Der Spiegel Nr. 37: Das tödliche Geschäft der Schlepper-Mafia

Chefredakteur Klaus Brinkbäumer ist in dieser Woche ein tolles Heft gelungen. Der Spiegel ist in dieser Woche so, wie er sein sollte. Mit vielen spannenden, interessanten und lehrreichen Themen.

Beim Thema Nummer 1, der Flüchtlingsdebatte gehen das Spiegel-Team um die Redakteure Christoph Scheurmann und Ralf Hoppe wie echte Sturmspitzen dahin, wo es am gefährlichsten ist und vielen mulmig wird. Die Journalisten spürten im Osten Europas den Schleppern nach, wie sie den Flüchtlingen anbieten, sie für Geld nach Deutschland zu schaffen, welche Wege die Schlepper nehmen und wie gering das Risiko ist, erwischt und dafür bestraft zu werden.

Um die Probleme in den Griff zu kriegen, werden die Politiker wohl alles mit einem Riesenbatzen Geld zukleistern. Die dafür kalkulierten 3,3 Milliarden dürften bei dem, was ins Griechenland-Intermezzo hineingestopft wurde, „Peanuts“ sein. Dennoch grämen sich laut Spiegel Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die neue Milliardenverpflichtung den fein eingefädelten Plan für eine schwarze Null im Haushalt torpediert und damit einen Joker für den nächsten Wahlkampf kostet.

Weitere Highlights im Heft sind für mich der Essay „Wir Kanaken“ von Juan Moreno, in dem mich vor allem die fulminante Hommage an den stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet überraschte. Sehr lesenswert ist zudem das Gespräch zwischen Klaus Brinkbäumer und Peter Wensierski mit Kardinal Reinhard Marx, dem Chef der Bischofskonferenz über Ausländerhass, Christen und die Zukunft der Katholischen Kirche.

Was in dieser Spiegel-Ausgabe besonders auffällt, sind die investigativen Beiträge im Wirtschaftsteil: Vorneweg „Schatten des Zweifels“ von Christian Bergmann, Marcel Rosenbach und Jörg Schmitt, eine der investigativen Speerspitzen der Hamburger. Da trug ein Mitarbeiter von SAP Hinweise dafür zusammen, dass das Walldorfer Unternehmen angeblich bei der Software-Entwicklung von Konkurrenten abschrieb und kopierte. Das Unternehmen spricht von Erpressung. Ein wirklich bizarrer Wirtschaftskrimi. Lesenwert.

Sehr stark ist zudem der Beitrag von Raffaela von Bredow und Veronika Hackenbroch über die Aggressivität, mit der Pharma- und Medizinprodukteindustrie gegen Ärzte und Wissenschaftler vorgehen, die in ihren Gutachten zu nicht genehmen Ergebnissen kommen. Der britische Forscher Peter Wilmshurst beschreibt im Gespräch, wie er deshalb erpresst, angefeindet und diffamiert wurde.

Ein Muss unter Wirtschaftsjournalisten ist die Lektüre des Beitrags „Rollentausch im Altersheim“ von Spiegel-Urgestein Dietmar Hawranek, dem wohl besten Kenner von VW im deutschen Journalismus. Hawranek dröselt den ablaufenden Machtkampf und wie es vermutlich in Wolfsburg weitergeht, minutiös auf.

Wie es sich für eine Wundertüte gehört, gibt es in dieser Ausgabe nicht nur Nützliches, sondern auch allerlei Buntes. Stefan Berg erläutert etwa in seinem Leitartikel, warum Fremdenhass eine Krankheit ist. Dann gibt es wohl bald Pillen dagegen?

Signale der Regierungen in Prag, Warschau, Bratislava und Budapest
Ein Korridor für syrische Flüchtlinge von Ungarn nach Deutschland?

Gabriel und Steinmeier kungeln angeblich miteinander, wer Bundespräsident Gauck beerben könnte. Oder funkt am Ende doch Christian Lindner mit seiner laut Spiegel bei der nächsten Bundestagswahl auf die Fünf-Prozent-Marke zustrebenden FDP dazwischen?

Und in Europa sprechen sich angeblich die Sozialdemokraten über die Ländergrenzen ab, wie sie gemeinsam Angela Merkel ausbremsen können. Köln verschlampte die Verwaltung die Kommunalwahl. Mehmet Scholl entschuldigt sich bei Mario Gomez. Und es gibt sie noch, die deutschen Ingenieure, die unauffällig technische Großtaten fabrizieren: In Mecklenburg laufen jetzt die ersten Super-Akkus für die Stromspeicherung.

Außerdem freut uns, dass laut Bernhard Zands Homestory „Mit Soße“ Chinesen Deutschen, die mit ihrem Weimaraner (eine Hunderasse) durch Peking spazieren, freundlich begegnen. Und die Befürchtung, dass alleinstehende Hunde in China schnell im Kochtopf landen, Unsinn sei.

Insgesamt als ein Heft mit einem herrlich bunten Reigen

Mein Fazit: Der Spiegel ist in dieser Woche Pflichtlektüre, Note 1

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