Tichys Einblick
Ein Land wird abgewürgt

Olaf Scholz verspricht neues deutsches Wirtschaftswunder – Armut für Alle

Olaf Scholz verspricht ein neues deutsches Wirtschaftswunder; Wachstumsraten wie in den 50er und 60er Jahren. Kommt wieder der Wohlstand für Alle – oder doch eher Armut für Alle? Analyse eines merkwürdigen Wirtschaftswunders.

IMAGO / Sven Simon

„Wohlstand für Alle“ war der Wahlkampfhit von Ludwig Erhard 1957 – das gleichnamige Buch ist eines der erfolgreichsten Wirtschaftsbücher der Nachkriegszeit. Erhards Rezept war: Wettbewerb und Leistung – vorgetragen im heute eher altfränkisch anmutenden Deutsch jener Jahre:

„So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag. Am Ausgangspunkt stand der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden. Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. … Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstandes ist der Wettbewerb.“

In den 1950er Jahren und noch Anfang der 1960er Jahre betrugen die jährlichen Wachstumsraten bei Vollbeschäftigung um die acht Prozent; zwischen 1950 und 1960 hat sich die Wirtschaftsleistung glatt verdoppelt. 1950 wurden 120.000 Kühlschränke hergestellt, 1960 waren es 2,4 Millionen. In 10 Jahren wurden 5,4 Millionen Wohnungen fertiggestellt. Wachstum, Wohnungen und Kühlschränke – das Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf. 

Wachstum in der Gegenrichtung

2021 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerade noch um 2,6 Prozent gewachsen, 2022 um 1,9 Prozent, und 2023 wird es möglicherweise sogar schrumpfen. Wachstum geht in die Gegenrichtung. 2022 wurden nur noch 290.000 Wohnungen gebaut, obwohl das erklärte Ziel der Bundesregierung wegen der hohen Zuwanderung und Wohnungsknappheit 400.000 betrug. 2023 wird ein weiterer Rückgang auf maximal 250.000 neu erbaute Wohnungen erwartet. Nun sind moderne Wohnungen geräumiger, und von höherem Komfort. Aber viele Mieter würden gerne auch in einfachere Bausubstanz einziehen – es gibt sie nicht.

Wie also soll es zur Trendwende kommen?

Investitionen in die Klimawirtschaft

Scholz begründet seinen Optimismus mit dem Ziel, dass Deutschland bis 2045 Klimaneutralität erreichen müsse. Die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes setze „milliardenschwere, hunderte milliardenschwere privatwirtschaftliche Investitionen“ in einem Ausmaß voraus, „wie wir das über viele Jahrzehnte gar nicht mehr gewohnt waren“.

Hunderte milliardenschwere Investitionen? In den goldenen Zeiten des Wirtschaftswunders waren es tatsächlich Privatinvestitionen, die das Wachstum förderten – Fabriken, Wohnungen, Einfamilienhäuser. Steigendes Einkommen und wachsender privater Konsum trieben das Wachstum weiter an. Investitionen werden getätigt, um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten oder neue, verkaufsfähige Produkte zu erzeugen. 

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Die Investitionen in den Klimaschutz aber sind nicht Investitionen in Wachstum – sondern lediglich Ersatz: Wärmepumpen sollen bestehende Gas- und Ölheizungen ersetzen, Windräder fossile Kraftwerke. Kernkraftwerke werden stillgelegt, Solarparks entstehen. Damit entsteht zunächst kein Wachstum – die Produktion erfolgt nur anders. Das durchzieht die gesamte Wirtschaft: Stahl soll „grün“ werden, ebenso Zement, Verkehr, Automobile und Wohnen.

