Marokko hat im Machtspiel um die Westsahara gewonnen

Deutschland und Spanien haben dem König indirekt grünes Licht gegeben für eine Autonomielösung, um die illegale Einwanderung zu stoppen. Erstaunlich ist die Rolle von Annalena Baerbock.

IMAGO / Pacific Press Agency
Sahrauis demonstrieren in Madrid gegen Marokkos Besetzung der Westsahara, März 2020

Ausgerechnet die grüne Außenministerin Annalena Baerbock hat bei Amtsantritt klar gemacht, dass die Westsahara unter marokkanischer Aufsicht kein rotes Tuch für sie ist. „Mich überrascht diese Entwicklung,“ gesteht der spanische Maghreb-Experte Ignacio Cembrero ein. Er hält sie für gefährlich, weil Marokko seinen Willen wieder einmal mit Gewalt durchgesetzt habe: „Über den Druck durch die Migrantenströme von Afrika nach Europa.“ Das Phosphat-reiche Territorium kommt auf eine Fläche von 266.000 Quadratkilometern und war von 1885 bis 1976 eine spanische Provinz, bis Marokko durch den sogenannten „Grünen Marsch“ militärisch in das Gebiet eindrang und es seitdem beansprucht. Erst kurz vor der zeitgleichen spanischen Kehrtwende in der Westsahara-Frage hatte es wieder einen Ansturm auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla gegeben. Die im Nordwesten Afrikas liegende Westsahara grenzt an das arme Mauretanien und auch mit einem nördlichen Zipfel an Algerien, den Erzfeind Marokkos.

Saber Chbani Idrissi, Chef der marokkanischen Investmentagentur AMDIE, macht im Interview klar, dass die Region Teil des Staatsgebietes ist und dort deutsche Unternehmen investieren können. Die UN sieht das anders und fordert ein Referendum für die dort lebenden rund 500.000 Menschen, genauso wie die „Frente Polisario“, eine militärische und politische Organisation, die angeheizt und militärisch unterstützt von Algerien und Russland die Selbstbestimmung fordert. Nachdem die USA und Israel vor zwei Jahren Marokkos Position in der Region bestärkten, folgten nun Spanien und Deutschland, wenn auch mit weniger offiziellen Erklärungen. Das hat die 10monatige diplomatische Stille zwischen Rabat und Berlin Anfang des Jahres gebrochen. Der Druck von der anderen Seite hatte keine Wirkung zeigte.

Spaniens Grenzverkehr mit dem afrikanischen Nachbarn normalisiert sich seitdem schlagartig. Der Fährbetrieb wurde wieder aufgenommen. Vor einem Jahr, im Mai 2021, hatten in wenigen Tagen noch rund 12.000 Afrikaner Ceuta und Melilla gestürmt. Zur gleichen Zeit wurde der Polisario-Chef Brahim Gali in einem spanischen Krankenhaus behandelt, was in Rabat als Affront empfunden wurde.

Spanien und Deutschland brauchen Marokko als Energielieferanten

Der neue Frieden zwischen Spanien, Deutschland und Marokko ist ein Kuhhandel, von dem Algerien schnell gelernt hat. Nach Angaben des spanischen Geheimdienstes CNI plant das Land nun auch eine Gruppe von 10.000 Afrikanern nach Europa zu schicken, um wie Marokko seine Macht in der Region mit der Waffe der illegalen Migration zu sichern. Für Andreas Wenzel, Chef der deutschen Außenhandelskammer in Casablanca, zeigt es, dass die Lage weiterhin sehr instabil ist, auch wenn er froh ist, dass es jetzt weiter geht mit den Investitionsprojekten in der Automobil- und Energiebranche. Marokko ist für Europa wichtiger als Algerien, weil der Nachbar bei allem Ärger über die neue Sachlage wohl kaum das Gas nach Europa abstellen werde, glaubt Arturo Gonzalo, CEO des Gasnetz-Dienstleisters Enagás in Madrid. Er sieht im Gespräch mit ausländischen Journalisten enorme Chancen für sein Land, energiepolitisch zwischen dem Maghreb und Europa zu vermitteln. Langfristig, da ist sich auch die konservative spanische Opposition einig, wird die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Beziehungen mit Marokko für Spanien nur positiv sein. Im konservativen Lager wird jedoch befürchtet, dass mit der Änderung der spanischen Position zur Westsahara langfristig auch die Zukunft der Exklaven auf marokkanischem Gebiet auf dem Spiel steht.

