Allein am Mittelmeer

Nun regiert mal schön weiter. Angela Merkel ist es ja gleichgültig, wer unter ihr Minister ist und welches Programm gerade aufgeführt wird.

Nach der hübschen Inszenierung von Koalitionsvertragsverhandlungen und Mitgliederabstimmung kann jetzt wieder regiert werden – so wie Angela Merkel das seit acht Jahren vorführt: nüchtern, pragmatisch sowie weitgehend werte- und ideologiefrei. Bei diesem Politikstil ist alles möglich und auch immer das Gegenteil, wie sie mit dem Atomein-/-ausstieg bewiesen hat: Aus der Laufzeitverlängerung wurde über Nacht der Hoppla!-Ausstieg. Das hat Vorteile: Wenn die Deutschen nach Finanz- und Euro-Krise lieber dem Staatsadler unters Gefieder kriechen wollen, um sich aneinander als Einig-Sozialvolk zu wärmen – na bitte. Dann werden Sozialleistungen erhöht, auch wenn sie nicht finanzierbar sind. Aber Rentenpolitik dient ohnehin längst mehr dem Daseinsberechtigungsnachweis von Rentenpolitikern als der Zukunftsvorsorge für Rentner. Merkel weiß sehr genau, dass die derzeitigen Regierungsversprechen nur bei anhaltendem Wirtschaftswachstum finanzierbar sind. Stockt das Wachstum, wird die Frage nach Steuererhöhungen neu gestellt und auch beim Sozialetat wieder gestrichen – bis es wieder bis zur nächsten Wahl vor sich hinfunktioniert. Wirtschaftlich gesehen lebt sie von Gerhard Schröders Reformen, die gerade von der SPD zurückgedreht werden. Während sich die Ministerchen also auf offener Bühne um die Peanuts zanken, kann sich die Kanzlerin den eigentlichen Problemen widmen. Davon gibt’s ja auch genug.

Da ist die außenpolitische Vereinsamung Deutschlands. Dass sie dem prahlerischen Machismo des Wladimir Putin nicht so verfallen ist wie Gerhard Schröder, zeigt kühle Vernunft. Aber Russland so abzumeiern wie ihr Bundespräsident Joachim Gauck, der wie ein beleidigter Pastor nicht zuschauen mag, wie in Sotschi die Jugend der Welt rutscht, schlittert und schleudert – das hat zu einer Kälte der Beziehungen zu Russland geführt, die Konflikte anheizt. Abgekühlt ist das Verhältnis zu den USA. Es ist ja nur gespieltes Erstaunen, wenn Angela Merkel in der NSA-Affäre so getan hat, als wäre ihr völlig neu, dass Geheimdienste spionieren und Staaten keine Freunde sind, sondern nur gelegentlich gemeinsame Interessen verfolgen. Fakt ist, dass die USA sich dem Pazifik zuwenden, wo ihre Flugzeugträger genug mit China zu tun kriegen. Europa bleibt allein mit seinem Mittelmeer, an dessen südlichen Gestaden es brennt und zündelt – nicht viel weiter weg baut der Iran die Atombombe fertig. Antworten darauf? Keine.
Auch das auseinanderdriftende Europa misstraut Deutschland. Das wird letztlich viel teurer, als der Euro an Rettungsmilliarden wegfrisst. Deutschland soll zwar Rettungsprogramme bezahlen, aber vorher nichts verdienen. Auf diese Formel lässt sich ja die Diskussion um den deutschen Außenhandel reduzieren. Wie das gehen soll? Davon steht nichts im Programm.
Und auch das, wofür Merkel vermutlich mal im Geschichtsbuch erscheinen wird, entfaltet von Tag zu Tag mehr ein Panorama, das Merkel an die Verheerungen des Bauernkriegs ab 1524 erinnern sollte. DDR-Maler Werner Tübke hat die Schrecken von einst in einem Rundbau am Fuße des Kyffhäusers auf 123 Meter Leinwand ausgerollt. Die Energiewende wird unerträglich teuer und zerstört immer neue Bereiche. Nun will die EU-Kommission die Ausnahmeregeln für deutsche Großstromverbraucher kappen, die bisher weitgehend von den Kosten des grünen Teuerstroms befreit waren. Das senkt zwar die Stromrechnung der Haushalte, aber gefährdet Arbeitsplätze. Und das ist eine Erfahrung, die Merkel fehlt: wie schlagartig Industrien zusammenkrachen, wird die Belastungsgrenze überschritten. Das Schweigen der Industriekapitäne wertet sie noch als Beweis dafür, dass die Politik das Primat hat und die Wirtschaft schön folgen muss. Aber wer an Investitionsverlagerungen bastelt, schweigt höflich, wenn die Kanzlerin redet. Die Kraft aber, sich in der Energiepolitik noch mal zu korrigieren, hat sie nicht.
Also wird weiterregiert – wie bisher. Solange es nur irgendwie noch gut geht.

(Erschienen auf Wiwo.de am 14.12.2013)

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