Draghi fordert EU-Investitionen von bis zu 500 Milliarden Euro

Zum Abschluss stimmt der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi die Europäer auf „enorme“ Investitionen ein. Italienische Medien sprechen von bis zu 500 Milliarden Euro. Diese Summe soll für Klimaschutz, aber auch für Sicherheit und Verteidigung verwendet werden. Von Samuel Faber

IMAGO / ZUMA Wire
Mario Draghi, 23.10.2022

Wer glaubt, dass Mario Draghi mit dem Rückzug vom Posten des EU-Notenbankchefs auch seine geldpolitische Bedeutung abgegeben hat, der darf sich getäuscht fühlen. Der Italiener wirkt weiter und lässt keinen Zweifel, dass er, obwohl er keinen Posten innehat, die Debatte rund um Frankfurt, Brüssel und Straßburg weiterhin mitbestimmt.

Europa müsse „enorme Summen in relativ kurzer Zeit“ in die Hand nehmen, lautet die Marschrichtung des 76-Jährigen. Das sagte er zum Abschluss des Finanzministertreffens der EU-Länder am vergangenen Samstag im belgischen Gent. Anders sind die Herausforderungen von Kriegen und Klimawandel wohl nicht zu lösen. Dafür möchte der ehemalige italienische Ministerpräsident laut belgischen Quellen Ende Juni einen Bericht für eine wettbewerbsfähige Europäische Union vorlegen.

Ein wesentlicher Fokus liegt bei Draghi auf Verteidigung und Sicherheit, wie Belgiens Finanzminister Vincent Van Peteghem aus einem informellen Treffen zu berichten wusste. Sowohl der Krieg in der Ukraine als auch der Konflikt im Nahen Osten seien sonst nicht zu bewältigen. Vor dem Hintergrund der wachsenden Großmächte wie China oder den USA wurden Lösungsvorschläge diskutiert, wie man sich effektiver gegenüber beiden Ländern positionieren könnte. So gab es „einhellige Unterstützung” für die Stärkung von Privatkapital.

Kreditvolumen der EIB soll massiv erhöht werden

Dies soll vor allem mit Hilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) geschehen. Diese ist eine eigene Rechtspersönlichkeit. Das bedeutet, die Bank ist in der Lage, Rechte zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen sowie zu klagen und verklagt zu werden. De jure ist die EIB kein Organ der Europäischen Union, sondern ‚steht als finanzielle Sondereinrichtung neben den Organen‘. Damit soll sichergestellt werden, dass die Bank nicht an Weisungen der Europäischen Kommission oder des EU-Parlaments gebunden ist. De facto nimmt die EU jedoch Einfluss auf die EIB, was die Forderung von Draghi im Rahmen des Treffens der Finanzminister deutlich macht.

Das gezeichnete Kapital der EIB beläuft sich, Stand 2021, auf 242 Milliarden Euro. Geht es nach dem Willen von Draghi, soll dies empfindlich angehoben werden. Lediglich 5 Prozent der Summe sind satzungsmäßig eingezahlt. Gezeichnetes Kapital ist das Haftkapital. Das bedeutet, zu dieser Summe haftet das Unternehmen gegenüber seinen Gläubigern. Im vergangenen Jahr belief sich das Kreditvolumen auf 88 Milliarden Euro, die überwiegend für sogenannte Klimaprojekte verwendet wurden. Lediglich 8 Milliarden Euro flossen in Projekte zur Sicherheit und Grenzschutz.

Bis zu 500 Milliarden Euro Investitionsvolumen

Laut der aktuellen EZB-Chefin, Christine Lagarde, benötigt die EU allein 75 Milliarden für Verteidigungsausgaben – pro Jahr. Dazu fallen bislang keine Investitionen für Munition und Waffen an. Dies könnte sich in Zukunft ändern. Laut der Welt lässt die EIB-Präsidentin Nadja Calvino prüfen, inwieweit Ausgaben für Güter möglich sind, die auch militärisch genutzt werden können. Dem stimmt Finanzminister Christian Lindner grundsätzlich zu und spricht von ‚sicherheitspolitischen Interessen‘, auch für Deutschland.

Italienische Medien sprechen sogar von Investitionen bis zu 500 Milliarden Euro. Draghi erklärt das so: „Wir als Europa geben das Drei- bis Fünffache dessen aus, was Russland ausgibt, und wir sind nach den USA der zweitgrößte Investor in Militärausgaben. Es geht also um eine bessere Koordinierung. Es ist ein besonderer Moment, in dem wir viele der Annahmen unseres Miteinanders überprüfen müssen.“

Es droht die Beschneidung der nationalen Souveränität

Bereits im vergangenen Jahr forderte der Italiener, dass die EU „ein Staat“ werden solle, um die Herausforderungen der Zeit meistern zu können. „Hoffen wir, dass die Grundwerte, die uns zusammengeführt haben, uns auch weiterhin zusammenhalten. Heute ist das Wirtschaftswachstum zusammengebrochen, und wir müssen eine neue Art des Wachstums erfinden. Aber dazu müssen wir ein Staat werden“, so Draghi.