Wachstum würde entstehen, wenn die wirtschaftliche Leistung nach der Investition höher wäre. Ein einfaches Beispiel: Ein einfach ausgestatteter Fiat 500 kostet zwischen 15.000 und 16.000 Euro. Ein vollelektrischer Fiat 500 mit halbierter Reichweite kostet ziemlich genau das Doppelte. Das ist nicht mehr Auto – sondern weniger. Das ist keine Inflation – es ist gewollte und staatlich administrierte Preissteigerung um rund 100 Prozent. Die Mehrkosten entfallen auf die aufwändig meist in Asien gefertigte Batterie, die Rohstoffe werden in Afrika und Südamerika gewonnen. Die Arbeitsplätze der Motorenbauer in den Fiat-Werken entfallen ebenfalls wie preiswerte Mobilität: 30.000 Euro für einen Kleinwagen sind für viele heutige Auto-Nutzer unerschwinglich. Sie werden auf Mobilität verzichten müssen. Die Scholz-Investitionen sind nicht für mehr Wohlstand – sondern fordern Verzicht: Weniger Wohnraum, weniger Konsum, weniger Wärme, weniger Mobilität und noch mehr Weniger.

Mehr „Wohlstand“ kann man das nicht nennen; auch nicht ein Mehr an Umweltschutz: Da der Strom bekanntlich in Deutschland schwerpunktmäßig aus Braunkohle stammt, ist auch die Klimabilanz negativ. Daran ändert auch die staatliche Förderung für den E-Fiat nichts, denn die wird ebenfalls von den Steuerzahlern aufgebracht. Die beschworene „Verkehrswende“ bringt so jedenfalls weder Wachstum noch Arbeitsplätze noch wachsenden Wohlstand; es ist lediglich ein unvorteilhafter Tausch. Autos werden wieder zum Luxusgut, nicht zum Allerweltsprodukt, wie es Erhard gewollt hatte. Die Klassengesellschaft kehrt zurück. Wer oben ist, fährt. Wer unten ist, hat zu warten, bis der Stadtomnibus kommt. Wirtschaftspolitik ist auch Sozial- und Gesellschaftspolitik.

Die Energiewende

Was am Auto einfach demonstriert werden kann, wiederholt sich gesamtwirtschaftlich. Kernstück von Olaf Scholz’ Politik ist ja die beschworene Klimaneutralität Deutschlands bis 2045, und die setzt bei der Energie an. Scholz fordert den Bau von vier bis fünf Windrädern am Tag. Von Januar bis Mai 2022 sind in ganz Deutschland 99 neue Windkraftanlagen errichtet worden, das entspricht einer halben Anlage pro Tag! Seither hat sich das Tempo weiter reduziert. Für die Verzehnfachung des Ausbaus gibt es keine Investoren und keine ausreichende Produktionskapazität. Der Bedarf an Seltenen Erden würde enorm ansteigen. Da Photovoltaik und Windräder vergleichsweise wenig Strom „ernten“, dauert es lange, bis die für den Bau investierte Energie wieder zurückfließt. Das ist der Grund, warum der Ausbau stockt: Es lohnt sich nicht; die laufenden Zinsen fressen den Gewinn an Strom auf. (Die Analyse der Energiepolitik kann hier nicht umfassend erfolgen; dafür eignet sich das neue, knappe und präzise Buch von Fritz Vahrenholt „Die große Energiekrise“).

