Lagarde und von der Leyen: Die doppelte Fehlentscheidung für die EU

Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin und Christine Lagarde als EZB-Chefin: Das sind zwei Fehlentscheidungen mit Folgewirkungen für die Politik in Europa und den Euro.

AFP/Getty Images

Nein, Ursula von der Leyen hatte niemand auf dem Zettel als Nachfolgerin für Jean-Claude Juncker. Eigentlich war über ihren Rücktritt, wenn nicht ihren Rauswurf aus dem Kabinett Merkel spekuliert worden. Schließlich hat sie als Ministerin versagt und muss sich derzeit vor einem Untersuchungsausschuss dafür rechtfertigen:

Undurchsichtige Vergabe von hunderten von Millionen an Beraterfirmen; persönliche Nähe zu deren Akquistions-Beauftragten, Verwicklung von Familienmitgliedern mit einem der Hauptbegünstigten – das hätte in Zeiten politischen Rest-Anstands für einen Rauswurf gereicht. Unter Angela Merkels Günstlings-Wirtschaft soll dabei eine Beförderung zur Präsidentin der Kommission der EU rauskommen. Wegbefördert aus dem bleiernen Berlin, wo sich mittlerweile sogar Sozialdemokraten und Grüne begannen, von der demonstrativ unfähigen Verteidigungsministerin zu distanzieren. Nicht nur die Kasse stimmt nicht unter ihrer Leitung; sie hat sich als Ministerin der Verteidigung nicht als geeignet gezeigt, eine große Organisation zu führen. Führungsversagen ist wohl die beste Voraussetzungen für den angeblich wichtigsten Job der EU.

Die Liste des Grauens

Dafür steht die Verteidigungsministerin: Gendergerechte Sprache, Extra-WCs für genderfluide Soldaten, ins Weibliche umgedichtete Marschlieder, Schwangerschaftsuniformen für Soldatinnen – das bleibt von ihr und spezielle Einrichtungen in Panzern, damit Schwangere sich beim Einsatz nicht an den scharfen Innenteilen verletzen: Will man ernsthaft schwangere Frauen in den Krieg schicken – oder ist das alles nur eine Show-Einlage? Wohl das Letztere. Unfassbar auch ihre Behandlung eines fragwürdigen Falles des durchgeknallten Oberleutnants, der sich als Flüchtling ausgab und in Wien eine Pistole versteckte. Von der Leyen blies den Vorfall zum rechten Netzwerk auf, ließ jeden Spind nach Nazi-Erinnerungen filzen, beschimpfte die Soldaten – und am Ende? Hängte man ein Foto von Helmut Schmidt ab, weil er als Soldat eine Wehrmachtsuniform trug.

Das sind die Anekdoten, mit der Ursula von der Leyen bekannt wurde. Nicht bekannt wurde sie dafür, ein echtes Problem zu lösen, wie die aktuelle Mängelliste zeigt: „Zeitweise war keines der sechs U-Boote der 212A-Klasse fahrbereit; beim ADAC mussten 6.500 Flugstunden angemietet werden, um Fluglizenzen von Bundeswehrpiloten zu erhalten; von den 128 Eurofightern waren kaum mehr als vier ohne jede Einschränkung einsatzfähig; von 68 Hubschraubern des Typs Tiger waren nur 12 voll einsatzfähig; von den Transporthubschraubern CH-53 waren nur 16 von 72, von den Transporthubschraubern NH 90 nur 13 von 58, vom (neuen!) Transportflieger A400M gerade mal 3 von 15, von den Fregatten 5 von 13 und von den Leopard II-Panzern 105 von 244 „fit“. Von der Flugbereitschaft der Luftwaffe ganz zu schweigen. Sie begleitete die Kanzlerin zuletzt mit einem zweiten Ersatzflugzeug nach Japan – für den Fall, dass wieder mal das eigentliche Flugzeug liegen bleibt“, so der Buchautor Josef Kraus über die Fehlbesetzung.

