Flucht in die Ukraine – Union und SPD weichen den deutschen Problemen aus

Die Sommerpause in Berlin ist beendet. Jens Spahn und Matthias Miersch eröffnen die neue Saison mit dem sinnlosesten Staatsbesuch aller Zeiten – einem, der für die kommende Arbeit der schwarz-roten Koalition nichts Gutes erwarten lässt.

picture alliance/dpa | Michael Fischer

Der Preis für den unsinnigsten Staatsbesuch aller Zeiten geht an Jens Spahn und Matthias Miersch. Die beiden sind die Vorsitzenden der Union und SPD im Bundestag. Sie sollten daran mitwirken, dass die beiden Regierungsfraktionen Lösungen für die deutschen Probleme finden – und vor allem dafür sorgen, dass diesen Lösungen die eigenen Abgeordneten zustimmen. Möglichst geschlossen. Die beiden sind jetzt in der Ukraine. Das ist so, als ob in der Schule der Hausmeister den Physik-Unterricht gibt.

Was genau machen Spahn und Miersch auf ihrer Ostreise? Sie besuchen deutsche Soldaten, die in Polen einen Flughafen beschützen. Dort können sie aus eigener Anschauung Lehren ziehen wie: Soldaten brauchen für ihren Job Waffen, möglichst funktionierende. Das mag für die allermeisten Bürger banal sein. Der Sozialdemokrat Miersch jedoch hat sich 20 Jahre lang im Bundestag so verhalten, als ob diese Lehre für ihn tatsächlich einen Fortschritt bedeuten könnte.

Dann sind Spahn und Miersch nach Kiew weitergereist, um dort zu bestätigen, dass noch gilt, was der Kanzler bei seinen Besuchen gesagt hat. Und der Außenminister. Und der Verteidigungsminister. Und der Finanzminister. Jetzt haben es halt auch Spahn und Miersch gesagt. Das verändert in diesem Krieg alles. Es sei ein “Zeichen” für die Ukraine, sagt Spahn. Es sei ein “Signal” an die Ukraine, sagt Miersch. Die Ukrainer wissen jetzt, dass diese beiden bedeutenden deutschen Politiker an ihrer Seite stehen. Matthias mit zwei T und Miersch mit S-C-H.

Spahn und Miersch in der Ukraine – das ist so, als ob der Hausmeister mit auf Klassenfahrt geht. Was ok wäre. Als Dank für seine gute Arbeit, wenn der Hausmeister in der Schule alles im besten Zustand hält. Nur wäre Deutschland eine Schule, dann wären sämtliche Toiletten verstopft, die Flure verdreckt und alle Lampen defekt: In Deutschland schrumpft die Wirtschaft, steigen die Schulden rasant, Arbeitslosigkeit und “Arbeitskräftemangel” ebenfalls, es zerbrechen die Sozialkassen, gehören Messermorde und Gruppenvergewaltigungen zum Alltag und streiten die beiden Regierungsparteien auf offener Bühne.

Letzteres zu verhindern ist die wichtigste Aufgabe von Spahn und Miersch. Die Vorsitzenden sollen sicherstellen, dass sich die Regierungsfraktionen in wichtigen Fragen einigen. Das haben die beiden Ukraine-Urlauber verbockt, etwa, als es darum ging, die Senkung der Stromsteuer umzusetzen, wie es im Koalitionsvertrag steht. Dann sollen die beiden im Parlament den Einigungen Mehrheiten verschaffen. Da haben Spahn und Miersch in den ersten 100 Tagen der Regierung massiv versagt. Historisch versagt: Dass eine Regierung ihrem Kanzler bei seiner Wahl eine Mehrheit verweigert, hat es in 76 Jahren Bundesrepublik nur einmal gegeben – unter der Verantwortung von Spahn und Miersch.

Wenn die beiden nun in der Ukraine “Zeichen” und “Signale” setzen, dann ist das eine Flucht. Dass sich ein Kanzler in die Außenpolitik rettet, um den Problemen im Land auszuweichen, ist historisch nicht neu. Wenn nun sogar die Fraktionsvorsitzenden gehen, ist das in der Tat ein Zeichen – ein Zeichen dafür, wie verfahren und hoffnungslos die Probleme in der Heimat mittlerweile sind.

Doch ist der Ukraine-Trip nicht nur eine räumliche Flucht. Es ist ein Eingeständnis, dass die beiden Regierungsfraktionen nicht mehr draufhaben als Symbolpolitik. So wie bei der gemeinsamen Fraktionsklausur, die sie eigens in Franken veranstaltet haben. Deren wichtigstes Ergebnis war, dass die beiden Vorsitzenden und der Chef der CSU-Landesgruppe gemeinsam eine Main-Brücke überquerten. Schlimm genug, dass Spahn und Miersch nichts anderes können als Symbolpolitik. Selbst darin sind sie altbacken und hilflos.

Wie hilflos diese Symbolpolitik ist, zeigte sich an diesem Sonntag. Da traten fast gleichzeitig der deutsche Kanzler und sein Vizekanzler im Staatsfernsehen auf. Lars Klingbeil (SPD) forderte in der ARD Steuererhöhungen und schloss Senkungen der Sozialleistungen aus. Friedrich Merz (CDU) forderte im ZDF Senkungen der Sozialleistungen und schloss Steuererhöhungen aus. Vielleicht sollten die beiden mal zusammen in die Ukraine fahren, um Bilder der Einigkeit zu liefern.

