Clinton versus Trump – wer hat das TV-Duell gewonnen?

Wenn das der Spotmarkt des präsidialen Personaltableaus der großen Vereinigten Staaten sein soll, auf dem nur noch die beiden Kandidaten Trump und Clinton übrig geblieben sind, nach quälenden Vorwahlen, dann Gute Nacht USA. Weder Clinton noch Trump haben irgendetwas politisch Konsistentes gesagt: Sprechblasen über Sprechblasen ohne Inhalt und ohne irgendeine Aussagekraft darüber, wie Trump oder Clinton als Präsident tatsächlich agieren werden.

© Joe Raedle/Getty Images
Republican presidential nominee Donald Trump (R) debates Democratic presidential nominee Hillary Clinton as Moderator Lester Holt (C) looks on during the Presidential Debate at Hofstra University on September 26, 2016 in Hempstead, New York.

Clinton machte den Anfang. Sie will „erneuerbare Energien“ fördern und mittels Energietechnik wollte sie „neue Arbeitsplätze“ schaffen. Exakt dasselbe hatte Obama, der Clinton vor acht Jahren aus dem Rennen um die Präsidentschaft heraus geworfen hatte, auch schon gesagt und doch wurde die acht Jahre währende Obama-Administration, deren essentieller Teil Clinton war, zur größten Frackingmaschinerie, die es je gab.

Fracking ist die unsauberste und energieaufwändigste Produktionsform des fossilen Brennstoffes, der auch das schwarze Gold genannt wird. Und wenn man schon eine Fracking-Industrie gegen den weltweiten Ölpreisanstieg aufgebaut hat, lässt man sie nicht wie Obama und Clinton gleich wieder verkommen.

Auch wenn die Journalistenkollegen weltweit solche Äußerungen Clintons als konkrete Politik lobten, von der sie sehr viel geliefert hätte, steht doch fest, dass eine Politikerin, die acht Jahre lang am fracken war, sich nicht in einer Wahlkampfshow hinstellen kann und die abgestandene Behauptung ihres Vorgängers Wind-, Sonnen- und Wasserenergie ausbauen zu wollen, einfach nachplappern kann. Wenn da nicht mehr kommt, dann handelt es sich um eine inhaltsleere Sprechblase, um es zu wiederholen.

Wer wie alle US-Präsidenten der letzten Jahrzehnte in Hillarys Manier 5 Minuten vor der Wahl den „Mittelstand“ ausgräbt, liefert politisch betrachtet, nichts: gähnende Leere. Und dann auch noch ein bisschen den kleinen Mann kitzeln und schnell noch mal Wörter wie Minderheiten, Frauen und dergleichen mehr fallen lassen. Clintons ökonomisches Credo: Steuererhöhung zur Wirtschaftsankurbelung. Auch das ein eher sozialistisches Rezept vom Grundansatz her, aber sie vermied jede Konkretisierung. Überhaupt hat Clinton wenig Konkretes gebracht, im Prinzip gar nichts, was eines US-Präsidenten würdig wäre.

Kandidatenkollege Trump beendete das Duell mit den Worten: „If she wins I will absolutly support her“. Er zeigte damit, dass er ein charmanter, ganz lockerer Typ sein kann und ein Leben geführt hat, in dem er nicht einen Bruchteil der Verbissenheit von Hillary Clinton jemals produziert hat. Clinton hat eben seit Jahrzehnten auf ihre Präsidentschaft hingeschuftet und ist dabei zu einer, an diesem Duellabend relativ glänzend rausgeputzten politischen Kampfmaschine geworden.
Trump hat in Sachen Konkretheit seinerseits wenig gezeigt. Sein Credo „America First“ schien in jedem seiner Wörter durch. Vor allem die Körperschaftssteuer wollte er von 35 % auf 15 % herabsetzen, um die Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland zu stoppen und Amerika wieder für Investoren und solche Amerikaner attraktiv zu machen, die Kapital im Ausland angelegt haben.

Trump setzt also auf Zinssenkung zur Wirtschaftsankurbelung, auch das ein alter Hut, wenn nichts Konkretes dazu kommt. Immerhin: Steuersenkungen haben im Zweifel ein größeres Potenzial zur Wirtschaftsankurbelung als steuerfinanzierte Gießkannen, die über dem Land ausgeschüttet werden, in der Hoffnung, dass so wirtschaftsbelebende Investitionen vor allem bei den kleinen Unternehmern passieren, wie Clinton es andeutete.

