Die neuen Kolonialherren kommen aus China

China nimmt in Afrika immer mehr wirtschaftlichen Einfluss. Der Westen muss sich etwas einfallen lassen, soll seine Botschaft von Freiheit und Rechtstaatlichkeit künftig nicht untergehen.

IMAGO / Joerg Boethling
Hawassa Industrial Park, chinese-built for the ethiopian government to attract foreign investors with low rent and tax free to establish a textile industry

Der Blick in die Geschichte Afrikas wirft zugleich ein Schlaglicht auf die Situation in der Gegenwart. Es drängt sich der Eindruck auf, als befinde sich der Kontinent erneut in einer Epoche der Okkupation. Diesmal ist es China, das schon seit längerem seine Hand austreckt, um die Schätze Afrikas an sich zu reißen. Die aktuell grassierende Covid 19-Pandemie hat den Einfluss Pekings in den 54 Ländern Afrikas nochmals intensiviert. Aber der Reihe nach.

Betrug der Handel Chinas mit Afrika im Jahr 2000 lediglich zehn Milliarden US-Dollar, so waren es 14 Jahre später bereits 220 Milliarden. Die Länder auf dem Kontinent mit den größten chinesischen Direktinvestitionen – Ägypten, Nigeria, Algerien und Südafrika – gelten wegen ihrer guten Infrastruktur und ihrer großen Rohstoffvorkommen als wirtschaftliche Zentren in Afrika. 2016 lagen chinesische Direktinvestitionen in Afrika erstmals über denen der USA. Spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends hat Peking mit seiner expansiven Handels- und Wirtschaftspolitik Afrika verstärkt im Fokus. Kaum eine Gegend zwischen Kairo und dem Kap, in der es nicht die Waren aus Fernost zu kaufen gibt. In vielen Haushalten sind es der Kochtopf, der Kugelschreiber, das Fahrrad und das Malariamedikament, die aus China kommen. Doch auch das Smartphone oder der LKW stammen aus dem Reich der Mitte.

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Afrika mit seiner wachsenden Bevölkerung sei als Absatzmarkt anhaltend interessant, sagt Ganesh Rasagam von der Weltbank. Die Kehrseite: Einheimische Produzenten werden vielfach verdrängt oder kommen erst gar nicht zum Zuge. Das interessiert viele jedoch nicht wirklich. Ruandas Präsident Paul Kagame soll es einmal so auf den Punkt gebracht haben: China liefere das, was Afrika brauche. Zugleich dient der Kontinent Peking zunehmend als Rohstoffquelle. Öl aus Angola oder Coltan aus dem Kongo zum Beispiel. Im Gegenzug baut das bevölkerungsreichste Land der Welt im Herzen Afrikas die Infrastruktur aus. Der Deal lautet Straßen gegen Rohstoffe, so der kenianische Ökonom Aly Khan Satchu im WDR. Rund eine Million Chinesen leben und arbeiten heute als Bauarbeiter, Händler oder Straßenbauingenieure in Afrika. Zugleich ist der Markt daheim schier unersättlich. Das gilt auch für Agrarprodukte. In Simbabwe etwa wurde der einst florierende, zum Ende der Ära Mugabe vielerorts heruntergewirtschaftete Tabaksektor mit chinesischen Investitionen wiederaufgebaut.

Landerwerb im großen Stil

„China kauft im größeren Stil Land in Simbabwe für die Produktion von Nahrungsmitteln, die nach China exportiert werden sollen, um die Versorgung dort zu sichern. So will sich Peking mehr Freiräume schaffen für die industrielle Produktion im eigenen Land. Die dient wiederum dem Export, unter anderem nach Simbabwe“, berichtet der simbabwische Jesuit und Publizist Oskar Wermter im Interviewbuch „Afrika – der Chancen-Kontinent“. Und er fügt hinzu: „Präsident Robert Mugabe hatte eine Botschaft, die er häufiger vortrug: We’ll never be colonized again, auf Deutsch: Wir werden nie mehr wieder kolonialisiert werden. Chinas Engagement in Simbabwe beweist heute das Gegenteil. So wie sich die Chinesen verhalten, fragt man sich, was sich eigentlich geändert hat seitdem die Engländer als Kolonialherren weg sind.“

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Deutliche Worte. China als neue Kolonialmacht in Afrika? Das sei, so Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg im Gespräch mit der Tagespost, eine von Angst geprägte Sicht, die in Europa „leider vorherrsche, aber von der eigenen kolonialen Vergangenheit ablenkt“. Sehr viele der jüngeren wichtigen Infrastrukturprojekte seien in Kooperation mit China errichtet worden.

