Ein Raunen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz

Thomas Haldenwang offenbart der dpa seine Hoffnung auf das baldige Verschwinden der Querdenken-Bewegung mit dem Ende der Pandemie. Doch ein großer Teil der Querdenker sieht sich mit demselben Ziel unterwegs wie der Verfassungsschutz.

picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Wer beobachtet eigentlich die Beobachter? Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz jedenfalls scheint sich ziemlich unbeobachtet zu fühlen. Der Nachfolger des zwangsverabschiedeten Hans-Georg Maaßen im Amt hat jetzt der Deutschen Presse Agentur (dpa) ein Interview gegeben. Und tatsächlich könnte man, was Thomas Haldenwang da von sich gibt, für merkwürdig halten.

Zunächst äußert Haldenwang die Hoffnung, dass die Querdenken-Bewegung „mit ihren Verschwörungstheorien nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder in den Hintergrund verschwindet“. Der Verfassungsschutz allerdings ist notwendigerweise seinem Wesen nach eine Art seriöser Verschwörungstheoretiker. Denn dort müssen ja zunächst solide Theorien und Thesen aufgestellt werden, wer sich wo und wie gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schaffen macht oder machen könnte. Dann wird beobachtet. Der Anfangsverdacht sollte aber nicht geprägt sein von politischen Erwägungen, sondern alleine der Schutz der Verfassung soll Richtschnur des Handelns sein, sonst wären Amt und Politik eigentlich selbst Beobachtungsfälle. Aber wer soll schauen? Der Sicherheitsausschuss des Bundestages vor dem Haldenwang regelmäßig Rapport ablegen muss? Wie unabhängig aber kann der im Mehltau einer großen Koalition noch sein?

Haldenwangs Amtsvorgänger Hans-Georg Maaßen veröffentlichte übrigens parallel zu dessen jüngstem Interview einen Text mit dem Titel: „So entsteht totalitäres Denken.“ Dabei geht es ihm u.a. um „die Ausgrenzung unbequemer Meinungen aus dem Debattenspektrum“.

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Zurück zu Haldenwang: Seine Hoffnung, dass die Querdenken-Bewegung gemeinsam mit der Pandemie verschwindet, ist interessant. Wenn man annimmt dass die Querdenker hauptsächlich Corona-Leugner sind, dann hätten diese mit Ende der Pandemie tatsächlich keinen Daseinsgrund mehr. Ironie der Geschichte: Die Querdenker sehen sich selbst aber zum überwiegenden Teil auf demselben Feld aktiv wie Haldenwang: Sie betrachten sich als Wächter des Grundgesetzes.

Was Haldenwang mit den Mitteln der Theorie und der anschließend ermittelnden Investigation erledigt, tragen die Querdenker auf dem Asphalt der Großstädte aus. So kann man das sehen, wenn man sich nicht an Hare-Krishna-Jüngern und anderen obskuren Gestalten stört, welche die Querdenker mitunter als eine Art Schutzraum und Portal nutzen – hier fällt es leicht, zu sagen, was einem sympathischer ist.

Aber Haldenwang ist lange nicht fertig bei dpa. Er nutzt nicht nur die Mittel der Investigation, er sortiert bzw. diffamiert und vergleicht die Querdenker mit der wie er sagt: „ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung.“ Die Winkelzüge – oder Pirouetten –  ziehen sich durch das Gespräch mit dpa. Man bekommt den Eindruck, Haldenwang hätte gedacht, so etwas vor Weihnachten an den kritischen Lesern vorbei zu bekommen.

Pegida, so Haldenwang, sei nach dem Rückgang der Flüchtlingszahlen „allmählich in sich zusammengefallen“. Das ist schon deshalb eine Überprüfung wert, weil die Zahlen eben nicht wirklich zurückgegangen sind. Rechnen wir nur die Asylantragsteller ab 2015, werden es bis heute Tag für Tag mehr und das trotz der Corona-Pandemie. Es gibt keine nennenswerte Bewegung hinsichtlich Rückwanderung. Allenfalls der akute quantitative Druck ist im Vergleich zu 2015 gesunken – aber wäre er das nicht, ständen wir heute möglicherweise schon vor einer humanitären Katastrophe mitten in Deutschland.