Ein gefährliches Spiel ohne Alternativen

Saber Chbani Idrissi kündigt derweil große deutsche und internationale Wirtschaftsinvestitionen in Marokko an, die auch von Kammer-Chef Wenzel bestätigt werden: „Marokko hat sich verpflichtet bis 2030 die Hälfte seines Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien zu decken.“ Bisher kommt das Land schon auf rund 40%. Saber Chbani Idrissi erzählt mit fast kindlichem Stolz, dass einer der größten Arbeitgeber Marokkos kein europäisches oder amerikanisches Unternehmen sei, sondern ein japanisches: „Es zeigt, wie divers wir aufgestellt sind, wie wichtig wir wirtschaftlich sind mit unseren Freihandelsabkommen mit der EU und mit den USA und wie stabil unsere Monarchie ist.“ Kenner der Region wie Cembrero haben dagegen Bauchschmerzen bei den aktuellen Entwicklungen: „Wir sollten wieder zur Neutralität in der Westsahara-Frage zurückkehren.“ Er wie auch Sicherheitsexperte Fernando Cocho haben die Gefahr der islamistischen Terroristen aus der Region nicht aus den Augen verloren: „Durch die Pandemie haben wir vergessen, wie viele Marokkaner und Algerier an Attentaten in Europa beteiligt waren.“

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Kommentare ( 13 )

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Ralf Poehling
1 Jahr her

Zitat:“„Mich überrascht diese Entwicklung,“ gesteht der spanische Maghreb-Experte Ignacio Cembrero ein. Er hält sie für gefährlich, weil Marokko seinen Willen wieder einmal mit Gewalt durchgesetzt habe: „Über den Druck durch die Migrantenströme von Afrika nach Europa.““ Richtig. Aber derartiges können wir ja auch. Die Kanonenbootdiplomatie hat ihre Vorteile. Man muss nur endlich auch mal nein sagen können und dann mit militärischer Gewalt gegenhalten. Zitat:“Er wie auch Sicherheitsexperte Fernando Cocho haben die Gefahr der islamistischen Terroristen aus der Region nicht aus den Augen verloren: „Durch die Pandemie haben wir vergessen, wie viele Marokkaner und Algerier an Attentaten in Europa beteiligt waren.““… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Ralf Poehling
GP
1 Jahr her

Was der Autor nicht erwähnt, vielleicht am Rande, es geht sich um viel, sehr viel…

„Lebewesen können sich vermehren, bis der Phosphor vollständig verbraucht ist. Unerbittlich kommt dann das Ende, und niemand kann es verhindern.“ Deshalb sei der Stoff der „Flaschenhals des Lebens“.

Und in der West-Sahara liegen nun einmal grosse Reserven von diesem lebenswichtigen Stoff. Es gäbe doch keine Konflikte um diese Region wenn es da nichts zu holen gäbe – ach ja, die Asiaten sind schon da und wir lassen uns durch „Migranten“ erpressen. Europa wird im „Flaschenhals des Lebens“ verenden….

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Spanien und Deutschland brauchen Marokko als Energielieferanten“

> Jo, so sieht sie aus, die bearbock-habeck’sche grünpolitsche Vernunft und Logik: man löst sich von der einen unzuverlässigen Diktatur um dann zu einer noch unzuverlässigeren Diktatur zu wechseln um sich dann von dieser abhängig und erpressbar zu machen.

Was die Grenze zu Marokko betrifft, vielleicht sollte Spanien mal bei den USA anfragen und um ein paar Lehrstunden für den Bau von Grenzzäune bitten.

Teiresias
1 Jahr her

Die völkerrechtswidrige Annexion der Westsahara durch Marokko wird also akzeptiert, während man die völkerrechtswidrige Annexion von Krim und Donbass völlig inakzeptabel findet.

Realistisch gesehen sind alle drei Fälle Sezessionskriege, den Selbstbestimmungsinteressen der betroffenen Wohnbevölkerungen folgend.

Im Falle Marokkos drückt man jetzt also ein Auge zu, weil man Marokko für Energielieferungen braucht? Echt jetzt? Und russische Energie brauchen wir nicht?