In Berlin ist die Sommerpause zu Ende gegangen. Nun tagen Arbeitskreise, die all die Vorschläge erarbeiten und vor allem vertreten sollen, die für Beschäftigte in Deutschland höhere Ausgaben und weniger Leistungen bedeuten. Die Vertreter von Union und SPD setzen derweil auf eine Doppelstrategie: Sich hinter den Arbeitskreisen verstecken, deren Vorschläge als alternativlos hinnehmen und so tun, als ob es nicht ihre Verantwortung sei, bloß weil sie für diese Verantwortung gewählt wurden und (gut) bezahlt werden.

Um sich zu zeigen, fahren sie dann ins Ausland. Vorzugsweise in die Ukraine. Dort können sie nicht nur das Geld ausgeben, das die Beschäftigten in Deutschland jetzt erwirtschaften – sondern dank dem Aufweichen der Schuldenbremse auch das Geld, was deutsche Beschäftigte in drei oder vier Jahrzehnten erst erwirtschaften. “Whatever it takes”. Sinnlos ist die Reise von Spahn und Miersch daher nur für den Steuerzahler, der sie bezahlt – für die Hausmeister der Regierungsfraktionen ergibt sie durchaus Sinn.

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Kommentare ( 31 )

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alter weisser Mann
3 Monate her

Ach ist das schön, der Matthias und der Jens, absolute Spitzenkräfte, im Nachtzug nach Kiew.
Hoffen wir, dass es ein one way ticket war und die jetzt weiterziehen und der Ostfront Europa verteidigen.

wackerd
3 Monate her

Nicht nur Deutschland ist am Ende – diese Koalition, aka Schattenkanzlerschaft mit Klingbeil. Wie kann man nur am gleichen Tag im Fernsehen auftreten und jeweils das Gegenteil versprechen. Wobei „der Lars“ im Vorteil ist. Friedrich hat alles an Versprechen gebrochen, der Lars nicht. Übrigens: Mein aufrichtiges „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit'“ geht an 9 Millionen CDU-Wähler, die mit Merz sehr zufrieden sind. Kann man sich nicht ausdenken…

Paul SC
3 Monate her

War schon immer ein gutes Instrument, den grauen Realitäten zu entfliehen, weit weg zu Reisen.

Kein guter Ausblick für unser schönes Land.

Juri St.
3 Monate her

Das neue Traumpaar der deutschen Politik. Duo infernale! Gespielte Harmonie, der Macht und den Pfründen zuliebe. Mit Karacho auf den Abgrund zu. Hauptsache die ‚richtige‘ Haltung, wenn auch nur gespielt.

Thomas
3 Monate her

Mit der Zeit wird Deutschland erneut entdecken, dass es von feindseligen Mächten und unaufrichtigen Freunden umgeben ist. In diesem Umfeld muss es sich erneut an Russland wenden – den einzigen verlässlichen Partner, den es jemals auf dem Kontinent hatte.

man without opinion
3 Monate her

Moin, Sehr lustig. Sinnlos ist der Besuch nicht. Immerhin haben die in Berlin ein paar Tage Ruhe vor den beiden. Was Propaganda so anrichtet. Miersch sagt mir so gar nichts. Über Span meine ich zu wissen, daß er die Coronazeit angeblich zur eigenen Bereicherung genutzt hat. Das er vorne mit dabei gewesen sein soll, den Bürger zu terrorisieren, während er selbst mit Kumpanen ohne Schutzmaßnahmen dinierte. Wohl auch in einer Villa deren Erwerb mit einem wertschöpfenden Job in dem Alter nicht finanzierbar gewesen sein soll. Das Gerücht zu streuen, er sei homosexuell, kann nur linksgrünen Neidern zugeordnet werden. Insofern ist… Mehr

Dunkelsachse
3 Monate her

Sinnlos war der Besuch nicht.

Jeder sollte spätestens jetzt begriffen haben, dass es (nicht nur) in Kiew für Zivilisten ungefährlich ist.

Dort finden übrigens ausweislich diverser Videos auch in diesem Jahr Konzerte unter freiem Himmel statt. Mit Bühnenaufbau usw. …

HDieckmann
3 Monate her

CDU und SPD auf dem Kriegspfad. Indian Summer? (Wenn nach einem ersten Kälteeinbruch ein warmer Spätherbst die Farbenpracht der Wälder entstehen ließ, war vor Wintereinbruch nochmal mit Angriffen der Indianer auf die Einwanderer zu rechnen). Veranstalten die Deutschen und Europäer in diesem Jahr in der Ukraine ihren letzten „Indian Summer“?

teanopos
3 Monate her

„Liebe Herren, jetzt bitte mal ganz andächtig gucken“

So ungefäher müssen die Worte des Kameramannes gelautet haben.

Der Besuch dieser beiden Herren in der Ukraine tangiert auf dem selben sinnfreien Niveau wie Annalenas Beachausflüge in Stöckelschuhen auf St. Anywhere Island.

Last edited 3 Monate her by teanopos
Silverager
3 Monate her
Antworten an  teanopos

Tolles Foto. Die drei von der Tankstelle im umkämpften Kriegsgebiet.
Miersch imitiert den nachdenklichen Willy Brandt, die andern beiden Figuren gucken andächtig zu.

Karlito
3 Monate her

Jens Spahn auf Wiedervorlage. Da geht noch was, nach seinem Wirken als Gesundheitsminister. Seine Spritzen machten uns nicht frei – der Pieks in Freiheit von Johnson & Johnson wurde von seinem Nachfolger sogar für ungültig erklärt. Was auch immer er für uns in der Ukraine aushandeln mag, es wird nicht besser ausgehen als seine Maskendeals, die ihn in einer funktionierenden Demokratie eigentlich von Führungspositionen hätten ausschließen müssen. Und was den Wert seiner Versprechungen anbelangt, ist alles gesagt. Genau deswegen ist er offenbar aufgestiegen im Berliner Zirkuszelt.