Tichys Einblick Talk vom 23.02.2023
Die große Energiekrise – Gespräch mit Otto Schily und Fritz Vahrenholt
Zu Jahresbeginn wurde daher der Garantiepreis für Windstrom um 25 Prozent erhöht – immer noch zu wenig, um die steigenden Zinsen aufzufangen. Jedes Windkraftrad und jede zusätzliche Solaranlage vermindert daher den Wohlstand, natürlich nicht bei ihren Erbauern und Betreibern. Außerdem muss, wegen der schwankenden Erzeugung, der fossile Kraftwerkspark nicht abgebaut, sondern erweitert werden. Deutschland nimmt seine alten Braunkohlekraftwerke wieder in Betrieb. Bis 2030 sollen zudem 30 bis 50 Gaskraftwerke errichtet werden, obwohl in den letzten Jahrzehnten kein einziges Kraftwerk beantragt oder genehmigt wurde und Gas schlicht nicht vorhanden ist. Im Energiesystem wiederholt sich das negative Wirtschaftswunder des Elektroautos: Die Stromproduktion verteuert sich; die Investitionen haben eine negative Rentabilität: Sie schaffen Armut statt Wohlstand, verschlingen einen immer größeren Teil von natürlichen und finanziellen Ressourcen – es sind Armutsmaschinen. Die Zeche zahlen die Stromkunden; Arbeitsplätze gehen verloren, der Wohlstand sinkt. Olaf Scholz wird zu einer Art Anti-Erhard: Wachstum wird zur Schrumpfung.

Gleichzeitig sollen von heute bis 2030 täglich (!) bis zu 40 Flächen in der Größe von Fußballplätzen mit Solaranlagen bebaut werden. Windräder sollen auch in Bayern gebaut werden, wobei dort die Stromernte auf ein Achtel fällt: Je weiter weg man von der Küste baut, umso schwächer weht der Wind. Die Stromernte schrumpft nicht im gleichen Maße, sondern um die dritte Potenz: Die Halbierung der Windgeschwindigkeit führt zur Achtelung der Stromproduktion. Windkraftbau südlich der Mainlinie ist eine unsinnige Verschwendung und Vernichtung von Landschaft, Lebensqualität, die Zerstörung von Wäldern sowie des Lebens auf dem Land.

Dazu kommt aber auch die Belastung der Städter: Die Stromleitungen in den Wohngebieten reichen nicht für Wärmepumpen und E-Autos. Letztlich müsste fast jeder Gehweg für neue Leitungen aufgegraben werden. Schon jetzt fordern Bundesnetzagentur und Energieversorger daher Stromrationierung: Wärmepumpen und das Laden von E-Autos sollen ab sofort von Leitwarten aus gedrosselt werden können; sobald die Stromzähler in den Wohngebäuden zu „Smart-Metern“ umgebaut wurden, gilt das auch für privaten Stromverbrauch in der Wohnung, für Kühlschrank und Waschmaschine. Industrieanlagen werden schon heute bei Bedarf stillgelegt – ohne Rücksicht auf Kosten, Produktion und wegen Spannungsschwankungen zerstörte Anlagen.

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Die angeblich wohlstandssteigernden Investitionen von Olaf Scholz sind eher eine Art flächendeckende Zerstörung von Infrastruktur, Landschaft und Vermögen. Es ist eine Art „Planwirtschaft ohne Plan“, wie der Grünen-Mitbegründer Otto Schily spottet. Dabei war die Überwindung der Planwirtschaft das eigentliche Erfolgsrezept von Ludwig Erhard. Jetzt wird sie zur überstürzten, planlosen Phrasendrescherei ohne Realitätsbezug. So wird beispielsweise die Wasserstoffwirtschaft als Wunderwaffe angepriesen – ohne dass auch nur in Umrissen bekannt wäre, wie diese neue Welt technisch oder wirtschaftlich aussehen könnte. Murks wird zum Prinzip: Hausbesitzer sollen statt noch lange gebrauchsfähiger Anlagen zukünftig Wärmepumpen einbauen, für die allerdings der notwendige Strom fehlt.

