Macron versiebt es zum siebten Mal. Und nun?

Nach 27 Tagen hat Macron auch seinen siebten Premier verschlissen. Die Mitte-rechts-Republikaner stehen als Königsmörder da und fordern einen „Bruch“, den sie längst haben könnten. Die Finanzprobleme des Landes sind da schon wieder fast vergessen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Stephane Mahe

Beinahe ein Totgeborener der Republik, so fasst der Figaro den Rücktritt des eben erst ernannten Premierministers Sébastien Lecornu zusammen. Das war keine lange Amtszeit. 27 Tage dauerte sie und kam nicht einmal über die erste Hürde hinweg, die mit Spannung erwartete Benennung des neuen Kabinetts. Das gerade vorgestellte Kabinett „implodiert unter freiem Himmel, ohne dass eine Amtsübergabe stattgefunden hätte“, so der Figaro. Der Rücktritt Lecornus hat Frankreich erneut ins Chaos geworfen, eigentlich ins absolute Chaos, aber was macht das noch für einen Unterschied.

Es war der Name Bruno Le Maire, ein ehemaliger Republikaner, aber 2017 zur Macron-Partei LREM (heute Renaissance) übergelaufen, der das Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben soll. Aus der Parteizentrale der Republikaner hieß es, Parteichef Retailleau sei „sauer“: „Wir können nichts ausschließen.“ Auch nicht den Austritt aus dem Kabinett, das ohnehin über keine Mehrheit verfügt. Aber durch den Innenminister Retailleau kann man zumindest so tun, als habe man einen Rechtsschwenk vollführt. Und das ist offenbar wichtig.

Warum der Name Le Maire einen solchen allergischen Schock bei Retailleau auslöste, darüber kann man nur spekulieren. Die Republikaner hatten Le Maire 2017 aus ihren Reihen suspendiert, weil er in ein Kabinett unter Macron eintreten wollte. Bis 2024 war Le Maire dann Finanzminister in verschiedenen Kabinetten und insofern auch mit verantwortlich für den fortschreitenden Niedergang der Staatsfinanzen unter Macron, den die aktuelle Krise schon fast wieder vergessen macht. Denn ohne Regierung scheint alles nichts im Heimatland des Etatismus. Nun wurde Le Maire zum Verteidigungsminister. Auch das ist in diesen Zeiten ein Amt von Bedeutung, das den Neid der Republikaner erregt haben könnte.

Republikaner fordern den Bruch, den sie verhindern

Zuvor hatte der neue und bald schon alte Premierminister angekündigt, dass er seinen Haushalt ohne Dekrete durchbringen wolle, ohne den berühmten Artikel 49.3 der Verfassung, der der Regierung des Präsidenten das Durchregieren am Parlament vorbei ermöglicht. Das war immerhin löblich, obwohl es unrealistisch wirkte. Zu zerfahren ist diese Nationalversammlung.

Bruno Retailleau beklagt nun einen „Mangel an Vertrauen“, weil Lecornu ihm die Benennung Le Maires verheimlicht habe. Außerdem fordern die Republikaner bei dieser Gelegenheit erneut einen „Bruch“ ein, den die letzten Wahlergebnisse verlangt hätten, den aber eine nach links rückende Regierung nicht bringen kann. „Es gibt einen Bruch, oder es gibt keinen Bruch“, sagte Retailleau am Montagmittag erneut im Fernsehsender TF1. „Man kann sich nicht mehr engagieren, wenn es keinen klaren Kurs gibt. Aber es kommt nicht in Frage, eine Regierung und einen Premierminister der Linken zu unterstützen.“

Das ist durchaus etwas doppelzüngig, denn auch Retailleaus Fraktion gehört zu dem Parteienkartell, das den Aufstieg des Rassemblement National (RN) behindert hat, wo es nur geht. Der Aufstieg des Rassemblement ist aber gerade das Signal zum „Bruch“. Retailleau will einen Pseudo-Bruch durchführen und hofft so, die Wählerstimmen des RN auf sich selbst umzulenken, vielleicht sogar für eine Kandidatur zur Präsidentschaft nach Macrons Abgang. Diese Erwägung dürfte die Hauptrolle bei den ungelenken Bewegungen des Republikaner-Chefs spielen.

