Telegram-Gründer: „Leute müssen Namen derjenigen kennen, die versuchen, ihnen ihre Freiheiten zu rauben“

Telegram-Gründer Pavel Durov hat seine Kritik an der Chatkontrolle verschärft. In einer neuen Erklärung wirft er konkret Frankreich und der EU vor, mit ihren Plänen zur flächendeckenden Durchleuchtung privater Nachrichten die Freiheit der Bürger zu bedrohen und ihre Grundrechte abzuschaffen.

picture alliance / dpa | Hubert Boesl - Collage: TE

Telegram-Gründer Pavel Durov hat in seiner breit geteilten Kritik an den Plänen der Europäischen Union zur sogenannten Chatkontrolle nachgelegt. Auf der Plattform X veröffentlichte er am Dienstag eine Stellungnahme, die an alle Telegram-Nutzer in Frankreich versandt wurde. Darin warnt er vor einem „autoritären Gesetz“, das die Privatsphäre in Europa abschaffen würde.

„Heute hätte die Europäische Union beinahe Ihr Recht auf Privatsphäre verboten“, schreibt Durov. Das geplante Gesetz hätte Apps verpflichtet, „jede private Nachricht zu scannen“, eine Maßnahme, die seiner Ansicht nach jedes Smartphone in ein „Spionagewerkzeug“ verwandelt.

Durov geht diesmal über allgemeine Kritik hinaus und benennt ganz konkret politische Verantwortliche. Frankreich habe, so der Telegram-Gründer, „federführend“ auf die Verabschiedung des Gesetzes gedrängt. Sowohl der ehemalige als auch der amtierende Innenminister, Bruno Retailleau und Laurent Nuñez, hätten es aktiv unterstützt.

„Im vergangenen März erklärten sie, die Polizei dürfe private Nachrichten französischer Bürger einsehen“, so Durov. Auch politische Parteien hätten sich mitschuldig gemacht: Die Republikaner und Macrons Renaissance-Gruppe hätten für das Vorhaben gestimmt. Damit gehe es nicht mehr nur um Datenschutz, sondern um das Verhältnis zwischen Staat und Bürger.

Das Argument, mit solcher Massenüberwachung „Kriminalität zu bekämpfen“, weist Durov entschieden zurück. Die Überwachung richte sich in Wahrheit gegen die Bevölkerung selbst. Kriminelle würden sich ohnehin „über VPNs oder spezielle Websites“ schützen können – betroffen wären allein die gesetzestreuen Bürger.

In besonders scharfer Form prangert Durov die Doppelmoral der Politik an: Während normale Nutzer künftig überwacht würden, seien „Nachrichten von Behörden und Polizisten“ durch ein Sondergesetz ausdrücklich ausgenommen. „Nur Sie – normale Bürger – wären der Gefahr ausgesetzt, dass Ihre privaten Nachrichten und Fotos kompromittiert werden“, schreibt er.

Für Durov ist das kein isoliertes Vorhaben, sondern Symptom eines tiefergehenden Problems in Europa: der Erosion individueller Rechte im Namen angeblicher Sicherheit. „Heute haben wir die Privatsphäre verteidigt“, sagt er, und verweist auf Deutschlands plötzliche Kehrtwende, die das Gesetz vorerst gestoppt habe. Doch er warnt: „Die Freiheiten sind weiterhin bedroht.“

Dieser neue Appell steht in einer Linie mit Durovs früheren Aussagen zum freien Internet. Vor wenigen Tagen hatte er aufgezeigt, dass „unserer Generation die Zeit davonläuft, das kostenlose Internet zu retten, das unsere Väter für uns aufgebaut haben“. Die Idee des freien Informationsaustauschs, so Durov damals, sei „zu einem Überwachungsnetzwerk verkommen“.

Damals wie heute richtet sich seine Kritik gegen die politische Instrumentalisierung digitaler Technologien. Was einst der Freiheit diente, wird zunehmend zu einem Mittel staatlicher Kontrolle. Durov sieht in der Chatkontrolle nur den jüngsten Versuch, diese Entwicklung zu legitimieren – unter dem Deckmantel des Kinderschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung.

Der russischstämmige Unternehmer, der seit Jahren im Exil lebt, steht selbst unter Druck: Ermittlungsbehörden in Frankreich hatten jüngst ein Verfahren gegen ihn eröffnet, das er als politisch motiviert wertet. Seine neuerliche Offensive dürfte auch als nachvollziehbare Reaktion darauf zu verstehen sein und als Warnung an europäische Regierungen, Telegram nicht als manipulierbare Plattform zu betrachten.

