Harte Polizeiaktion in Kanada: Trucker-Protest wird gewaltsam aufgelöst

Die Polizei-Gewalt gegen den Protest von Truckern und anderen Bürgern empört die kanadische Graswurzelbewegung. Der letzte freie Sprecher der Trucker schlägt einen Abzug vor. Dass die Behörden ihn erlauben werden, scheint zweifelhaft.

IMAGO / ZUMA Press
Polizei-Einsatz gegen protestierende LKW-Fahrer in Kanadas Hauptstadt Ottawa am 19. Februar 2022

Der friedliche Protest der Trucker in Ottawa ist von der Staatsgewalt offenbar zum großen Teil aufgelöst worden. Insgesamt seien 170 Menschen festgenommen und 53 Fahrzeuge abgeschleppt worden, teilte die Polizei am Samstagabend (Ortszeit) auf Twitter mit.

Die Polizei sprach die Beteiligten des Protests auf Twitter direkt mit einer Drohung an: „Wenn Sie an diesem Protest beteiligt sind, werden wir aktiv versuchen, Sie zu identifizieren, Geldbußen und Strafanzeigen werden folgen.“

— Ottawa Police (@OttawaPolice) February 20, 2022

Wegen der Polizeiaktion im Zentrum der Hauptstadt wurde die Parlamentsdebatte, die den Notstand hätte gültig beschließen sollen, abgesagt. Laut dem Fraktionsvorsitzenden der regierenden Liberal Party, Mark Holland, geht es dabei nicht um eine Einschränkung der freien Debatte, sondern um die Sicherheit der Abgeordneten.

Wird das Parlament den Notstand wirklich am Montag beschließen? Einige zweifeln daran. Zugleich riskieren Journalisten, die sich der Polizeiaktion nähern, ihre Festnahme, das twitterte die Ottawa Police am Freitag. Folgt man Tom Marazzo, einem der Organisatoren des Trucker-Protests, dann wird das Parlament die Abstimmung bis Montag, also bis zur maximalen Wartefrist von sieben Tagen, verzögern und die Anwendung des Notstandsgesetzes dann ablehnen. Doch die gewaltsame Polizeiaktion wäre dann eben schon geschehen.

Marazzo ist der einzige Mitorganisator des Protests, der noch auf freiem Fuß ist. In einer Pressekonferenz am Samstag zeigte er sich tief enttäuscht von der Regierung. Er zitiert die Worte, die eine Frau am selben Tag geschrieben hatte: „Zuerst holten sie die Trucker. Ich sagte nichts, weil ich kein Trucker war. Dann holten sie sich die Spender. Ich sagte nichts, weil ich keine Spenderin war. Dann kamen sie, um mich zu holen, und es war niemand mehr da… um für mich das Wort zu ergreifen.“

Niemals im Leben hätte er sich, so Marazzo, vorstellen können, dass ein Premierminister seines Landes den Dialog ablehnen und Gewalt gegen friedliche Demonstranten wählen könnte. Es sei ein schwarzer Tag für Kanada. Man organisiere nun den juristischen Beistand für diejenigen, die von Polizeigewalt betroffen sind. Er habe persönlich das Niedergetrampeltwerden einer Demonstrantin erlebt. Doch die Behörden würden behaupten, das sei nie geschehen. Demonstranten wurden festgenommen, weil sie kanadische Flaggen hielten.

Dann sagt der Organisator etwas Interessantes: „Bei dieser Demonstration ging es nie um Covid-19. Es ging um die Einschränkungen der individuellen Autonomie, die fälschlich mit der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt wurden.“ Eine Sache lehnt er entschieden ab, und das hat dann doch etwas mit Covid zu tun: die Einführung eines Social-Credit-Systems nach chinesischem Vorbild, die für ihn mit dem Impfnachweis beginnt. Der Protest war laut Marazzo immer gewaltfrei: „Nur Frieden, Liebe, Umarmungen und das Singen von ‚Oh Canada‘.“

Die Gewalt kam erst mit der Polizei. Drei der Organisatoren des Protests wurden festgenommen, Bankkonten führender Demonstranten wurden eingefroren, auch das von Marazzo. Seine Kreditkarten wurden gesperrt, seine Kreditwürdigkeit sank in den Keller. 

Marazzo hätte sich einen Austausch mit der Regierung gewünscht, um einen gemeinsamen Plan zu entwickeln. Doch die Regierung habe keinen Dialog gewollt, ihr einziger Plan sei nun die Gewalt. Doch der Zusammenhalt der Demonstranten sei unerschüttert, niemand werde diesen „Konvoi“ verlassen, sagt Marazzo. „Ich bin sicher kein Held…“ – an dieser Stelle versagt ihm die Stimme, er braucht einen Moment, um sich zu fangen.

Marazzo spricht von Machtmissbrauch und hat Zweifel, ob die kanadische Demokratie diese Ereignisse überleben wird. Die kanadische Bundesregierung, so Marazzo, sollte sich schämen. „Sie haben uns im Stich gelassen“, außerdem gewährten sie sich selbst gerade die dritte Gehaltserhöhung, während normale Bürger litten. Nach Marazzo wollen sich die Trucker nun friedlich zurückziehen und die eigenen Möglichkeiten wägen.