Le Pen will vor allem Neuwahlen

Die rechte Opposition hält sich mit Kritik am Zurückgetretenen zurück. „Ich möchte Herrn Lecornu nicht belasten“, sagt etwa Jordan Bardella, Parteichef des Rassemblement National. Der „ephemere Premierminister“ habe zweifellos keinen Handlungsspielraum gehabt, und am Ende falle das Scheitern auch dieser Regierung auf Emmanuel Macron zurück, der das Kabinett zusammengestellt habe.

Marine Le Pen meint: „Ich werde Emmanuel Macron nicht zum Rücktritt auffordern, aber wenn er sich dazu entschließt, wäre das klug. Sicher ist aber: Die Auflösung der Nationalversammlung ist absolut unumgänglich.“ Denn ohne sie werde es nie eine Lösung der komplizierten Lage geben. Das RN will Neuwahlen, das ist seit langem die Parole von Le Pen und Co.

Auch Marion Maréchal, unabhängige Abgeordnete im EU-Parlament, forderte Neuwahlen und danach eine „Koalition der Rechten“. Die liegt sicher noch ferne, auch wenn nun vor allem die Mitte-rechts-Republikaner empfindlich reagierten und das Kabinett zum Einsturz brachten. Derzeit zeigt sich das französische Parteiensystem so gespalten wie eh und je. So forderte die Grüne Marine Tondelier gebetsmühlenartig die Benennung eines linken Premiers, weil die vereinte Linksfront (Grüne, Sozialisten und Linksradikale) die größte Fraktion im Parlament bildeten. Doch das hat immer noch keine Aussichten auf Erfolg.

Radikale Linke will Macron absetzen

Jean-Luc Mélenchon nannte Macron den „Ursprung des Chaos“, seit er die letzten Neuwahlen ausgerufen hatte. Mélenchon und seine Partei, La France insoumise (LFI), fordern den Rücktritt oder wahlweise die Absetzung Macrons. In der Tat glauben auch andere aus der politischen Szene, dass die Wähler einen solchen Schritt begrüßen würden. Die Forderung geht quer über das politische Spektrum.

Tatsächlich gibt es ein Verfahren zur Absetzung des Präsidenten, das 104 Abgeordnete (vor allem aus der radikalen Linken) schon vor einiger Zeit vorgelegt haben und das Mélenchon nun vorantreiben will. Im Fall, dass man dem Staatspräsidenten gewisse „Pflichtverletzungen“ vorwerfen kann, die mit der Ausübung seines Mandats „offensichtlich unvereinbar sind“, kann sich die Nationalversammlung zum „Hohen Gerichtshof“ erklären. Wenn dann noch der Senat als zweite Kammer zustimmt, könnte die Absetzung mit Zweidrittelmehrheit im Parlament und im Parlamentsbüro beschlossen werden. Das ist vermutlich utopisch, aber allein ein solches Verfahren würde Druck auf Macron ausüben. Und sicher wäre es belebend für die Franzosen zu sehen, dass auch ihre Staatschefs nicht unberührbar sind.

Am Montagmittag hatte sich Macron noch nicht erklärt, wie es denn nun weitergehen soll nach dem Lecornu-Rücktritt. Das Ende seiner Präsidentschaft bleibt offen. Aber es wird irgendwann kommen müssen.

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Kommentare ( 21 )

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Karl Renschu
1 Monat her

Man könnte Elsass‐Lothringen anbieten, durch Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes noch ein paar Runden im Schuldenkarussel zu drehen…

CasusKnaxus
1 Monat her

Tja quelle connerie! Man kann allen Macron-Statthaltern nur zurufen: ta gueule! Casse-toi! Und tschüß! Dort der Napoleon-Komiker, hier Pinocchio…die einstige Achse Berlin-Paris verkommt zum Irrenhaus…

Nibelung
1 Monat her

War ihm die Schlangengrube völlig unbekannt oder hat er nicht das Nervengerüst um sich dieser Aufgabe anzunehmen und wer nun als Bürger solche Kehrtwendungen sehen muß, kann sich sicher sein, daß er der Falsche war, denn bei allem Tun kann man vorherige Überlegungen erwarten und sein Vorgänger hat ja nicht umsonst den Hut genommen und außerdem ist es auch eine Frage der inneren Einstellung und des guten Geschmacks um unter dem großen Zambalo zu dienen, wozu man besonders devot sein muß, um das alles in dieser Position ertragen zu können. Die Tage der Grande Nation sind ehedem gezählt, einschließlich der… Mehr

LF
1 Monat her

Es fällt immer wieder auf das die Deutschen am liebsten mit Ihrem Finger auf andere zeigen, statt vor der eigenen Haustür zu fegen. Schaut einmal wie viel Dreck auf eurer Matte liegt, und wem Ihr euer Wahlkreuz gebt? Deutschland geht exakt den gleichen Weg wie Frankreich. Ca. 27 % für die CDU und ca. 15 % für die SPD sagen deutlich, wer gerne mit dem Finger auf andere zeigt. Nicht wahr? 