Kann es sein, daß da mit unterschiedichem Maß gemessen wird?

Last edited 1 Jahr her by Teiresias
Paul Brusselmans
1 Jahr her

Es ist ein ungleiches Spiel, selbsternannte Gutmenschen hier, Strategen dort. Marokko ist, wie der Rest Afrikas auch, eine demographische Zeitbombe. Eine effiziente Polizei, die Vorstadtkriminelle dazu drängt, das Land in Richtung Europa zu verlassen bis hin zur Domplatte und ein guter Auslandsgeheimdienst, der schon manches von Marrokanern geplante Attentat in Europa verhindert hat. Allerdings hat Marokko durchaus Schwachstellen : die unterdrückten Berber, die Feindschaft mit Algerien. Devisenabhängigkeit, eine schwache Industrie, Landwirtschaftsexporte, Islamisten trotz entprechender Massnahmen. So wurde ein Mitarbeiter der EU-Vertretung samt Frau ermordet und vor einiger Zeit auch zwei Touristinnen. Marrokko hat auch einen Riesentrumpf : Phosphate in der Spanischen Sahara.… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Paul Brusselmans
wachschaf
1 Jahr her
Antworten an  Paul Brusselmans

Aber wer wird dann in Zukunft die Nordseekrabben pulen für Syltbesucher ?

humerd
1 Jahr her

„Ausgerechnet die grüne Außenministerin Annalena Baerbock hat bei Amtsantritt“
Wieviel Porzelan die Frau bei Amtsantritt zerschlagen hat, zeigt erst die Zukunft. Wie schädlich sie für den Frieden ist, kann man heute schon sehen, wenn man will.

elly
1 Jahr her

Marokko hat von Erdogan gelernt und Algerien von Marokko. „Erfinder“ des sogenannten Türkei Deals ist Gerald Knaus,  österreichischer Soziologe und Migrationsforscher. Er ist Mitgründer und Vorsitzender der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI). „1999 wurde Knaus Mitbegründer der European Stability Initiative, einer liberalen Denkfabrik in Sarajevo, die für Migrationskonzepte bekannt ist.[4] Er unterrichtete Wirtschaftslehre an der Staatlichen Universität von Czernowitz in der Ukraine und arbeitete fünf Jahre lang für verschiedene NGOs und internationale Organisationen in Bosnien.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Gerald_Knaus
Und zur ESI:
“ Zu den Förderern gehören die schwedische Entwicklungsbehörde Sida, die Stiftung Mercator, die Open Society Foundations[3] von George Soros und die ERSTE Stiftung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Stabilit%C3%A4tsinitiative
 

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Es geht um einen geordneten Rückzug der Europäer. Weder können wir die Westsahara militärisch halten noch kann Spanien die Exklaven halten.

Rückzug, Grenzschutz im Mittelmeer, Aufrüstung, Energieautarkiebestrebungen, usw sind angesagt. Die Polisario muss sich um sich selbst kümmern oder untergehen; wir sind nicht mehr Kolonialmacht auf dem afrikanischen Kontinent und hätten es nie versuchen sollen.

Handel mit Marokko und Algerien ja, aber Vorsicht und Skepsis.

Ist das feige? Vielleicht. Aber die Kräfte für Interventionismus sind erschöpft.

Thorsten
1 Jahr her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Die erste Frage ist doch wofür gekämpft werden soll. Solange dies nicht klar ist, ist jeglicher Kampf voreilig und dumm.

Exilant99
1 Jahr her

Normal. Deutschland und die EU sind erpressbar wie immer. Weiß mittlerweile die ganze Welt und so werden wir auch behandelt. Entweder Migration als Waffe oder Energiezufuhr abdrehen. Beides kann man ändern, entspricht aber nicht der links-grünen Ideologie der EU, also lassen wir es eben so.

Auswanderer
1 Jahr her

Warum sollte Marokko da nicht Chef im Ring sein? Noch so ein Staat, der zu nix faehig ist braucht kein Mensch! Und die Migration ist kein Problem, welches Marokko oder auch Algerien verursachen, die Verursacher sind vor allem deutsche Aktivisten und deren Politclowns, die sogar in der Regierung sitzen!