Glaubt man den Worten Lindners, steht die Regierung dem Vorhaben wohlwollend gegenüber. Ein Investitionsvolumen in dieser Höhe wäre der nächste Schritt in Richtung eines zentralen europäischen Staates und der Beschneidung nationaler Souveränität. Genau das, was Mario Draghi fordert.

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Kommentare ( 24 )

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Peter Gramm
1 Monat her

…“Die New World Order ist in Arbeit. Sie ist eine überarbeitete Form des internationlaen Kommunismus und eine brutale und grausame Diktatur die die Welt in ein Neues Dunkles Zeitalter stürzen will“…Seite 60. Das Komitee der 300.

Teiresias
1 Monat her

Wer würde eine EU-Armee befehligen? Wessen Interessen würde sie dienen? Zu Ende gedacht bekäme m.E.die in Brüssel alles beherrschende US-Finanzindustrie eine Armee zur Durchsetzung ihrer Interessen, finanziert von EU-Steuerzahlern, die letztendlich gar nichts zu sagen hätten. Denn die US-Ratingagenturen können das Euro-System jederzeit kollabieren lassen, einfach indem sie die Ratings von Deutschland und Frankreich senken. Dieses Erpressungspotential wäre allein ein Grund, den Euro auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Supergau wäre eine atomare Bewaffnung wie sie bereits gefordert wurde. Eine erpressbare, atomar bewaffnete EU könnte von den USA sogar für einen atomaren Stellvertreterkrieg vorgeschoben werden, so wie derzeit die… Mehr

hansgunther
1 Monat her

Eine Geldpresse mit Namen Dracula!
Die Italiener könnten wohl noch nichtmal das Papier liefern!
So macht Bankster Spaß!

Helfen.heilen.80
1 Monat her

Draghi und Lagarde zeigen sich als typische Vertreter der Weichwährungspolitik ihrer Heimatländer Italien und Frankreich. Deutscher Einspruch? Nicht seit Axel Weber und Jens Weidmann aus Protest zurückzogen. Die Summen die jetzt ausgegeben werden, werden – wie früher bei den regelmäßigen Abwertungen der Lira und des Franc – zu Entwertungen privater Assets der Bürger führen. V.a. der in den „Nordländern“ beliebten papierenen Zahlungsversprechen, wie Rente, Pflege- und Krankenversicherung. Schlimmstenfalls Währungsreform und Lastenausgleich auf Immobilien. Ist es clever sich einen Buckel zu arbeiten, um die Kapitalien für ein Projekt zu erarbeiten um das man nicht gebeten hat? Man könnte seine Assets ebenso… Mehr

Ron
1 Monat her

>Heute ist das Wirtschaftswachstum zusammengebrochen, und wir müssen eine neue Art des Wachstums erfinden.<.
Damit ist eigentlich alles gesagt.
Die Themen sind auch benannt:
>Anders sind die Herausforderungen von Kriegen und Klimawandel wohl nicht zu lösen.<
Danke für Deine Offenheit „Super“ Mario.

horrex
1 Monat her

Was ich sehe ist, dass „unbedingt“ unglaubliche Summen Geldes (das man nicht hat) in so wolkig-utopische Zukunftsprojekte gesteckt werden sollen die in keiner(!!!) Form, auch nicht „klimatechnisch“, eine Rendite abwerfen. –
Mein Eindruck von Politik ist inzwischen „die Kunst möglichst viel Kapital in möglichst „unrentable“ Projekte zu stecken.
Siehe Habeck und VdL und Keynes und Draghi den man – lang ists her – mal „den Deutschen“ nannte weil er – damals – der klassischen Politik der Bundesbank frönte. –

Ohanse
1 Monat her

Dass Lindner froh ist, wenn man ihm Verantwortung abnimmt, ist klar: Der ist jetzt schon komplett überfordert.

Wursthans
1 Monat her

Ist die Kohle aus dem Corona Wiederaufbaufonds schon verbraten?
Das Finanzmarktkarussell muss sich zwangsläufig immer schneller
drehen, bis zum bitteren Ende.
Bitcoin nahe Allzeithoch! Tendenz steigend.

November Man
1 Monat her

Und wer soll die 500 Milliarden zahlen?

der Opa
1 Monat her
Antworten an  November Man

Na, wer den?
Der arbeitende deutsche Michl und die doofen Bürger in den Geberstaaten sprich Nettozahler.
Kommt von da nichts mehr, geht es ans Eingemachte, die Zwangshypothek auf Immobilien ist in Sichtweite!

Phil
1 Monat her

Diese sogenannten als „Investitionen“ getarnte Ausgaben werden weder das Klima, Europa, den Euro, die Wirtschaft, noch die europäischen Banken retten. Die Keynesianische Geldpolitik schafft lediglich Strohfeuer und keine langfristig gewinnbringende und zukunftsträchtige Strukturen. Es gibt vitale Gründe, wieso hier weitere 500 Milliarden Schulden ins System gepumpt werden müssen, die grossen Anleger aus Amerika verabschieden sich momentan gerade reihenweise von „Greentech“ und die Ukraine wird, was die USA bereits eingesehen hat, diesen Krieg in Kürze verlieren. Die Angst der Europäischen Politik vor dem Offenbarungseid in beiderlei Hinsicht, ist nicht ganz unbegründet, hatte man sich doch in der Politik erhofft, den Zusammenbruch… Mehr