In einem Punkt war Trump, vielleicht sogar etwas unfreiwillig, sogar analytisch mit Tiefgang: en passent sagte er, ohne weitere Konkretisierungen zu liefern, dass, wenn die Zinsen vom derzeitigen Nullniveau wieder steigen würden, was sie aus vielerlei Gründen tun werden, die durch Billiggeld scheinangekurbelte US-Wirtschaft wieder absacken könnte.

Wegen der inhaltlichen Nullnummern, die die Kandidaten ablieferten, stürzten sich die Weltmedien, die schon im Vorwege herumpsychologisiert und herumvermutet und mit vielen Unterstellungen heiße Luft produziert hatten, auf die Fiktionen, die sie von den beiden Kandidaten festgefahren in ihren Köpfen haben:

Hillary Clinton, die routinierte, disziplinierte, sich perfekt in den Sachthemen vorbereitende Alleswisserin mit einem gelegentlichen Sympathieproblem, einer massiven Emailaffäre. Und dagegen Trump, der Entgleiser, der Rüpel und Tölpel, der Unberechenbare, der Frauen und Minderheiten beschimpft und eigentlich – von den Zustimmungswerten bei seinen Wählern abgesehen – eigentlich kein ernst zu nehmender Kandidat ist und ein politischer Nichtskönner obendrein.

Hat Clinton das TV-Duell wirklich gewonnen oder ist das eine Medienfiktion?

Diese festgefahrenen Bilder in den Köpfen beeinflussen auch die ersten Rezensionen massiv. Wer schon immer das halbleere Glas bedauerte, bleibt in seinem Bedauern befangen und wer schon immer Freude über das halbvolle Glas empfand, betrachtet Selbiges eben mit einem gewissen Wohlwollen. Sehr viel Psychologie tanzt in den Köpfen derjenigen, die die veröffentlichte Meinung machen, wild durcheinander. Und so war es angesichts der inhaltlichen Ödnis der Debatte kein Wunder, dass die meisten ihre vorgefertigte Meinung ganz zwanglos bestätigt sahen.

Clinton hätte die Nase nach dem Duell vorn gehabt. Clinton sei die einzig „Erwachsene“ im Raum und einfach nur toll gewesen. Auch der Tagesspiegel sah zunächst Hillary als Siegerin. Ebenso wie Spiegel online.

Und auch Welt online lobte Clinton, allerdings auf einer eigenen gefühlten Basis. Befremdlich die dortige Überschrift „Schlagfertig und informiert! Clinton gewinnt gegen Trump“. Wer aus den Beiträgen der beiden Kandidaten irgendeine neue Information entnommen haben will, muss seinerseits im Tal der Uniformierten leben. Das ist die Crux dieser Debatte gewesen. Außer unspezifischen, im Wahlkampf 100 Mal durchgenudelten Allgemeinplätzen gab es wirklich eine erschütternde Leere: Die ganze Debatte im Wortlaut.

Während CNN in einer Blitzumfrage Clinton als Gewinnerin ausmachte, machten andere Umfragen wie von CNBC Trump als Gewinner aus, wie Trump auf Twitter triumphierend bekannt gab.

Die Tagesschau ist etwas verhaltener und sieht nur, dass Clinton zwar gepunktet, aber noch nicht ganz gewonnen hätte. Einzig Tim Rahman von der Wirtschaftswoche zeigte sich etwas unabhängiger und stellte nahezu als Einziger mit seinem Artikel „Clinton ist gut, Trump ist besser“ die Tatsache in den Raum, dass Trump das TV-Duell gewonnen haben könnte.

Clinton hat eben sehr viel mehr öffentliche Supporter und vor allen Dingen sehr viel prominentere. Jeder, der etwas auf sich hält, ist für Clinton und gibt den Trumpverhinderer.

In Deutschland ist der öffentliche Raum nahezu 100% Clinton-Raum. Die Selbstdarstellungswut der Medien, schaut her, ich bin Clinton-Unterstützer und Trumpverhinderer, könnte die Realität verfälscht wieder geben. So hieß es ganz überwiegend spontan, dass Clinton sich nicht hätte provozieren lassen, dass sie souverän ihr Ding durchgezogen hätte und Trump im Gegenzug Clinton  aggressiv angegriffen und 40 Mal unterbrochen hätte. Ein solches Fernsehduell ist natürlich auch dazu da, dass sich die Kandidaten auch persönlich fetzen und das möglichst mit Stil und gekonnt.