Wegbefördert wegen Unfähigkeit und Skandalen

Skandälchen, Skandale, Versagen und Beförderung, man muss nur die treueste Dienerin der Kanzlerin sein, dann wird man wegbefördert. Nun ist das Ende der Kanzlerschaft Merkel ja greifbar. Und damit droht Deutschland und Europa eine gewaltige Gefahr: Nämlich, dass jeder irgendwie greifbare Posten mit jemandem aus Merkels Girls-Camp besetzt wird. Die Getreuen der Getreuesten müssen versorgt werden, ob sie für die Aufgabe taugen oder nicht. Kein Preis dafür ist zu hoch. Einen Preis musste Manfred Weber zahlen, der Spitzenkandidat der CDU/CSU für die EU-Wahl. Er sollte als Vertreter der auch nach krachenden Wahlverlusten noch größten Fraktion im EU-Parlament zum Kommissionspräsidenten ernannt werden. So wurde er den deutschen Wählern verkauft. Es war ein Wahlversprechen ohne Wert. Weber wird nichts; als Präsident des Parlaments der EU kann er noch einige Zeit durch Europa geistern, als Beweis, was Versprechungen auf EU-Ebene wert sind: Nichts. Nicht das schwarze unter den Fingernägeln. Aber das ist nur ein Preis, den Merkel bezahlte, und vermutlich gerne.

Und noch eine Skandal-Nudel für Europa

Der zweite war die Aufgabe der EZB-Präsidentschaft. Diese geht an Christine Lagarde, die frühere französische Finanzministerin, die davor Chefin einer großen Anwaltskanzlei war und nach ihrem ebenfalls skandalösen Ausscheiden aus der Politik den Internationalen Währungsfonds (IWF) mehr schlecht als recht positionierte. Statt Sanierungspolitik stellte sie beim IWF Diversity und Fraunprogramme um; das macht ihn vielleicht nett, aber nicht wirkungsvoller. Hart blieb sie bei Merkels Griechenland-Rettung und forderte strikte Sanierungsbedingungen für die Kreditvergabe – härtere als die Bundesregierung.

Aus ihrer Zeit als französische Finanzministerin hängt ihr allerdings auch ein Makel an: Die Affäre um den französischen Unternehmer Bernard Tapie, dem der französische Staat unter ihrer Obhut die hohe Summe von mehr als 400 Millionen Euro als Schadensersatz im Zusammenhang mit dem undurchsichtigen Verkauf von Adidas in den neunziger Jahren ausgezahlt hatte. Wer genau die Anweisungen für die Riesensumme gab, ist bis heute unklar; ein französisches Gericht sprach sie frei, doch es erklärte sie gleichzeitig für die „Vernachlässigung“ ihrer Amtspflichten verantwortlich. Das verbindet sie mit Ursula von der Leyen. Nun sind es also zwei Skandal-Nudeln an der Spitze Europas: Skandale, die sie wohl nur deshalb überlebte, weil sie eng verwoben ist mit dem Beziehungsgeflecht des Präsidenten und keinerlei Hemmungen hat, ihre Karriere über Anstand zu stellen. Schlimmer allerdings ist:

In der Vergangenheit sollten Notenbankpräsidenten gerade keine Politiker sein, um die Unabhängigkeit zu demonstrieren. Damit ist es jetzt vorbei. Lagarde wurde von Frankreichs Staatspräsident Emanuel Macron als Geldbeschafferin für die stets klamme Grande Nation installiert. Sie hat sich um den Job beworben, indem sie jedem der umstrittenen Schritte ihres Vorgängers Mario Draghi applaudierte: Der gigantischen Aufkaufaktion von Staatsanleihen, Milliarden über Milliarden, die direkt in die Staatshaushalte fließen. Dazu Null-Zinsen, mit denen die ausfallenden Zinsen für Sparer ebenfalls für die höheren Weihen der Staatskassen geopfert werden. Und weil alles das nicht reicht – kein schlechtes Wort über Negativ-Zinsen, die endgültig die Bevölkerung enteignen sollen. Frankreich ist auf Euro-Geldschöpfung angewiesen – Lagarde wird liefern.