Zahlenspielereien. Aber auch Haldenwangs Bezug zur Pegida-Bewegung hinkt. Denn anfangs war diese Bewegung sogar für einen Minister Sigmar Gabriel interessant genug, einmal ein Treffen zu besuchen, ohne dass der Sozialdemokrat deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet worden wäre. Ohne Frage: Bei Pegida gab es eine Phase vor einer zweifellos stattgefundenen Radikalisierung. Die interessantere Frage wäre hier, wie nützlich so eine Radikalisierung für eine – von wem auch immer gewünschte – Diskreditierung war.

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Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat jüngst angekündigt, Querdenken dort zu beobachten. Auf die Frage, ob dies nun auch der Bundesverfassungsschutz vorhabe, berichtet Haldenwang von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die dabei sei «die Verfassungsschutzrelevanz von Verschwörungstheorien und auch die Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen» zu betrachten, um zu gegebener Zeit zu einer Einordnung zu kommen. Die Querdenken-Initiative sei sehr heterogen. Bei den Querdenkern seien auch Rechtsextremisten, Reichsbürger, sogenannte Selbstverwalter und weitere Personen mit verfassungsfeindlichen Einstellungen unterwegs. Zwar gab es tatsächlich bedenkliche Treffen zwischen Querdenkergruppen und einem selbst ernannten „König von Deutschland“ in einem einschlägigen Lokal und noch weitere Merkwürdigkeiten, allerdings hatte das BKA längst etwas ganz anderes festgestellt. Ein Fazit des BKA lautet: „Demzufolge können eine umfassende Beeinflussung bzw. Unterwanderung des Protestgeschehens durch die rechte Szene aktuell nicht konstatiert werden.“

Haldenwang attestiert dem Rechtsextremismus, es gäbe kleinere Gruppen, die Waffen sammeln und Vorbereitungen für den Tag X treffen. Das trifft unzweifelhaft zu: In Österreich wurde jüngst ein großes Waffenlager ausgehoben, das offenbar auch für deutsche Rechtsextremisten angelegt worden war. Die dpa-Meldung, die in zahlreichen Medien publiziert wurde (zum Beispiel hier) blendet von diesem Warnhinweis dann aber ohne Absatz direkt hinüber zu einer weiteren Aussage Haldenwangs, wonach die „sogenannte Neue Rechte“ sehr geschickt vorgehen würde. „Sie opperiert arbeitsteilig, wobei viele Fäden beim Institut für Staatspolitik in Schnellroda zusammenlaufen.“

Von den vom BKA mit Persilschein ausgestatteten Querdenkern zu rechtsextremen Waffensammlern direkt in die Wohnstube von Götz Kubitschek in Schnellroda. Das muss man erst einmal hinbekommen. Was Haldenwang in seinem aktuellen Verfassungsschutzbericht allerdings nicht hinbekommen hat: Letztgenannten Kopf des Instituts für Staatspolitik dort zu erwähnen.

Und weil in diesem merkwürdigen Interview von Haldenwang für die dpa bislang noch die AfD fehlt, wird auch die noch flugs vom obersten Verfassungsschützer genannt. Es gäbe da ein „Personennetzwerk.“ Zwar hätte sich der Flügel der AfD formell aufgelöst – übrigens erst, nachdem Haldenwang ihn zum Beobachtungsfall gemacht hatte – aber der weiß mehr: „Wir können aber auch wahrnehmen, was außerhalb der Öffentlichkeit gesprochen wird.“

Ist das als eine Drohung Richtung Querdenker gedacht? Oder gar eine gegen jedermann? Thomas Haldenwang bewegt sich in der von ihm selbst erwählten Grauzone auf dünnem Eis. Wollen die Menschen diese Art des Raunens wirklich?

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Kommentare ( 86 )

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Bummi
3 Jahre her

Der Verfassungsschutz ist ein politisches Machtinstrument, so wie in der DDR die Staatssicherheit. Nur die Methoden sind noch nicht so robust.

UffGlueck
3 Jahre her

Der Verfassungsschutz arbeitet zuverlässig! Er schützt die Verfassung von 1871 davor, wieder aufzutauchen. Das BMI hat bestätigt, dass das Grundgesetz seit 1991 nur noch im Privatrecht gilt. Horst Seehofer: „Es gilt hier keine Ordnung, es gilt hier kein Gesetz.“ Kontrovers dazu Volker Schöne, Polizeigewerkschaft Sachsen, bereits 2011: „Mit den Bereinigungsgesetzen 2006 wurden uns die Gesetze genommen. Zugleich wurde Militärrecht aktiviert.“ Zur Erklärung: ein Ordnungsgeld würde von den Besatzern vermutlich als eine Schutzgelderpressung unter Waffeneinsatz in einem Kriegsgebiet gesehen werden. Also ich möchte kein Teil des US – Unternehmens POLIZEI sein (BLOCKBUCHSTABEN = FIRMA, ohne hoheitliche Befugnis. Und natürlich gilt deutsches… Mehr

