Wenn der eine Matteo mit dem anderen flirtet

Während in Deutschland das Chaos losbricht, weil ein FDP-Ministerpräsident mit AfD-Stimmen gewählt wurde, denkt man in Italien laut über ein Bündnis zwischen Mitte-Links und vermeintlichen „Populisten“ nach. Matteo Renzi und Matteo Salvini: eine ungewöhnliche „Liebe”.

Gabriele Maricchiolo/AFP/Getty Images und Mauro Ujetto/NurPhoto via Getty Images

In Italien macht Ex-Premier Matteo Renzi Druck. Die Regierung von Giuseppe Conte hängt am seidenen Faden seiner Partei „Italia Viva“. Während in Deutschland das Chaos losbricht, weil ein FDP-Ministerpräsident mit AfD-Stimmen gewählt wurde, denkt man in Italien laut über ein Bündnis zwischen Mitte-Links und vermeintlichen „Populisten“ nach. Matteo Renzi und Matteo Salvini: eine ungewöhnliche Liebe.

Realpolitik, dein Name sei Italien. Was man im Lande Machiavellis interessiert, aber nicht überrascht zur Kenntnis nimmt, würde vermutlich nördlich der Alpen für blankes Entsetzen sorgen: Ex-Premier Matteo Renzi hat nonchalant erklärt, dass er auch mit Lega-Chef Matteo Salvini zusammenarbeiten könnte. Hintergrund ist der Streit zwischen den Fraktionen der Linksregierung aus der basislinken Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), dem linken Partito Democratico (PD) und Renzis sozialliberaler Vereinigung „Italia Viva“ (IV). Wenn der PD dem „verrückten“ Vorhaben des M5S weiterhin folgen werde, dann – so Renzi – sei es Zeit „eine Vereinbarung mit Salvini zu treffen, um wählen zu gehen“. 

Die unverhohlene Drohung lautet also: Wenn die anderen Fraktionen nicht nach Renzis Pfeife tanzen, dann könnte er gemeinsam mit dem Beelzebub der italienischen Politik die Regierung zu Fall bringen. Zwar könnte die Linksregierung von Premierminister Giuseppe Conte in der Abgeordnetenkammer auch ohne Renzis „Lebendiges Italien“ weiterhin eine Mehrheit stellen. Anders sieht es allerdings in der zweiten Kammer des italienischen Parlaments aus. Die Regierung stellt im Senat 170 Abgeordnete, die Opposition 150. Renzis Truppe besteht aus 16 Mandatsträgern. Es reichen elf, um die gelb-rote Regierung ins Taumeln zu bringen.

Der langjährige Bürgermeister von Florenz hat damit das Heft des Handels in die Hand genommen – obwohl die Renzianer eine verhältnismäßig kleine Abspaltung des PD sind. Contes Regierung hat angekündigt, das umstrittene Justizgesetz durch das Parlament zu boxen, indem es dieses mit einer Vertrauensfrage verbindet. Renzi konterte prompt: Die IV würde ein Misstrauensvotum gegen den amtierenden Justizminister Alonso Bonafede (M5S) ins Spiel bringen. Im Gegensatz zum Bundestag können im italienischen Parlament Misstrauensanträge gegen einzelne Minister gestellt werden. Für ein solches Manöver wäre Renzi auf die Opposition angewiesen – und damit auf deren Anführer Salvini.

Der einstige „Rottamatore“ Renzi, der als „Verschrotter“ der Funktionäre angetreten war, und einst selbst von einem Bündnis aus M5S und Lega bei einem Referendum im Jahr 2016 verschrottet wurde, weist allerdings Spekulationen um eine mögliche Koalition zurück. Er habe im Spätsommer nicht Salvinis Pläne durchkreuzt, um sich nun mit diesem zu verbünden. Dass sein Ende als Premier maßgeblich auf Salvinis Kampagne zurückging, dürfte Renzi nicht vergessen haben. Der opportunistische Schachzug gilt vornehmlich dem eigenen Lager, um mehr Macht in der Regierung einzufordern. Das florentinische Säbelrasseln soll Conte und den M5S einschüchtern, um weitergehende Forderungen durchzusetzen. Sonst würde Renzi, der früher mal als EU-Liebling galt, direkt mit einem Ende der Regierung drohen.

Nur eine Atempause für die PD
Italien vor nächsten sechs Regionalwahlen
Dennoch hat die Idee eines Zusammengehens der „beiden Matteos“ bereits Spuren in den Medien hinterlassen. Die Fünf Sterne verglühen von einer Wahlniederlage zur nächsten. Der PD hat mit Nicola Zingaretti eine eher schwache Führungsfigur und gilt als ausgelaugt. Renzi hat noch viele Jahre des politischen lebens vor sich, sein Machthunger ist ungestillt. Seine Bewegung ist jung und klein, doch der Ex-Premier kennt einflussreiche Leute. Die ehemaligen Parteifreunde im PD fürchten, Renzi könnte auf lange Sicht den PD demontieren und die IV zum Sammelbecken frustrierter Wähler umformen. Die Bewegung hat nicht nur bei der linken Mitte, sondern auch bei den Liberalen und ehemaligen Berlusconi-Anhängern Wählerpotential. Renzi gilt in wirtschaftlichen Belangen als moderater Liberaler. Selbst italienische Wähler aus Reihen der Lega oder der Forza Italia gestehen immer wieder ein, dass Renzi zumindest in Wirtschaftsfragen ein akzeptabler Partner sein könnte.