Deutschland zahlt und schweigt

Dabei hatte Frankreich schon einen EZB-Präsidenten – Bundesbankpräsident Jens Weidmann verwies noch im Mai auf die Spielregel der EU: “Sicherlich schlecht wäre der Eindruck, dass bestimmte Nationalitäten von der EZB-Präsidentschaft grundsätzlich ausgeschlossen sind.“ Ein Deutscher stand noch nie an der Spitze der EZB seit ihrer Gründung vor 20 Jahren. Erster Präsident war der Niederländer Wim Duisenberg, dann folgte der Franzose Jean-Claude Trichet, seit 2011 amtiert der Italiener Draghi. Es geht also ganz gut ohne einen Vertreter der Bundesbank, die früher für geldpolitische Solidität stand; und turnusgemäß ist der Bundesbankpräsident immer wieder ohne Stimm- und Rederecht im EZB-Rat: Es gibt dort zu wenig Sitze. Es geht eben ganz gut ohne die Deutschen, die immerhin ein Viertel der EZB-Anteile halten und für ein Viertel der gigantesken EZB-Schulden gerade stehen müssen. Deutschland hätte ja dann eine Kommissionspräsidentin, die offenkundig unfähig ist – und jetzt eine EZB-Präsidentin, die den Euro und die Bürger in seinem Einflussbereich teuer zu stehen kommen wird. Damit ist ein geldpolitischer Weg vorgezeichnet, der besagt: Noch niedrigere Zinsen, noch höhere Belastung der Sparer und Inhaber von Lebensversicherungen, noch weitere Verschärfung der längst bedrohlichen Schieflage deutscher Banken – alles für den Euro und die Kassen Frankreichs, die damit gepäppelt werden können. Ich hatte ja erwartet, dass ein gestutzter Jens Weidmann diese Aufgabe übernehmen sollte – mit Lagarde ist der Zugriff gesichert, ohne Risiko, dass sich einer auf die Tradition der Bundesbank besänne.

Vorurteile über die EU? Mehr als bestätigt

Damit steht am Ende eine Personalentscheidung, die doppelt falsch ist. Jedes Vorurteil gegen die Postenschacherei, die undurchsichtige Gemengelage, das Demokratiedefizit und die personifizierte Unfähigkeit des Spitzenpersonals der EU, jedes dieser Vorurteile wurde bestätigt.

Die schon große Zahl der EU-Gegner wird zunehmen. Man kann ihnen nichts mehr entgegenhalten. Es ist ein Intrigantenstadel, nicht mehr. Sorgen um die EU sind jetzt mehr als berechtigt. Wer dachte, nach Jean-Claude Juncker, seinen angeblichen Rheumabeschwerden, die dazu führten, dass er Schuhe unterschiedlicher Farbe trug – manche würden sich noch nach ihm sehnen, sobald Ursula von der Leyen wirkte.

Noch mehr verstehen jetzt die Befürworter des Brexit und können sich ein Ende mit Schrecken als vorteilhafter vorstellen als diesen permanenten Schrecken ohne Ende. So schafft man EU-Verdrossenheit, die man anschließend mit pompösen Worten und brutaler Einschränkung der Meinungsfreiheit mittels diverser EU-Zensurgesetze bekämpfen wollen wird.


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Kommentare ( 268 )

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Alter weiser Mann
4 Jahre her

https://www.welt.de/regionales/muenchen/article121691012/Ein-Denkmal-dort-wo-frueher-Hexen-brannten.html
Das waren alles Fürstbischöffe und Fürstbischöffe übten immer weltliche mit kirchlicher Macht aus. Erst die Säkularisation zum 19. Jh änderte das, indem der Fürst die weltliche Macht und der Bischoff die kirchliche Macht ausübte. Lesen Sie lieber nochmals mal nach, was es an Hexenverbrennung gab, gerade zB in Bamberg.