Und da ist eine Tatsachenbehauptung Clintons, die entgegen der Mehrheitsmeinung in den Medien, Trump massiv attackierte, ganz herausragend. Sie versuchte Trump als Großerben und Großkapitalisten zu diskreditieren und sagte, was die Weltjournaille hören wollte, Trump sei nicht reich, sondern arm und in Wahrheit noch viel ärmer als arm, er hätte über 600 Millionen Schulden. Trump, der einige argumentative Schwächen zeigte, war auch hier in der Selbstverteidigung nicht sonderlich stark, aber zu recht wies er auf eine für Clintons Wirtschaftskompetenz ziemlich peinliche Tatsache hin: jede prosperierende, großkapitalistische Bank hat oft hunderte Milliarden Schulden, nämlich bei jedem, der ein Sparkonto bei ihr unterhält oder ein Girokonto im Plus führt oder sonst in großem Stil der Bank sein Geld und seine Aktien oder sonstige werthaltige Anlagen anvertraut.

Das Eigenkapital großer Banken ist, wie die Bankenkrise jüngst zeigte, verdammt klein. Schön, wenn die Banken mehr Forderungen als Verpflichtungen haben. Aus der Bilanz eines Unternehmens oder eines Privatvermögens einen Einzelposten heraus zu picken und zu sagen, Ätsch, du bist aber ein ganz schlechter Kapitalist, ohne das Gesamtvermögen, das bei Trump offenbar mit Hotels und Immobilien um ein Vielfaches über die 600 Millionen hinaus geht, mit aufzuzählen, zeugt von wirtschaftlicher Inkompetenz oder Bösartigkeit. Man muss eben jede Tatsachenbehauptung, wie zum Beispiel die von etwa 600 Millionen Schulden Trumps vorab genauer hinterfragen, bevor man jubelt.

Trump blieb authentisch Trump

Gewählt wird in den USA und da hat Trump sein Wählerpotenzial soweit ausgeschöpft, dass er von einer Nullposition innerhalb eines Jahres jetzt  nahezu auf Gleichstand mit Clinton gekommen ist. Seinen Spagat hat er, vom öffentlichen Getöse abgesehen, einfach als Faktum ganz gut hingekriegt. Als eher areligiöser Mensch muss Trump versuchen, seine konservativen Wähler zu behalten, diese nicht zu verprellen und jetzt muss er umgekehrt ins Lager der noch unentschlossenen Wähler eindringen und das ist ihm während des TV-Duells besser gelungen, als es seine Gegner wahrhaben wollen.

Trump blieb authentisch Trump mit all den Facetten, mit denen er oft genug aneckt, aber er zeigte sich auch lernfähig und ließ erkennen, dass er zwischen Wahlkampfgetöse und tatsächlicher Amtsführung wohl unterscheiden könnte/kann. Im Angesichte des Riesenspektakels der aufgebotenen Manpower, der Singularität der Debatte war das Geplänkel im ersten TV-Duell inhaltlich flach, ohne, dass diese Tatsache kommuniziert wird. Im Gegenteil, als handelte es sich um einen Hollywoodschinken, werden die schauspielerischen Leistungen, die Fitness, strahlendes Lächeln, kontern, sticheln, Schlagfertigkeit beurteilt. Aber auch insoweit war die Debatte nicht reizvoller als manch eine Debatte von im Weltmaßstab gesehen kleinen Lokalmatadoren, die sich in kleinen Ländern unbemerkt von der Öffentlichkeit duellieren.

Der Außenseiter, der „Outlaw“ Trump bringt ein bisschen Farbe in den politischen Diskurs. Clinton punktet mit fast vierzig Jahre alter politischer Routine. Beide Kandidaten vermögen nicht wirklich zu überzeugen.

Die katastrophalen außenpolitischen Fehler Obamas, die Clinton als dessen zeitweilige Außenministerin mit zu verantworten hat, lasten in Wahrheit schwer auf der ersten weiblichen Kandidatin – zu schwer. Trump ist es nicht im Entferntesten gelungen an dieser Stelle sachlich, perfekt informiert und argumentativ hochgerüstet Hillary Clinton zu stellen. Sein Gebrüll, dass er den IS besiegen will, ist noch ein bisschen wenig.

Bleibt abzuwarten wie sich die Kandidaten bis zum 8. November noch entwickeln.

P.S. Zwischen absurd und kindisch: In den Weltmedien gibt es die Behauptung, dass das Fernsehduell Clinton als Siegerin hervorgebracht hätte und dass die Aktienkurse dieser Welt daraufhin angezogen hätten. Wenn das wahr wäre, wären die Aktienmärkte verrückt und die Korrektur würde stehenden Fußes folgen. Was soll so ein Unsinn?

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