Doch genau das soll ihnen offenbar verwehrt werden. Die Regierung hat sich für ihren Plan entschieden, den die Polizei nun unbarmherzig durchführen muss. Die erlebte Demütigung durch die wochenlangen Proteste direkt am Parlamentsgebäude und Regierungssitz will Trudeau offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Der Polizeichef von Ottawa hat angekündigt, dass Demonstranten auch, falls sie vom Ort des Geschehens abziehen, mit der Verfolgung durch die Sicherheitsbehörden rechnen müssen, und zwar auch mit Hilfe von Videoaufnahmen. „Wir werden Menschen dafür zur Rechenschaft ziehen, dass sie unsere Straßen übernommen haben. Diese Ermittlungen werden sich über Monate fortsetzen.“ Der Polizeichef verspricht Aktivitäten auf mehreren Feldern: finanzielle Sanktionen des Bundesstaats einerseits, Einschnitte bei der Lizenzierung von Unternehmen auf der Provinzebene und kommunale Verfahren wegen Missachtung von Gerichtsbeschlüssen. Komplizierte und zeitaufwendige Ermittlungen seien zu erwarten.

Dieses Vorgehen, das der Polizeichef hier im Namen anderer verspricht, richtet sich nicht gegen Straftäter oder Terroristen, sondern gegen kanadische Bürger, die von ihrem Versammlungsrecht auf den Straßen der kanadischen Hauptstadt Gebrauch machten. Die Kriminalisierung dieses Rechts ist offenbar in vollem Gange.

Inszeniert Trudeau seinen „6. Januar“?

Auf Fox News berichtete eine Tammy Giuliani aus Ottawa von dem, was ihr widerfuhr: Eine Flut von Anrufen und Nachrichten beleidigenden oder aggressiven Inhalts wurden von einer Aktion gekrönt, die die Eiscafé-Besitzerin in Tränen ausbrechen lässt. Ein Bettlaken wurde über den Café-Namenszug gezogen, darauf die Botschaft: „Tammy ist eine Terroristin.“ Mindestens ebenso sehr berühren sie aber die folgenden Solidaritätsanrufe, in denen ihr viele Kanadier und US-Amerikaner sagten, wie sie in dieser Zeit wirtschaftlich zu leiden hatten oder gar wegen der Impfung arbeitslos wurden. Entgleisungen wie der Bettlakenspruch deuten auf das Meinungsklima hin, in dem die Regierung darauf kommen konnte, einen Notstand zu verkünden, für den es laut dem entsprechenden Gesetz keine Rechtfertigung gibt. Das meint neben vier Provinzgouverneuren auch die konservative Oppositionsführerin Candice Bergen.

Inzwischen mehren sich die Stimmen, die meinen, dass Trudeau sich genau diese Situation lange erhofft hatte. Tatsächlich konnte man das Drehbuch der linken Regierung erahnen, seit ostentativ von verschiedenen Flaggen die Rede gewesen war – mehrere Konföderiertenflaggen, auch eine mit Swastika seien gesehen worden. Der Reporter der britischen Daily Mail war eine Woche lang in Ottawa und konnte keine solche Fahne finden. Doch in der Öffentlichkeit war damit die Markierung gesetzt, die für eine Exkommunikation des Bürgerprotests nötig war.

Als nächstes musste man den friedlich parkenden Truckern ein weiteres Etikett anheften: Gewalt. Das misslang, weil sie schlicht keine Gewalt ausübten. Kein Aufstand nirgends, der sich auch nur entfernt mit dem 6. Januar 2021 in Washington D.C. vergleichen ließ, als ein Mob das Kapitol stürmte. Sogar in Coutts berichten Trucker von Provokationen der berittenen Polizei, die einen friedlichen Protest in den Konflikt steuern sollten: „Sie sind bereit, Dinge zu tun, die … einen Konflikt erzeugen, den sie brauchen, um Gewalt einzusetzen. Und das ist es, was wir versuchen zu vermeiden.“ Wie weit dies noch gelingen kann angesichts des offenliegenden Vorhabens der Regierung Trudeau, den Protest zu kriminalisieren, ist unsicher. Es scheint, als habe sich die Trudeau-Regierung entschieden – für die gewaltsame Niederschlagung, gegen den Dialog.

Linksradikale Anti-Pipeline-Extremisten

Derweil haben 20 maskierte und gewalttätige Angreifer schon in der Nacht auf Donnerstag die Arbeiter an einer Gas-Pipeline in British Columbia eingekreist und angegriffen. Kurz nach Mitternacht wurden die berittene Polizei zum Tatort gerufen. Sie fand die Zufahrtsstraße blockiert vor, durch gefällte Bäume und brennenden Sperrmüll. Als sich die Polizisten daran machten, den Weg freizuräumen, wurden sie mit Rauchbomben und brennenden Hölzern beworfen.

Daneben schlugen die Angreifer mit Äxten auf Fahrzeuge ein und zerschlugen die Windschutzscheibe eines Trucks. Auf die Arbeiter wurde mit Leuchtpistolen gefeuert. Sie mussten den Bereich zeitweilig verlassen, während das Gerät schutzlos zurückblieb. Der Polizeichef Warren Brown sprach von einem „Millionenschaden“. Die Täter sind offiziell noch nicht identifiziert. Doch der US-amerikanische Journalist Andy Ngô nennt die Angreifer „linksradikale Anti-Pipeline-Extremisten“, was vermutlich die plausibelste Erklärung für diese nach Ausmaß und Zielrichtung erstaunliche Gewalttat ist.

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