Wachsende Dominanz Chinas

Dennoch gibt es manche Entwicklung, die auf eine immer weiter wachsende, unkontrollierbare Dominanz Chinas hindeutet. Manche wurzelt in der jüngeren Geschichte. So galt Peking in Afrika vielen als verlässlicher Partner im Kampf gegen den europäischen Kolonialismus. Vor allem im Süden des Kontinents gibt es diese traditionellen Bande. Legendär ist der Schienenstrang zwischen den sambischen Kupferfeldern und Tansanias Hauptstadt Daressalam, die TAZARA-Bahn. Gebaut in den 1970er Jahren von chinesischen Ingenieuren und Bauarbeitern. Die 1976 in Betrieb genommene Strecke sollte dem seit 1964 unabhängigen (sozialistischen) Sambia einen neuen Zugang zum Ozean ermöglichen, als Alternative zur Verbindung in das vom Apartheidssystem gesteuerte Südafrika, durch das ebenfalls von einem rechten Regime beherrschte Rhodesien.

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Aber schon damals war klar: Peking handelt nicht altruistisch, sondern auch aus starkem Eigeninteresse. Viele der engen Verbindungen bestehen bis heute. Auch zu Namibias langjähriger links-nationalistischer Regierungspartei SWAPO, Nachfolgerin der marxistischen Befreiungsbewegung Namibias. Viel spreche dafür, dass die SWAPO im Jahr 2018 nach Einflussnahme der Kommunistischen Partei Chinas, beschlossen hat, „ihre Verfassung zu ändern, um ihre Ideologie als Sozialismus mit namibischen Merkmalen zu bezeichnen“, berichtet die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Schnelle Geschäfte sind gefragt

Was unter seinen Vorgängern angelegt wurde, ist unter Chinas derzeitigem Staatschef Xi Jinping (seit 2013) nochmals forciert worden: Neben allen wirtschaftlichen Expansionsplänen geht es Peking immer stärker auch um den Export des chinesischen Systems als Erfolgsmodel. Die Geschichte hierzu ist schnell erzählt: Peking löste Moskau als autoritäre sozialistische Macht nach Ende des Ost-Westkonflikts und seinen Stellvertreterkriegen in Afrika ab.

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Chinas großes Plus aus afrikanischer Sicht: Es stellt bei seinen Investitionen in den (oft unter großer Korruption leidenden Ländern) keine unangenehmen Fragen, sondern will schnelle Geschäfte. Ein Pragmatismus, der vor Ort viele begeistert – die westlichen Partner Afrikas aber verstört. Das komme einer Kampfansage an traditionelle westliche Interessen, auch in Afrika, gleich, so Christoph Plate von der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Manche Fehlentwicklung hat der Westen allerdings selbst verschuldet: Während man sich in den afrikanischen Hauptstädten über die „shithole“-Äußerungen des früheren US-Präsidenten Trump ärgerte, bot China umfangreiche Kooperation auf Augenhöhe an. Die aktuelle Pandemie hat Pekings Bestrebungen, seine Ein-Parteien-Herrschaft als Erfolgsmodel darzustellen noch einmal forciert. Erfolge bei der Bekämpfung der Seuche in China werden in Afrika medial umfassend präsentiert, flankiert von Hilfslieferungen mit Impfstoff. Der Westen muss sich etwas einfallen lassen, soll seine Botschaft von Freiheit und Rechtstaatlichkeit künftig nicht untergehen. Was ihm entgegen kommt: Die Herzen hat China in Afrika allerdings noch längst nicht erobert.


Dieser Beitrag von Michael Gregory erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

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Kommentare ( 47 )

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Dr. Steffen Hein
2 Jahre her

„Die Herzen hat China in Afrika allerdings noch längst nicht erobert.“ Und bei solchen „Umgangsformen“ könnte es noch länger dabei bleiben… 
https://drive.google.com/file/d/1OjpWutuwSwMbjPJTLg3XHT4-suTu2K3R/

elly
2 Jahre her

im Gegensatz zu deutscher Entwicklungshilfe oder auch EU Entwicklungshilfe, baut China eine Infrastruktur und schafft damit Arbeitsplätze.
Deutschland schickt Geld , das dann auf den Konten der Despoten oder Konzerne landet. Die EU drückt ein Freihandelsabkommen durch, damit es afrikanische Märkte mit hochsubventionierten, billigsten Lebensmitteln aus der Überschussproduktion der EU Agrarindustrie überschwemmen kann, dadurch Existenzen vernichtet und dann Migranten als Flüchtlinge bezeichnet und hier aufnimmt.
Ganz ehrlich: was China macht ist mir einfach lieber, auch wenn sich China den Zugang zu Rochstoffen sichert.
Die Blödheit der Deutschen und der EU will das so haben.