Sonny
1 Monat her

Zwei der höchstverschuldeten Länder Europas taumeln durch die Zeit.
So ist das eben, wenn bornierte Oberlehrerhaftigkeit dazu führt, dass Menschen, die wirklich etwas „auf dem Kasten haben“, konsequent aus allem ausgeschlossen werden.
Es wird alles noch sehr viel schlimmer werden.
macron ist politisch längst tot. Er will es nur noch nicht akzeptieren.

Last edited 1 Monat her by Sonny
Wilhelm Roepke
1 Monat her

Hier müssen einfach die Gläubiger die Regie übernehmen. Wenn alle Kapitalsammelstellen französische Staatsanleihen boykottieren, ist der Unfug in 90 Tagen beendet, denn Deutschland ist zu klein, um Frankreich zu retten und dann gibt es halt eine sechste Republik.

Berlindiesel
1 Monat her

Auch in Frankreich gibt es links des RN, also bei etwa 60 Prozent der Wähler, den Konsens von konservativ-republikanisch bis extrem links, dass das Land niemals „rechts“ regiert werden darf. Uns seien wir ehrlich: Die islamisch dominierten multikulturellen Gesellschaften des Westens MÜSSEN linksliberal regiert werden. Nur so, mit einer Mischung aus Minderheiten- und Zuwandererbevorzugung kombiniert mit Ausplünderung der mittleren und kleinen Unternehmer können sie existieren, ohne im Bürgerkrieg zu versinken. Denn der träte sofort ein, wenn die Authochthonen begännen, zurückzukämpfen. Darum ist Macron in Frankreich und Merz bei uns das „rechteste“, was zulässig ist. Und die oben angesprochenen 60 Prozent… Mehr

chez Fonfon
1 Monat her
Antworten an  Berlindiesel

Um einen Bürgerkrieg vorerst zu vermeiden, müssen die Sozialisten die Geldverschwendung zugunsten eines völlig unproduktiven, größtenteils migrantischen Anteils der Bevölkerung aufrecht erhalten. Die Einwanderungsbefürworter wollen genau diesen Zustand: das Land mit Migranten fluten, bis es finanziell und geistig kaputt ist. In Deutschland aus Selbsthass, in Frankreich aus kommunistischer Ideologie gepaart mit Kolonialscham. Kurzum: so lange man einen immer größer werdenden unproduktiven , aber fordernden Bevölkerungsanteil mitschleppen muss, wird man aus der Geldverschwendung und der Ausplünderung der noch arbeitenden Deppen (darunter natürlich auch fleißige Migranten) nicht herausfinden.

BugsBunny
1 Monat her

Das total bankrotte Frankreich und Deutschland und die ganze Pleite EU haben sowas von fertig….Flasche total leer….aber über einen Krieg mit Russland schwadronieren…3 Sarmat RS 28 und die EU und GB (SB…Small Britain wäre passender) sind eingedampft und Geschichte….

Elmar
1 Monat her

Die Begründung für den Rücktritt, es gibt keine Voraussetzungen um zu regieren, ist wirklich bemerkenswert. Man kann sie auch als „nach mir die Sintflut“ interpretieren.

Ernst K.
1 Monat her

Der EU-Motor läuft schon lange nur noch auf zwei Zylindern. Ein Kolbenfresser, und der Motor schafft es nicht mehr.
Im Gegenzug erkennen immer mehr Staaten, daß die EU reformiert werden muß. Eigentlich gute Aussichten, aber Prognosen verkneife ich mir.

CasusKnaxus
1 Monat her
Antworten an  Ernst K.

Zwei Zylinder? Eher weniger als eine Pferdestärke. Geisterfahrer. Kolbenfresser. Rohrkrepierer!

Radikaler Demokrat
1 Monat her
Antworten an  Ernst K.

Reformiert? Abgeschafft! Hat sich nicht bewährt, kostet nur Geld und ist im Prinzip eine EUdSSR; die braucht aber exakt NIEMAND.