Melonis Regierung ist im politischen Alltag einer Koalitionsregierung angekommen. Haushaltschaos, Rentenproblematik und gegensätzliche Ansichten zur Ukraine. Salvini mit leichtem Oberwasser. Italiens Mitte-Rechts ist stabil, aber in der italienischen politischen Wirklichkeit angekommen.
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Es wäre ja auch fast zu schön gewesen, würde es nicht auch kritische Stimmen gegen die Meloni-Regierung geben. Zu einträchtig, fast zu märchenhaft, stünde die Mitterechts-Koalition in Italien da, trotz aller (Ver-)Änderungen, nach über 1.000 Tagen mit dem ersten weiblichen Premier, Giorgia Meloni. Und, klar, es wäre auch nicht Bella Italia, würde es keine Streiks bei den Öffentlichbediensteten und Busfahrern geben, oder ultramilitante Demos gegen den rechtskonservativen Staat. In Deutschland selbst schreiben und benennen immer noch viele Leitmedien Melonis Partei, die Brüder Italiens (FdI), als postfaschistisch.
Da trifft es sich ganz gut, dass der italienische Zeitungsmarkt noch breitgefächert ist, von links bis rechts, mit nur ein bisschen Mitte. Das linksliberale, sich selbst als, zentristisch verortende Blatt, nämlich die Tageszeitung La Stampa, versucht seit Wochen subtil Stimmung gegen Meloni und ihre Koalition zu machen, unter dem Deckmantel der sachlich-fairen Berichterstattung.
La Stampa sieht bei Königin Giorgia I. bereits das ‚Ende der Monarchie‘ kommen.
Dann, noch etwas melodramatischer, ja, eher tragikkomisch, „Meloni, umringt von Vasallen – und plötzlich ist niemand mehr still“
Das riecht irgendwie nach Ärger im Regierungssitz, Palazzo Chigi. Und der liegt zentral in Rom.
Was hier momentan geschehe, impliziert La Stampa, habe man selbst in den chaotischsten Phasen der Zweiten Republik selten gesehen: nicht beim sterbenden ‚Pentapartito‘, nicht beim gelb-grünen Jahrmarkt der Eitelkeiten. Die Haushaltsmanöver, wie in fast allen großen europäischen und brach liegenden Industrienationen (fügen wir hinzu), werden wohl erst mit Silvesterknallern beschlossen – passend zu den politischen Feuerwerken der letzten Tage. Allerdings nicht nur mit Platzpatronen.
Der Finanzminister will sich profilieren
Giancarlo Giorgetti, Finanzminister wider Willen und inzwischen politisch angezählt, wurde von der eigenen Partei (Lega) öffentlich desavouiert und zu einem peinlichen Rückwärtsgang gezwungen. Neue Maßnahmen, alte Verwirrung. In der Lega gilt längst: Der wahre Wirtschaftsminister heißt Claudio Borghi. Man muss wissen, in Italien wirkt der Wirtschaftsminister als viel wichtiger, wie zum Beispiel in Deutschland. Borghis Mission? Ein Rentendesaster zu verhindern. Und das sind schlechte Nachrichten. Es bedeutet verlängerte Arbeitszeiten bei nicht steigenden Renten. Das Ergebnis? Was als Reform verkauft wurde, endet in einer Mini-Steueramnestie, dem Verschwinden der Flat-Tax – einst von Matteo Salvini gefordert – und einem Haushalt, der schon vor der Verabschiedung als Totalschaden gilt. So zumindest beschreibt es Redakteur De Angelis.
Waffen ja, Soldaten Nein
Auf einem anderen Schlachtfeld, dem sogenannten „Waffendekret“ – also der Ermächtigung, die Ukraine ohne Parlamentsbeschluss weiter zu unterstützen –, wird bis zur letzten Minute taktiert. Entscheidung erst im Ministerrat am 29. Dezember. Sogar die Wortwahl wurde vorsorglich entschärft: „Waffen“ sagt keiner mehr. Sprachakrobatik als Beruhigungsmittel, so die linkskritischen Journalisten. Spätestens nach dem Miami-Gipfel wird man feststellen: Putins Absichten sind weiterhin alles andere als friedlich. Also wird man, in diesem Falle, Giorgia Meloni, mit einer juristischer Nebelkerze, weitermachen wie bisher.
Das alles ist mehr als Tagespolitik. Es ist ein politischer Flaschenhals. Zwei große Dossiers, beide ungelöst. Und sie erzählen zwei Geschichten. Als die wären?
Erstens: Giorgia Meloni wirkt außenpolitisch stärker als innenpolitisch. Was tatsächlich so gesehn werden kann – Paradox für eine Regierung, die sich souveränistisch nennt. In Brüssel agiere sie geschickt, nutzt Risse im europäischen Gefüge, spielt den ‚Orbán‘ gegen den Mainstream – und segnet faktisch den Tabubruch ab: gemeinsame europäische Schulden zur Unterstützung Kiews. Europäischer war diese Regierung selten. Klar, tut ihr und den Italienern auf langer Sicht wohl weniger weh.