Zudem eignen sich nur die wenigsten Häuser dafür; neuerdings empfiehlt Wirtschaftsminister Robert Habeck daher: In alten Wohnungen „könne man ja für Frühjahr und Herbst, wenn es nicht richtig kalt ist, eine Wärmepumpe einbauen und zusätzlich einen kleineren Gaskessel für eisige Temperaturen im Winter“. Es bedeutet, dass Wohnungen mit zwei Heizsystemen ausgestattet werden und die Kosten dafür explodieren. Diese Kosten kommen zu den geforderten Wärmedämmungsmaßnahmen noch obendrauf. Diese Kosten, Schätzungen gehen von weit über 1000 Milliarden aus, werden getragen von Immobilienbesitzern und Mietern. Sie wohnen also wie bisher – sie heizen nur teurer; die Wohnungen werden nicht zahlreicher oder größer, nur teurer. Die Gewinner sind Heizungsinstallateure und Fachkräfte, falls es sie gibt. Ansonsten erhöhen sich die Baupreise lediglich wegen der Knappheit des Angebots. Die Masse der Mieter hat davon nichts, Wirtschaftswachstum gibt es nicht, der Wohlstand schrumpft.

Subventionen für praktisch alle Wirtschaftsbereiche

Diese Art von Denken wiederholt sich bei der industriellen Produktion. Stahl soll zukünftig „grün“ erzeugt werden. Eine Tonne Baustahl kostet derzeit rund 1.200 Euro; bei sinkender Tendenz. Für „grünen“ Stahl betragen die Kosten mehr als das Doppelte, dazu kommen die notwendigen Kosten für die Umrüstung, immerhin je nach Schätzung ebenfalls rund 30 Milliarden Euro. Die notwendigen Strommengen sind schlicht nicht verfügbar; sie verschlingen den gesamten Wasserstoff, den die Bundesregierung für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft vorsieht. Es ist nicht realisierbar. Selbst wenn: Der Einsatz von grünem Stahl würde den Bau von Häusern, Verkehrsanlagen, aber auch jeder Form von Metall- und Maschinenbau massiv verteuern und den jeweiligen Export beispielsweise von Autos unwirtschaftlich machen.

Inflation wird weitergehen
Ökonom Sinn erwartet Wohlstandseinbußen wegen falscher Energiepolitik
Robert Habeck spricht daher von Vertragslösungen, die er marktwirtschaftlich „Contract of Difference“ nennt: Exporteure sollen Staatsgelder erhalten, um auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Das bedeutet: Jeder Exporteur erhält Steuergeld geschenkt. Umgekehrt sollen Importe mit so hohen Strafzöllen belegt werden, bis ihre Preise dem überhöhten deutschen Niveau entsprechen. Abgesehen von der praktischen Umsetzung und der Tatsache, dass Deutschlands Wirtschaft dann faktisch einfach vom Weltmarkt ausgesperrt werden würde: Grüner Stahl macht Wirtschaften teurer, viel teurer, denn Stahl steckt direkt oder indirekt in jedem Produkt, und sei es nur in Form der Produktionsmaschinen.

Woher hier Wachstum kommen soll, bleibt das Geheimnis von Bundeskanzler und Wirtschaftsminister. Finanziert wird das Vorhaben über Schulden. Dabei wird übersehen: Alle Projekte der Regierung zusammengenommen haben die Verschuldung des Bundes binnen drei Jahren um 850 Milliarden Euro nach oben getrieben haben. In den 70 Jahren zuvor seit Gründung der Bundesrepublik waren es nur 1.300 Milliarden Euro. Die Bundesregierung ist bereits jetzt ein Stabilitätsrisiko, Inflation für die Bürger bittere Realität und jeder weitere Tag ein Schritt in die Verarmung. Immer neue Verschuldungsversprechen heizen nur die Inflation weiter an.

Und wie beim Stahl wiederholt sich die Lage in allen Wirtschaftsbereichen – bei Aluminium wie bei Zement, bei Mehl, Brot und Fleisch, Verkehr, Wohnen und Freizeit. Wohlstand wird vernichtet, weil Abgaben, Steuern und technische unsinnige Investitionen ohne Mehrertrag erzwungen werden. Ein Land wird abgewürgt. Die Inflation galoppiert. Ludwig Erhard nannte Inflation „Betrug“: „Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.“

Wohlstand für Alle wird ersetzt durch Armut für Alle.