November Man
3 Jahre her

Der Herr Haldenwang wäre gut beraten, wenn er sich mal ausreichend Gedanken machen würde, warum tödliche Kriegswaffen aus den ehemaligen Jugoslawien so einfach nach Österreich oder Deutschland geschmuggelt werden können.
Ja, es sind die offenen Grenzen.
Das sollte er mal den schwarzlinksgrünen Kartellparteien vorhalten und diese auffordern die Grenzen zu schließen.
Damit könnte man viele zukünftige Tote vermeiden.

pcn
3 Jahre her

Sehe ich auch so. Haldenwang ist einer, der in dieser Hinsicht seine Aufgabe voll und ganz erfüllt. Nur mit dem deutschen GG hat er anscheinend wenig am Hut.

Old-Man
3 Jahre her

Frau Merkel wird schon wissen ,warum sie ausgerechnet einen aufrechten Verfassungsschützer vertrieb ,um den Posten dann mit einer ihr ergebenen Person zu besetzen ,ein Schelm der böses dabei denkt!!.

Korner
3 Jahre her

Haldenwang ist nur eine Merkelmarionette. Der Verfassungsschutz ist eine reines Merkelschutzbehörde geworden.

H. Hoffmeister
3 Jahre her

Vor Menschen wie Haldenwang habe ich Angst. Aus dem politischen Netzwerk des Altparteienfilzes hervorgegraben, einen mit falscher Haltung ausgestatteten Vorgänger ablösend, ist sich dieser Mann seiner Sache und Protektion inzwischen so sicher, dass er keine Hemmungen mehr hat, den politischen Gegner (jede Gruppe von Bürgern, die mit der Altparteienpolitk nicht einverstanden ist) ohne justiziable Beweise öffentlich zu diffamieren.

Old-Man
3 Jahre her
Antworten an  H. Hoffmeister

Sie brauchen vor „dem“ keine Angst zu haben ,schauen sie sich die Vita seiner Chefin genauer an ,dann wissen sie Bescheid!.
Sorgen sollte man sich lediglich über den geistigen Zustand einer großen Zahl des Wahlvolkes machen ,denn im kommenden Jahr werden die unserer Demokratie einen schweren Tritt verpassen , denn Union/Grüne als Regierung ,das wird unseren Untergang beschleunigen ,davor lohnt es Angst zu haben!!.

binweitweg
3 Jahre her

Wer glaubt, verkünden zu müssen, daß mit dem Ende der Pandemie auch das Ende der Querdenker eingeläutet ist, glaubt auch an die Geschichte mit dem Zitronenfalter. Nach der Pandemie treten dann wieder verstärkt die anderen ungelösten Probleme in den Vordergrund( Migration, Energie, Bildung, Armut etc)und da werden sicherlich auch die Querdenker wieder auf der Matte stehen. Und wer gar vom Ende von „Pegida“faselt, der sieht auch die AfD schon seit wahrscheinlich Anfang 2018 in das Abendrot reiten.Beide sind noch da und mit den Querdenkern hat sich eben der Widerstand in der Bevölkerung verbreitert. Ein Haldenwang labert da halt so in… Mehr

Evero
3 Jahre her

Die StaSi/West wurde personel enorm verstärkt. Dieses linke Personal wird seine „Verfassungsfeinde“ immer finden!
Die CDU/CSU und die SPD sorgen dafür, dass StaSi-Methoden und Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen auch im Westen Fuß fassen.
Die Gefahr droht bestimmt nicht von den paar Ewiggestrigen, die es in jedem Land gibt. Die echte Gefahr droht m. E. aus der Regierungszentrale selbst, die permanent die Verfassung bricht und stückweise die Grenzen in Richtung Totalitarismus vetschiebt. Aber dafür hat Haldenwang, der Blinde unter Blinden, keinen Auftrag.

horrex
3 Jahre her

Der 68 begonnene „Marsch durch die Institutionen“
führt unweigerlich zu dem was wir heut politisch und medialerleben,
was man heute „deep state“ nennt. (siehe nochmal das Maaßen-Interview!)