RauerMan
4 Jahre her

Für Frau Lagarde war und ist die Wettbewerbsfähigkeit D ein Pfahl im Fleische einer weniger wettbewerbsfähigen EU , namentlich F. Wir sehen, daß die wirklich entscheidenden Posten der EU nicht von D, sondern von Staaten besetzt sind/werden, welche“ Interessenpolitik Pur“ verfolgen. Frau vdL dient nur als „Feigenblatt“ zur Ruhigstellung deutscher Nichtdurchblicker. Natürlich wünschen sich die Menschen Frieden, der wird allerdings unterlaufen von , für die Meisten unbemerkt, zäher und langfristiger Entmachtung D auf allen Gebieten, auf denen D eine maßgebliche Rolle spielte. Dazu gehört aber auch die Erkenntnis, daß der überwiegende Teil der dt. Wählerschaft das für in Ordnung befindet.… Mehr

Comedian
4 Jahre her

Jep, sehr realistischer Artikel. Die Wut wächst über das Unverständnis, einen internationalen Spitzenposten mit jenen zu besetzen, welche bereits national versagt haben, Aber wer sich bereits im internationalen Verständnis für Güther Oettinger stark machte, einen Posten im Parlament zu erwirken, der erkennt auch in von der Leyen eine Fachkraft.

Waehler 21
4 Jahre her

Merkel kann sich nur in Deutschland durchsetzen. Mit ihrem Clan von Bücklingen und dem öffentlichen Rundfunk der sie für jede Pleite feiert.

Senni
4 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Wähler 21 . Damit ist alles gesagt. Mächtigste Frau der Welt – das ich nicht hell auflache ! Ich habe internationale Kontakte, niemand nimmt „Merkel-Deutschland“ noch ernst. Die EU eingeschlossen !

abcredneck
4 Jahre her

Na, da scheint ja die Bewegung „Pulse of Europe“ was die EU-Personalien angeht ein
voller Erfolg geworden zu sein! In Zukunft dann bitte mit Frau v.der Leyen Postern
erscheinen!

Karl Heinz Muttersohn
4 Jahre her

Aber Herr Tichy! Sehen sie denn nicht, dass die EU jetzt weicher, femininer, attraktiver wird. Was sie als Skandalnudeln bezeichnen sind politische Spitzenfrauen, die über jede Kritik erhaben sind.

Judith Panther
4 Jahre her

Wir haben es geahnt: 500 Millionen EU-Bürger werden von einer Horde Schmierenkomödianten regiert.

JanAllemann
4 Jahre her

Damit eins mal klar ist: ICH werde niemals wieder an einer Europawahl teilnehmen!

Was haben uns die Systemmedien nicht geradezu gedrängt zur Wahl zur gehen, um die „demokratischen Kräfte“ zu stärken. Mit Spitzenkandidaten, Rededuellen und allem drum und dran. So, als könnten WIR darüber entscheiden.

Und nun?

Keiner der Spitzenkandidaten wird irgendetwas werden in der EU! Stattdessen wird wieder alles von ein paar Sonnenkönig(inn)en im Hinterzimmer ausgekungelt!

Glückliches Britannien – alles richtig gemacht!

Fundamentiert
4 Jahre her
Antworten an  JanAllemann

Die Stimme ungewollt durch nicht-Beteiligung an die Altparteien gehen lassen und so wieder ein Stückchen dafür sorgen das einer ihrer Kasper mehr dort sitzt? keine gute Strategie.

Beat.Buenzli
4 Jahre her

Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass eine Deutsche Junker-Nachfolgerin wird. Es ist auch nicht dagegen einzuwenden, dass es eine Frau ist, im Gegenteil, es geht ausschließlich um die Person, die Vergangenheit als Ministerin, die Glaubwürdigkeit, die Überzeugung und natürlich um dass, was wie darstellt – ich habe die Befürchtung, dass Europa von v.d.L. nicht so vertreten wird wie es notwendig wäre, und dabei ist mir egal ob sie schwarz oder weiss, gepunktet oder kariert, groß oder klein ist – sie muss international die Positionen Europas durchsetzen können, einen zweiten Junker brauchen wir nicht.

Thurma007
4 Jahre her

Lieber Herr Tichy, ich teile Ihre Schlussfolgerungen vollumfänglich, bin mir aber nicht sicher, ob Manfred Weber fähiger gewesen wäre oder ob Jens Weidmann, trotz hervorragender Qualifikation, in der Lage gewesen wäre, die Schulden-/Euro-Krise zu lösen. Das Defizit-Verfahren gegen Italien wurde ja gerade eingestellt….. – Ich sehe für Deutschland – unabhängig der aktuellen Postenbesetzungen – leider nur ein Schrecken ohne Ende in dieser EU.