Pavel Durov als Verteidiger digitaler Grundrechte und als Gegenpol zu den staatsnahen Strukturen vieler westlicher Tech-Konzerne. Seine Sprache ist klar, seine Zielrichtung ebenso: Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, sondern zu Widerstand gegen eine Politik, die er als gefährlichen Angriff auf die Freiheit sieht.

Der vorläufige Stopp des Gesetzes bedeutet für ihn keine Entwarnung. Denn hinter den Kulissen, so Durov, arbeiteten EU-Vertreter weiter an neuen Anläufen zur Chatkontrolle. „Während die französische Führung auf uneingeschränkten Zugriff auf private Nachrichten drängt, sind die Grundrechte der Franzosen – und aller Europäer – weiterhin in Gefahr“, schreibt er.

Sein Appell ist damit mehr als eine auf technische Möglichkeiten bezogene Warnung. Es ist eine politische Kampfansage an eine EU, die Sicherheit und Freiheit gegeneinander ausspielt.

Pavel Durov spricht das Offensichtliche aus: dass Europas Regierungen ihre Bürger nicht mehr schützen, sondern kontrollieren wollen. Was einst mit Datenschutz begann, endet in der totalen Durchleuchtung und wird von denselben Politikern betrieben, die sich sonst gern auf Grundrechte berufen.

Das Perfide an der Chatkontrolle ist ihr moralisches Mäntelchen. Niemand kann gegen Kinderschutz sein – und genau deshalb wird dieser Vorwand missbraucht, um Überwachungssysteme zu legitimieren, die kein Gericht, kein Mandat und keine Öffentlichkeit je absegnen würden. So entsteht schleichend das, was Durov beim Namen nennt: eine digitale Diktatur, erschaffen im Namen des vermeintlich Guten.

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Kommentare ( 28 )

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NeuRentner
1 Monat her

Das Internet war nie ein Mittel der Freiheit!!! Eher der Kommunikation…… Freiheit ist das was man machen kann ohne andere Personen zu verletzen oder ideologisch zu übernehmen…. um mal im Internet zu bleiben. 1. Menschen mit Mitteln der Psychologie bewusst beeinflussen (nachweislich zu lügen und das immer wieder zu wiederholen)bestes Beispiel ist Trump, oder bestimmte Mitglieder der AFD? 2. Leute zu bedrohen. 3. Kinder zu bedrängen. (Kinderpornographie)Etc. 4. Es gibt so viele illegale Dinge die im Internet passieren, möchte es wirklich irgendwer ohne Aufsicht und Gesetze zu leben. Wir haben die im richtigen Leben auch. Ich könnte da noch 100derte… Mehr

Edwin
1 Monat her

Im Grunde müsste irgendwann einmal der Bogen überspannt sein, so daß es dann wie 1989 gewaltig kracht. Wovor diese Damen und Herren ja auch wirklich Angst haben. Deshalb werden die Massnahmen ja auch scheibchenweise nach der Salamitaktik eingeführt. Einen Schritt wie jetzt zurück und danach zwei Schritte vor. So merkt der Bürger es nicht bis er im Knast sitzt. Dann ist es zu spät.

NeuRentner
1 Monat her
Antworten an  Edwin

Was hat den 1989 gekracht? Grübel.
Achja der Bürger im Knast? Oder eher der Terrorist oder Verbrecher?
Wo wir als Gesellschaft wirklich Angst vor haben sollten sind Nazis, Dorf unterdrücker im Osten unsere schönen Landes und den ewig gestrigen. Oder?

jopa
1 Monat her

Nichts neues oder alles kommt wieder: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Und die Pflasterer arbeiten Akkord…

NeuRentner
1 Monat her
Antworten an  jopa

Ich geh davon aus, sie meinen die Zustände vor und während dem 2. Weltkrieg. Die Nazizeit mit Schlägrtrupps und so?

jopa
1 Monat her
Antworten an  NeuRentner

Wie wärs mit Stalin oder Pol Pot oder Ulbricht oder Mao? Und in der Weimarer Repúblik der RotFrontkämpferBund?

Ombudsmann Wohlgemut
1 Monat her

Ermittlungsbehörden in Frankreich hatten jüngst ein Verfahren gegen ihn eröffnet, das er als politisch motiviert wertet.