RMPetersen
2 Jahre her

Die neuen Kolonialherren kommen aus China“

Finde ich ok. Dann wird hoffentlich China in einigen Jahrzehnten den Zorn aller Woken auf sich ziehen und sich intern zerfleischen, wie das jetzt bei uns „im Westen“ geschieht.
Und, wie schon bei der Kolonialisierung durch den Westen, werden in den afrikanischen Ländern einige Vorteile durch die „Ausbeuter“ hängen bleiben. Das Schlimmste, was man den afikansichen Ländern antun könnte, ist dort überhaupt nicht zu investieren und sie ihrem Schicksal bzw der absoluten Unabhängigkeit zu überlassen.

Imre
2 Jahre her

Theoretisch und gutmenschlich betrachtet mag das so sein, praktisch absolut nicht!
Informieren Sie sich…

Thomas
2 Jahre her

Dem Klima und der Vermehrungsfreudigkeit der Afrikaner ist es zu verdanken, das Afrika nicht den Weg des amerikanischen Kontinents genommen hat. Lediglich der Süden Afrikas kann von Weissen dauerhaft bewohnt und landwirtschaftlich bewirtschaftet werden. Insofern gingen die Auswanderungswellen und europäischen Bevölkerungsüberschüsse fast ausschliesslich nach Amerika.

IJ
2 Jahre her

Ich stehe als Europäer und Deutscher den Investitionen Chinas in Afrika im Prinzip eher positiv gegenüber. Es werden aktuell viele Arbeitsplätze und Einkommenquellen geschaffen, die den Migrationsdruck nach Europa mildern. Ich gehe auch davon aus, dass sich viele Investitionen der Chinesen – etwa im Bereich der Infrastruktur – lang noch nicht amortisiert haben. Ich glaube allerdings auch, dass das „dicke Ende“ für Chinas Investitionskampagne noch kommt und sie sich in vielen Ländern eine „blutige Nase“ holen werden. Denn eine ähnliche Investitions-Kampagne des Westens gab es auch vor ca. 60 Jahren, als junge afrikanische Staaten hoffnungsvoll in die Unabhängigkeit starteten. Die… Mehr

Last edited 2 Jahre her by IJ
Tee Al
2 Jahre her

Die Strategie ist schon beneidenswert, oder?

thinkSelf
2 Jahre her

Das nenne ich schlau. Die Intelligenten leben von den Dummen und die von der Arbeit. Und das die Intelligenten definitiv nicht in Europa hocken ist ja nun täglich und an jeder Ecke in seine Evidenz gar nicht zu übersehen.

Mausi
2 Jahre her

Handel China – Afrika: Und wie sehen die Zahlen für andere Länder aus? Und wessen Geld fliesst eigentlich bei der Bezahlung von Chinas Lieferungen von Gütern, die Afrika braucht? D Entwicklungshilfe? „So wie sich die Chinesen verhalten, fragt man sich, was sich eigentlich geändert hat seitdem die Engländer als Kolonialherren weg sind.“ Wieso die Chinesen? Ausgehend von dem afrikanischen Spruch „nie wieder Kolonisation zulassen“ stellt sich eher die Frage, wie Afrika sich verhält. Allerdings stellt sich für D mit zwei Diktaturen im Hintergrund die Frage nach dem eigenen innerdeutschen oder innereuropäischen Freiheitsverständnis. Insofern gibt es durchaus Parallelen. Die Stellung Chinas… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Mausi
Stefan Tanzer
2 Jahre her

Ich kann nur empfehlen, sich mit den tatsächlichen sprachlichen, kulturellen und mentalen Unterschieden zu befassen. Eigentlich in jedem afrikanischen Land, in dem ich war (mittlerweile 6), gibt es viele Konzepte gar nicht, die wir hierzulande so als selbstverständlich erachten. Das fängt schon an mit früh aufstehen: Viele Länder sind so heiß, dass die Leute da lieber erst spätnachmittags bis spät in die Nacht herein ihr eigentliches Leben führen. So eine ganz andere Geschichte? „Verlässlichkeit“. Und das hängt eng mit ganz anderen Faktoren zusammen: Man weiß mittlerweile, dass es in unterschiedlichen Kulturen einen unterschiedlichen Bezug zur Zeit gibt. So ist es… Mehr

Thomas
2 Jahre her
Antworten an  Stefan Tanzer

Aber, aber, alle Menschen sind doch gleich…

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Stefan Tanzer

Was Sie schreiben entspricht dem, was ein Verwandter, der ebenfalls lange in Afrika lebte, berichtet.
Wir müssen aufhören mit unserer Sozialisation auf Afrika zu schauen und dort unsere Vorstellungen eines guten Lebens verwirklichen zu wollen. Die kommen schon zurecht. Denn das kamen sie auch, bevor Araber, weiße oder gelbe Männer dort aufschlugen.

anita b.
2 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Das Problem ist nut, sie wollen alle hierher.

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  anita b.

Tja. Es war ein Fehler, den ersten nicht deutlichst zu sagen, dass das nicht möglich ist. Aber auch das hat man wissen können.