohne neue Schulden“.

Frankreich hat Deutschland im Griff

Man wird sehen, und zwar schon schon bald. Denn derweil läuft in der EU-Kommission der Countdown zur Aufweichung des Stabilitätspakts; er soll bis Ende Oktober erste Ergebnisse zeitigen. An die Spitze dieser Bewegung hat sich Flexibilitäts-Fanatiker Juncker begeben. Er kann darauf bauen, dass Moscovici stramm zu ihm hält, weil es ganz nebenbei um Frankreichs Interessen geht. Das Land ist alles andere als ein Hort der Stabilität. Zusammen mit Italien setzt es sich bereits seit Jahren eher für labile als für stabile Staatsfinanzen ein und hat damit Erfolg: Sein Versprechen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, braucht es nach mehrfacher Verlängerung erst 2017 einzulösen. Insofern kommt Frankreich und den anderen Stabilitätssündern der Flüchtlingsstrom in Richtung Deutschland wie gerufen: Jetzt können sie den Stabilitätspakt in ihrem Sinn aufweichen, ohne Gefahr zu laufen, von Deutschland allzu viel Widerstand zu bekommen.

Das Ganze enthält noch eine brisante politische Komponente. Angenommen, Deutschland würde der Stabilität um jeden Preis Priorität einräumen und sich so den französischen Aufweichungsplänen widersetzen; gute Gründe dafür gäbe es ja. Dann dürfte allerdings ein gemeinsames außenpolitisches Vorgehen schnell infrage gestellt sein, sei es in Sachen Syrien, sei es in Sachen Türkei oder anderswo. Das kann Deutschland sich nicht erlauben. Folglich wird es Frankreich bei der Aufweichung des Stabilitätspakts entgegenkommen.

Bundesanleihen drohen in den Keller zu rauschen

Und die weiteren Folgen? Angenommen, die Bundesregierung hat ihre Aussage, die Steuern nicht zu erhöhen, ernst gemeint. Wie frühere Zeiten zeigen, kann man da nie ganz sicher sein. Aber glauben wir ihr dieses Mal. Dann bleibt dem Bund nichts anderes übrig, als sich weiter zu verschulden. Die Bewältigung des Flüchtlingsproblems würde ein solches Vorgehen rechtfertigen. Und wie erwähnt, hat Schäuble ihr die oberste Priorität eingeräumt. Daraus folgt: Der Finanzminister wird die extrem niedrigen Zinsen nutzen, um am Kapitalmarkt kräftig zuzulangen.
Bundesanleihen mit Minikupons leicht über Null haben in den vergangenen Jahren reißenden Absatz gefunden. Dieses Mal wird es vorerst nicht anders sein. Falls es jedoch die EZB eines Tages schaffen sollte, mithilfe ihrer gigantischen Geldschwemme das ständig ausgerufene Inflationsziel von annähernd 2 Prozent zu erreichen, werden die Kurse der Minikuponanleihen, dann mit dem Makel negativer Realverzinsung behaftet, in den Keller rauschen. Und zwar derart heftig, dass ihre Besitzer, an vorderster Stelle Verwalter von Vorrichtungen zur Altersvorsorge, wie Lebensversicherer oder Pensionskassen, den Kunden nur noch ganz armselige Erträge auf das Ersparte präsentieren werden.

Der Goldpreis gibt ein klares Kaufsignal

Wollen wir das wirklich? Sicher nicht, aber wie beschrieben, bleibt uns nichts anderes übrig, als aus unserer diesbezüglich passiven Position heraus das Schlimmste zu vermeiden. Das bedeutet: Finger weg von Staatsanleihen, aber auch von den meisten Anleihen der Unternehmen und überstaatlichen Organisationen. Ersatzweise bieten sich Tagesgeldkonten an, allerdings nur als Liquiditätsreserve, nicht als Daueranlage. Immobilien haben als Anlageobjekte ihre beste Zeit hinter sich. Die Minizinsen bei der Fremdfinanzierung haben für Preisexzesse in deutschen Metropolen und Universitätsstädten gesorgt. Folglich sind die Mietrenditen auf ein Niveau geschrumpft, das Anlagen nur noch in Ausnahmefällen sinnvoll erscheinen lässt.

Viele Aktien werfen zwar Dividendenrenditen ab, die sich ähnlich wie der Großteil der Mietrenditen zwischen 3 und 4 Prozent bewegen, aber allein darauf zu setzen, wäre Augenwischerei. Denn schon der Kursrückgang an nur einem einzigen Tag kann die Rendite zunichte machen. Was Anleger, die Aktienerfahrung und Spekulationsmentalität vereinigen, natürlich nicht davon abhalten sollte, mit Aktien zu spekulieren.

Bleibt noch Gold als vierte Säule im Rahmen der Anlagestrategie. Es hat nach vier Jahren Preisrückgang zuletzt einen Boden ausgebildet, der halten dürfte. Mehr noch, nach oben besteht wahrscheinlich ganz erheblicher Preisspielraum. Denn nicht allein die EZB wird mit ihrem Inflationsziel ernst machen, auch die anderen bedeutenden Notenbanken unter Führung der amerikanischen Fed werden alles daransetzen, um ihre Inflationsziele zu erreichen. Kommt es zu 2 Prozent Inflation – oder sogar mehr, weil dann der Geist aus der Flasche entsprungen sein wird -, dürften zahlreichde Anleger das zinslose Gold den ins Negative rutschenden Realzinsen vorziehen. In Erwartung dieser Tendenz hat der Goldpreis vom Boden abgehoben – ein klares Kaufsignal.

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