Das ist aber nett formuliert.
Tatsächlich wurde er willkürlich in Untersuchungshaft gesteckt, nur weil er nicht bereit war, der Regierung unangenehme Meinungen zu zensieren.
Nach ein paar Wochen und 5 Millionen Euro Kaution durfte er Frankreich nicht verlassen und muss sich 2x pro Woche bei der Polizei melden.
Erst seit März darf er sich mit richterlicher Genehmigung für ein paar Wochen an bestimmten Orten außerhalb Frankreichs aufhalten.
Wenn das nicht politisch motiviert ist, dann weiß ich auch nicht…

maru
1 Monat her

Aufschlussreich ist aber, dass diesmal die Unternehmen, zumindest von Musk und Durov, hinter den Bürgern stehen und dem Freiheitsentzug die Stirn bieten.
Sie haben wohl auch kein Interesse und keine Lust, sich zum Werkzeug von Totalitaristen verbiegen zu lassen.Das ist ja auch das genaue Gegenteil von freiem Unternehmertum.

NeuRentner
1 Monat her
Antworten an  maru

Es geht natürlich um ihr Geld, was sonst?

ceterum censeo
1 Monat her

Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten, das Agieren der EU zu bewerten: entweder sind die EU-Vertreter so naiv zu glauben, daß Schwerverbrecher sich über Telegram et.al. absprechen (da könnten sie auch gleich unverschlüsselt im Festnetz herumtelefonieren). Von einmalig genutzten Prepaid-Karten und derartigem haben die EU-Spezialisten dann noch nichts mitbekommen, ODER es geht unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung um Kontrolle. Meine Vermutung? Dürfte klar sein…

NeuRentner
1 Monat her
Antworten an  ceterum censeo

Woher sind sie so sicher, das Verbrecher das nicht machen?
Bisher ist das verschlüsselt und nur am Gerät der beteiligten mit bestimmten Softwarelösungen mitzulesen.
Kontrolle ist einfach nötig. Ansonsten können eigentlich nur Personen die etwas zu verbergen haben, dagegen sein. Oder?
Im übrigen macht die USA schon seit den 60ziger Jahren in Deutschland und dr EU.. Nur unsere Regierungen nicht.
Was denkt ihr eigentlich was da in den riesigem Bereich in Bayern (Bad Aibling Station) und England und Frankreich mit zig Antennen so passiert. NSA läßt grüßen.
Und ist irgendwer dadurch ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis gekommen?

Sonny
1 Monat her

Verbrecher nutzen weder whatsapp noch telegram.
Insofern ist der Angriff auf die normalen Bürger klar erkenntlich.
Die EU ist ein Konstrukt, welches schlimmer kaum noch werden kann. Die fühlen sich dort als übergeordnete Machthaber, die die Welt lenken. Was für ein gnadenloser Schwachsinn und eingebildeter Größenwahn.

Albert Pflueger
1 Monat her

Er sagt es: Wer wirklich Böses tun will, weiß, wie er unentdeckt bleiben kann, weil er sich über sein Risiko völlig im Klaren ist. Es geht darum, Leute ausfindig zu machen, die in Opposition gegen die jeweils herrschende Politik stehen. Es ist Totalitarismus, der die eigene Macht breit sichern will. Es geht gegen uns.

Manfred_Hbg
1 Monat her

Zitat 1: „So entsteht schleichend das, was Durov beim Namen nennt: eine digitale Diktatur, erschaffen im Namen des vermeintlich Guten.“ > Richtig, nix anderes ist es und soll hier die in EU-Brüssel herrschenden Leyen’schen Pseudodemokraten geschaffen werden: „Eine digitale Diktatur“! Man stelle sich Folgendes nur mal bildlich vor: die Schaffung und Einrichtung, – der Digitalen Internetüberwachung – der öffentlichen digitalen Videoüberwachung – Umstellung auf Digitalgeld + nur geldlose Zahlungen – Digitalisierung persönl. Daten ab Geburt (z.Bsp bei Ausweis, Stromanschluß,, Konto, Vermögenswerte, PKW-Daten, Tel-/iNet-Anmeldung inkl. DATENVORRATSSPEICHERUNG, usw, usw) UND, und, und, und…….. -ganz bestimmt wird den in EU-Brüssel herrschenden Leyen’schen Pseudodemokraten… Mehr

H.Arno
1 Monat her

Eine Bande von EU-Diktatoren, die nur in „grenzenlosen Allmacht“ über das Volk –
ihre „perverse“ psychische Befriedigung finden!