Für Salvini wäre eine Kooperation mit dem ehemaligen Erzfeind ein zweischneidiges Schwert. Salvini wie Renzi stehen für eine Entschlackung des Staates, für Investitionen in die Infrastruktur wie den Schnellzug TAV, sowie für härtere Regeln in der Strafverfolgung. In der Migrationskrise hatte Renzi oftmals gegen die Parteilinie des PD eine stärkere Regulierung gefordert. Andererseits hat sich die IV eine Charta gegeben, die dezidiert für Globalismus und gegen Protektionismus, Populismus, Nationalismus und Souvranismus eintritt. Sie ist damit eine erklärte Anti-Salvini-Partei. Auch für Salvinis Wähler wäre ein Bündnis mit der etablierten politischen Kaste schwer zu verdauen und könnte den „Capitano“ schwächen.

Ein taktisches Zusammengehen Renzis und Salvinis scheint daher kurzfristig unwahrscheinlich. Eine „Liebesbeziehung” war allerdings auch die Koalition aus Lega und M5S nicht. Wie auch beim Koalitionsbruch im vergangenen Jahr gilt die alte Devise: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Renzis Taktieren hat für Unmut gesorgt. PD-Parteichef Zingaretti kommentierte das Geschehen äußerst unamüsiert: „Das ist ein unerträgliches Theater. Italia Viva ist den eigenen Worten nach entstanden, um den demokratischen Raum für die Moderaten gegen Salvini zu weiten. Heute ist sie dagegen Hauptursache für das Herzflimmern in der Koalition und tut Matteo Salvini einen Gefallen. Wir verstehen Italia Viva nicht, scheint, als machten die Opposition anstelle der Parteien von Mitte-Rechts.“ 

Es sind solche Aussagen wie die von Zingaretti, die schon manchen Verbündeten in das Lager des Feindes getrieben haben.

Marco Gallina schreibt auf www.marcogallina.de

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Kommentare ( 9 )

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schukow
4 Jahre her

Geht es nicht für alle in erster Linie darum, den rechten Zeitpunkt für Neuwahlen bestimmen zu können? M5S um PD haben baw. kein Interesse daran, Salvini kann warten, denn die Verschlechterung der allgemeinen Lage treibt ihm die Wähler entgegen. Renzi könnte also versucht sein, Lega+FdI in die Verantwortung zu manövrieren, bevor der Sturm losbricht. Doppelbödiges Spiel, also Politik vom Feinsten

Gambrinus
4 Jahre her

Ich glaube, Salvini hat gerade andere Sorgen, aber er würde sich eher die Hand abhacken als mit diesem anderen matteo einen Packt einzugehen. Dieser Renzi der gestern für die Aufhebung der Immunität zustimmte??

Farbauti
4 Jahre her

Ein Mißtrauensvotum gegen einzelne Minister könnte auch im Bundestag disziplinieren. Der Außenminister wäre der erste passende Kandidat dafür.

sunnyliese
4 Jahre her

Gelingt es den Globalisten in Italien Salvini noch vor den Wahlen wegen seiner Flüchtlingspolitik anzuklagen? Damit will man wohl seinen möglichen Wahlerfolg rechtzeitig versuchen zu verunmöglichen.

sunnyliese
4 Jahre her

Gelingt es den Globalisten in Italien Salvini noch vor den Wahlen wegen seine Flüchtlingspolitik anzuklagen? Damit will man wohl seinen möglichen Wahlerfolg rechtzeitig zu verunmöglichen.

Silverager
4 Jahre her

Salvini und Renzi ???
Sorry, um mir das vorzustellen, fehlt mir die Fantasie.

Johann Thiel
4 Jahre her

Tja, da kann der Autor den IV-Parmaschinken mit noch so vielen italienischen Kräutern servieren, für mich ist dieser wie sein Name schon sagt – politisch einfach nur noch Renzi, also ungenießbar, und das weiß ein Salvini auch.

StefanB
4 Jahre her

Die Italiener haben offenbar eine weniger fundamentale, dafür aber recht pragmatische Sichtweise, was Kooperationen zur Durchsetzung ihrer Interessen angeht.

Babylon
4 Jahre her

Tja, die Italiener verstehen etwas von Strategie und Taktik im politischen Geschäft , schließlich ist Italien das Land des großen politischen Realisten und Vordenkers Machiavelli.
Die tumben Teutonen nördlich der Alpen halten es lieber mit Gesinnungspolitik und „Haltung“. Einen Hauch von Leichtigkeit konnte man allerdings in Thüringen kürzlich verspüren als die AfD den FDP-Mann mit in den Sessel des MP verhalf.
Schreie des Entsetzens ob dieser italienischen Manier wurden allerdings sofort ausgestoßen mit dem bekanntlich erfolgten Erbeben ob dieser latinischen Variante in der Poli
tik.