Was wir vom Truthahn lernen können

Vor uns liegt eine Woche gravierender finanzieller Entscheidungen. Warum Anleihen im Vergleich zu Aktien total überbewertet sind und der Goldpreis von der Anleihenflut profitieren wird.

Was für zwei Wochen! Erst sorgt die Schweizerische Nationalbank dafür, dass der Franken nicht weiter durch den Euro verseucht wird, dass die Eidgenossen mit ihrer plötzlich gegen den Euro wertvoller gewordenen Währung die Läden in Konstanz und Umgebung stürmen und dass Schuldner aus dem übrigen Europa ihre Frankenkredite auf einmal ganz teuer bezahlen müssen. Das war in der abgelaufenen Woche. Derweil sickerte durch, EZB-Chef Mario wolle die deutsche Bundesregierung in Sachen Staatsanleihenkauf mit kosmetischen Operationen gnädig stimmen. Das Thema kommt am nächsten Donnerstag ganz oben aufs Programm der EZB, wenn deren Rat beschließt, was de facto längst beschlossen ist, eben der Staatsanleihenkauf.
Schon vom kommenden Mittwoch an findet in Davos wieder der Jahrmarkt der finanziellen Eitelkeiten statt, besser bekannt als Weltwirtschaftsforum. Dort haben die Teilnehmer bis zum Samstag Zeit, über die Rettung des Finanzsystems im Allgemeinen und über den EZB-Ratsbeschluss im Besonderen zu palavern. Der Sonntag steht dann ganz im Zeichen der Griechenland-Wahl. Wie auch immer deren Ausgang sein wird, fest steht bereits jetzt, dass er die Debatten um den schwach gewordenen Euro weiter anheizen wird.

Aktien kontra Anleihen

Anleger haben es in solchen Zeiten beim Umgang mit Geld besonders schwer. Das sei zunächst an einem Vergleich von Aktien- und Anleihenkursen aufgezeigt: Während um die Jahreswende eine Dax-Prognose die andere jagte und Börsianer beim Rückblick ins vergangene Jahr ein enttäuschendes Mini-Plus des gängigen Performance-Dax und sogar ein leichtes Minus des Kurs-Dax bejammerten, würdigten sie Anleihen kaum eines Kommentars. Dabei hatten es 30-jährige Bundesanleihen 2014 auf ein Kursplus von 37,7 Prozent gebracht. Deren aktuelle Rendite beträgt gerade mal 1,17 Prozent. Erst wer die vergangenen Jahre Revue passieren lässt, stellt fest, dass es sich beim 2014er Plus um einen Ausreißer nach oben handelt, womöglich sogar um das letzte Aufbäumen der seit mehr als drei Jahrzehnten anhaltenden Anleihenhausse.

Ergänzen wir den Vergleich um eine Kennzahl, das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Es zeigt an, ob Aktien preiswert oder teuer sind, und dürfte derzeit, bezogen auf den Dax, irgendwo zwischen 15 und 20 liegen. Die Höhe lässt sich nur in einer Bandbreite bestimmen, weil die Gewinndefinition nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften nicht ganz klar ist. Nehmen wir vorsorglich den höheren Wert an und vergleichen wir ihn mit der entsprechenden Kennzahl für 30-jährige Bundesanleihen: Deren Rendite von 1,17 Prozent entspricht einem Kurs-(derzeit rund 135)-Gewinn-(1,17)-Verhältnis von 115. Das ist das nahezu Sechsfache von 20.

Gold ist attraktiv

Zugegeben, gegen diesen Vergleich wie auch gegen die vereinfachte Berechnungsmethode kann man mancherlei einwenden. An einem ist indes nicht zu rütteln: Verglichen mit Aktien sind Bundesanleihen, zumal 30-jährige, hoffnungslos überbewertet. Spannende Frage: Sind Aktien deshalb generell unterbewertet? Es kommt darauf an: auf die Entwicklung der Kurse, der Unternehmensgewinne, der Konjunktur, der Zinsen und der Währungen – um nur einige wichtige zu nennen – sowie darauf, womit man das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Aktien vergleicht. Ein beliebter Vergleich – neben dem der Kennzahlen von Aktien und Anleihen – ist ja der mit dem Mietmultiplikator von Immobilien. Doch dann kommt es wieder darauf an: auf die Lage und Infrastruktur eines Objekts, auf die Mieter, auf Steuern, auf alte und neue Gesetze u.a.

In der vorigen Woche habe ich auch den Vergleich von Immobilien mit dem zinslosen Gold ins Spiel gebracht. Seitdem ist der Preis des Edelmetalls kräftig gestiegen. Warum? Bei der Suche nach der passenden Antwort bin ich auf eine interessante These von Markus Mezger gestoßen, einem profilierten Analysten, der Ende 2000 mit seinem Team in bemerkenswerter Präzision den Goldpreisanstieg ab 2001 vorausgesagt und sich zuletzt weiteren Studien zu diesem Thema gewidmet hat. Vom vergangenen November, unter anderem nachzulesen im Magazin zur damaligen Münchner Edelmetall- und Rohstoffmesse, stammt seine Aussage: Ist Gold im Vergleich zu anderen, von signifikanten Verlusten bedrohten Anlageklassen zurückgeblieben, wird es für Anleger attraktiv. Als besonderen Antipoden des Goldes nennt Mezger Staatsanleihen.

Finanzielle Repression

Dass Staatsanleihen im Vergleich zu Aktien total überbewertet sind, haben wir gesehen. Aber wie verhält es sich mit ihnen im Vergleich zum Gold? Klare Antwort: Sie sind beliebig vermehrbar (Aktien im Prinzip auch), Gold nicht. Sie gehören zu den Geldwerten ohne Erhaltung der Kaufkraft (sieht man von den vergangenen drei Jahrzehnten und speziell vom Jahr 2014 ab), während Gold seine Kaufkraft über Jahrhunderte erhalten hat (wenngleich es in dem einen oder anderen Jahrzehnt nicht so gut aussah). Anleihen sind Schuldtitel mit Gläubigern und Schuldnern, für Gold gilt das nicht. Und für die nächsten Jahre besonders wichtig: Alle Staaten streben seit Menschengedenken die Entschuldung mit inflationiertem, also abgewertetem Geld an, vulgo finanzielle Repression; das wertet das staatenlose Gold nominal auf, während es den Wert real erhält.

Wenn EZB-Chef Mario Draghi den Staatsanleihenkauf am kommenden Donnerstag begründen wird, dürfte er ein ganzes Arsenal von Argumenten auffahren und sehr ins Detail gehen. An den Börsen wird man es ihm danken, aber wie sehr? Im Hinblick auf Aktien kommt es darauf an, abzuwägen, inwieweit ihre bisher gestiegenen Kurse eine positive EZB-Entscheidung schon vorweggenommen haben. Ähnliches gilt für Anleihen – nur dass deren Kurse über kurz oder lang der Truthahn-Illusion ihrer Besitzer erliegen werden. Hierbei handelt es sich um eine vom Psychologen Gerd Gigerenzer gern benutzte Metapher: Der Truthahn (Käufer von Anleihen) wird lange gemästet, sodass er glaubt, man tue ihm damit etwas Gutes an – bis der Thanksgiving-Tag kommt und er diesen Tag nicht überlebt. Gold als Antipode der Staatsanleihen wird dann entsprechend gefragt sein. Bis dahin wird sein Preis erst langsam und mit Unterbrechungen nach oben krabbeln. Zeit, um an schwachen Tagen bei Barren und Münzen zuzugreifen.

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