Zweitens – und viel entscheidender: Die „Monarchie“ ist vorbei. Aber, un momento per favore, das war doch ein bekannter Ausspruch von Marco Follini, einem Salon-Intellektuellen, ehemaligen Christdemokraten, sowie Vize-Premier unter Silvio Berlusconiund. Follini prägte den Begriff einst für Berlusconi: „der Herrscher, umgeben von Vasallen.“
Heute erlebe man den Übergang, von der „Königin mit Gefolge“ zu einer klassischen Koalition: widerspenstige Partner, Notgipfel, Klärungsbedarf, Rückzieher. Es fehlen nur noch die Schlagworte „Phase zwei“, „Regieraum“ und „Neustart“ – dann wäre das politische Phrasen-Bingo vollständig. Immerhin, bisher hat die Meloni ihre Regierungskoalition noch im Griff. Debatten, so Salvini, Tajani und Meloni unisono, gehören zur gesunden Koalitionskultur dazu. Die gesammelte, sich moderat gebende, Linke, oftmals von Giuseppe Conte, und Ex-Premier Matteo Renzi, angeführt, beißt sich an Meloni noch die Zähne aus, und schnauft dann erschöpft und larmoyant auf.
Fremdeln mit Tajani, feiern mit Salvini
Außenminister und Forza Italia-Chef, Antonio Tajani, 72, steht unter Dauerbeschuss. Nicht von der Opposition, sondern aus dem eigenen Lager. Die „Real Casa“ Berlusconi sucht offenbar schon nach einem Erben mit passendem Nachnamen. In dieser Atmosphäre wundert es nicht, dass die Parlamentsfraktionen machen, was sie wollen, unkt das linksliberale Medium.
Doch einer ist, das spüre man wirklich, wieder zurück auf der Bühne – nun gut, er war ja nie wirklich weg – Matteo Salvini. Spürbar, hörbar, sichtbar. Die endgültige Freisprechung im Open-Arms-Verfahren wirkt wie Adrenalin. Und dann sind da ja noch Trump. Und Putin. Zwischen den geopolitischen Wellen findet Salvini plötzlich wieder seine alte Lieblingsströmung. La Stampa, kann ihre Ironie kaum verbergen. Aber sie liegen ja richtig, warum es mit den Supermächten plump verscherzen?
Salvinis Euphorie hat zwei Gründe. International fühlt er sich bestätigt. Und innenpolitisch besitzt er wieder ein Asset: juristisch sauber, politisch kampfbereit. Sein Ziel formulierte er offen: „Wenn die Italiener uns 2027 wieder wählen, könnte ich ins Innenministerium zurückkehren.“ Genau dahin zieht es ihn. Viminale statt Provinz.
Dass Salvini trotz Abschiebung ins vermeintlich zweitklassige Infrastrukturministerium so präsent bleibt, zeigt zweierlei: Er hat sich dort eingelebt, Akten gewälzt, Bauprojekte vorangetrieben, Erfolge reklamiert. Und er hat bewiesen, dass er auch ohne Blaulicht Aufmerksamkeit erzeugen kann. Meloni weiß das. Salvini ist der Mann fürs Grobe. Für Ordnung, für Konflikt, für klare Kante.
Und ja: Selbst der Gedanke, Salvini könne eines Tages Premier werden, ist weniger utopisch, als viele glauben. Die formalen Hindernisse sind gefallen. Die politischen Vorbehalte schmelzen. In einer Welt nach Trump, mit Trump oder wegen Trump. Und, neben den linksliberalen Blättern, kritisierte jüngst auch ein konservativer Blattmacher und Direktor, Vittorio Feltri, Premierminister Giorgia Meloni ungewohnt subtil, erst mit einem Lob, „sie ist taktisch klug“, dafür aber liege sie „strategisch oft falsch…“
Willkommen also in der Republik des Mitte-rechts. Keine Monarchie mehr. Sondern eine Koalition im Dauerdiskurs. Laut, widersprüchlich, unruhig. Und genau deshalb brandgefährlich – oder politisch höchst lebendig – und beliebt.

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Mitte-rechts….kann nicht funktionieren genau nicht wie mitte-links. Das wird auch für die AfD zum problem wenn sie sich auf die CDU/CSU einlässt…..1000 tage regiert und nix ist passiert!
Naja, Ihr und Macron ist es auf jedenfall gelungen, den tumben Merz voll über den Tisch zu ziehen und für Eurobonds zu gewinnen und das für Deutschland auch noch als Erfolg zu verkaufen. Damit trägt Deutschland den fettesten Anteil am 90-Milliarden-Nevercomeback-Kredit (…und alle weiteren…) für die korrupte Ukraine.